Technik
Vom Stinker zum Stromer

Willibald Schmid aus Atzenzell rüstet mit seinem patentierten System im Handumdrehen Spritfresser zum E-Mobil um.

19.01.2018 | Stand 19.01.2018, 19:00 Uhr

Willibald Schmid stellte MdB Karl Holmeier sein umgerüstetes Elantrie-Fahrzeug vor.Foto: cGA

Der rote VW Golf von Willibald Schmid saust über die Landstraße. Das Cockpit mit den schlichten Instrumenten und den abgenutzten Sitzen versprüht noch immer den Charme der 90er. Dennoch fühlt sich das Fahren vollkommen anders an. Der Grund: Beim Tritt aufs Gaspedal fehlt das typische Röhren des Motors, der den VW auf Touren bringt. Stattdessen entlarvt ein futuristisch anmutendes Surren den Wagen als E-Mobil. Der Atzenzeller hat den Spritfresser in ein umweltfreundlichen Stromer umfunktioniert.

Seit 2014 tüftelt und werkelt der 55-Jährige in seiner Garage an einem Transformations-Kit für Serienfahrzeuge, das er inzwischen offiziell unter dem Namen „Elantrie“ zum Patent angemeldet hat. Mit der ausgeklügelten Konstruktion lassen sich alte Stinker nun mühelos elektrifizieren.

„Der Gedanke, einen konventionellen Verbrennungsmotor in einen Elektroantrieb umzurüsten, kam mir auf der Rückfahrt von einem Ski-Ausflug. Seitdem ließ mich die Idee nicht mehr los“, erzählt Schmid. Das Schrauben und Tüfteln ist für ihn aber mehr als nur ein Hobby. Er möchte mit seiner Erfindung einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten.

Nur Motor wird ersetzt

Das Prinzip hinter der Technik klingt simpel: Ein Elektromotor, der über einen Riemen oder eine Kette die Kurbelwelle antreibt, wird mittels einer Montageplatte auf dem Motorblock montiert. Obwohl dafür die Kolben, Pleuel und der Zylinderkopf entfernt werden müssen, bleibt der serienmäßige Antrieb weitestgehend erhalten. Sogar die Lichtmaschine und Servopumpe behalten ihre Funktion. „Ich ersetze lediglich den Verbrennungsakt im Zylinder durch ein elektronisches System“, erklärt Schmid. Der Clou dabei ist, dass das Auto einfach und schnell auch wieder zum Original zurückgebaut werden kann. Im Kofferraum wird die Batterie von der Größe eines Reisekoffers installiert. Ihr Gewicht beträgt etwa 60 Kilo. Unnütze Teile wie Tank, Auspuff, Benzinpumpe können im Gegenzug am Wagen entfernt werden. Der Prototyp, der je nach Fahrweise eine Reichweite zwischen 60 und 80 Kilometer hat, läuft seit einem Jahr störungsfrei. Wenn es nach Schmid geht, ist mehr Leistung auch nicht erforderlich. „Mein Ziel ist, einen kostengünstigen Elektroantrieb für ein Zweitauto zu entwickeln, das seine Dienste im täglichen Kurzstreckenbereich absolviert – also die Fahrt zur Arbeit oder zum Einkaufen.“

Laut Kraftfahrt-Bundesamtes sind derzeit auf Deutschlands Straßen annähernd 20 Millionen zugelassene Klein- und Mittelklassewagen unterwegs. Für Schmid bestehe deswegen durchaus ein Markt für das Elantrie-System. Der Haken: Die Kosten für eine vollständige Umrüstung liegen aktuell noch bei 11 000 Euro.Der Elektro-Enthusiast möchte dennoch an seiner Erfindung festzuhalten, da viele Aspekte dafür sprechen.

Ein kürzlich erworbener Wagen halte nach dem Umbau schließlich noch lange durch. Außerdem spare sich der Besitzer danach zehn Jahre lang die Kfz-Steuer sowie die Ausgaben für teure Wartungsmaßnahmen. Schmid betont aber noch einen weiteren Pluspunkt: „Das Modul ist wiederverwendbar und multifunktionell. Wegen der einfachen Technik kann es immer wieder unabhängig vom Automodell neu verbaut werden.“

Eine eigene Förderung?

Der Entwickler fragt daher kürzlich kritisch beim MdB Karl Holmeier nach: „Warum wird eine Neuanschaffung gefördert, eine Umrüstung nicht?“ Bei einer Probefahrt zeigte sich der Bundestagsabgeordnete von dem Konzept fasziniert: „Es wäre großartig, wenn dieser Antrieb Marktreife erreichen könnte und vielleicht sogar noch weiterentwickelt wird.“ Er sicherte daher zu, dass er im Verkehrsministerium und beim Dieselgipfel die Möglichkeiten eines Zuschusses für „Elantrie“ ausloten werde. Für ihn habe das Auto letztlich auch Symbolcharakter. Es zeige, dass mit einer gesunden Portion Kreativität und Erfindergeist technisch vieles machbar sei. (cga)