Politik
Warum Chams Bürgermeisterin aufhört

Karin Bucher kündigt ihren Rückzug als Stadtoberhaupt bei den nächsten Wahlen 2020 an. Dafür nennt sie zwei Hauptgründe.

15.01.2019 | Stand 16.09.2023, 5:54 Uhr

Bürgermeisterin Karin Bucher führt seit 2008 die Geschicke der Stadt. Die Juristin will 2020 nicht mehr für die Freien Wähler bei der Bürgermeitserwahl antreten. Foto: Wolf

Knapp elf Jahre nach ihrem unerwarteten Sieg bei der Bürgermeisterwahl hat Karin Bucher am Montagabend beim Jahresempfang der Stadt ihren Abgang als Bürgermeisterin vorbereitet – für alle mindestens ebenso überraschend wie 2008 das Wahlergebnis der relativ unbekannten Seiteneinsteigerin im ersten Wahlgang. In einem Interview mit unserem Medienhaus kurz nach der Bekanntgabe sagte Bucher: „An Weihnachten habe ich Zeit gehabt, intensiv in mich zu gehen.“ Die letzten sieben Jahre seien kein Zuckerlecken gewesen. Sie habe dann die Entscheidung getroffen, nicht mehr antreten zu wollen. Das Ganze der Öffentlichkeit beim Jahresempfang mitzuteilen, diesen Entschluss habe sie sehr kurzfristig gefällt.

Gebannte Stille herrschte danach im Zuschauerraum. Auf die Frage, ob sie die völlige Fassungslosigkeit ihrer Zuhörer bemerkt habe, antwortete Bucher: „Ich habe es im Vorfeld nur der 2. Bürgermeisterin und dem 3. Bürgermeister mitgeteilt“. Bereits von ihnen habe sie diese Reaktion bekommen.

Zweimal zusammengebrochen

„Wenn ich das Gefühl gehabt hätte, dass ich die nächsten sieben Jahre durchstehen könnte, mit den Ansprüchen, die ich selbst an dieses Amt habe, dann wäre ich auch noch einmal angetreten“, sagte sie weiter. Aber: Sie sei zweimal zusammengebrochen und habe richtiggehend Schwindelgefühle, wenn sie zur Ruhe komme. „Wenn ich in der Kirche bin, muss ich mich oft an der Kirchenbank hochziehen“, beschreibt sie ihre regelmäßige Kraftlosigkeit. Und plaudert aus dem Nähkästchen: „Meine Mutter war heilfroh, als ich es ihr mitgeteilt habe.“ Inzwischen sei sei sie gesundheitlich so angeschlagen, dass sie an einer einfachen Erkältung nicht zwei, drei Tage leide, sondern zwei Monate brauche, ehe sie wieder auf dem Damm sei. Sie könne sich einfach nie richtig auskurieren, der Job fordere sie täglich.

„In diesem Job musst du notfalls bereit sein, deinem Nachbarn einen Vollstreckungsbescheid auszustellen.“Karin Bucher, Bürgermeisterin

Außerdem, so erwähnte sie nachdenklich, sei ein guter Bekannter im Alter von gerade einmal 47 Jahren gestorben. Ihr eigener Vater habe außerdem ebenfalls mit nur 49 Jahren einen Schlaganfall erlitten. Bucher will rechtzeitig die Reißleine ziehen und auf die Warnzeichen ihres Körpers hören. Denn die Abgespanntheit passt, so scheint es, nicht zu ihrem eigenen Anspruch, mit voller Kraft für ihre Ziele einzutreten. Zumal die 53-jährige Juristin bei vielen für ihr Fitnessbewusstsein bekannt ist. Für ein Stadtoberhaupt nicht unbedingt alltäglich: Im Sommer legte Karin Bucher die Strecke zu ihren Terminen gerne auf dem Fahrrad zurück. Auch Spaziergänge mit Amelie, ihrer knapp zweijährigen Leonberger-Hündin, gehören zu Buchers regelmäßigem Bewegungsprogramm.

Nicht nur angesichts ihrer Gesundheit sei für sie die Mitteilung am Montagabend eine große Erleichterung gewesen. „Es war wie ein großer Stein, der einem vom Herzen fällt“, sagte sie im Gespräch mit unserem Medienhaus. Und: „Ich könnte niemals eine Bürgermeisterin sein, die nichts mehr bewegt.“

Ob sie sich bereits Gedanken über einen Nachfolger gemacht hat? „Ich werde nie diejenige sein, die auf ihre Leute zukommt und sagt: Nehmt den oder den als Kandidaten“. Aber es sei ihr ein großes Anliegen, dass der künftige Bürgermeister Chams ein anständiger Mensch sei, der auf das Wohl der Stadt schaue und nicht auf sein eigenes. Bucher: „Dazu gehört Rückgrat. Denn wer es allen recht macht, schadet der Allgemeinheit. In diesem Job musst du notfalls bereit sein, deinem Nachbarn einen Vollstreckungsbescheid auszustellen.“

Bucher, Freundin der klaren Worte. Da passt es, dass sie ihren Rückzug selbstbestimmt und offen in die Öffentlichkeit transportiert – um danach gleich wieder in den Alltag einzutauchen. Termin auf Termin reihte sich am Dienstag aneinander, keine weiteren öffentlichen Worte zur Erklärung.

Ohnehin hatte sie in letzter Zeit und auch am Montag vor ihrer Ankündigung immer wieder öffentlich erklärt, wie ermüdend sie Diskussionen um vermeintliche Nichtigkeiten findet. Statt sich auf Wesentliches wie Umweltschutz, Integration oder Arbeitskräftemangel zu konzentrieren, werde viel zu oft auf Kleinigkeiten herumgehackt. Sie wolle sich den ständigen Konflikten nicht mehr aussetzen. Zuletzt gab es, wie berichtet, stetige Auseinandersetzungen um den Jackenzwang in der Stadthalle oder das Nazi-Gemälde in einer Rathaus-Nische.

Eigene Zukunft offen

Vielleicht auch deshalb mochte Bucher sich am Tag eins nach ihrer Erklärung nicht noch einmal zu einer ausführlicheren Stellungnahme aufraffen. Dazu passt, dass sie ihre eigene Zukunft auf Nachfrage zunächst noch völlig offenließ: Wie sie ihre eigene Zukunft sieht? Auf diese Frage erklärte Bucher, die 2008 ihren Parteikollegen und Freie-Wähler-Urgestein Leo Hackenspiel, der 24 Jahre in Amt und Würden war, beerbt hatte, sie brauche jetzt erst einmal ein wenig Ruhe. „Und es gibt in diesem Jahr noch viel zu tun.“ Sie habe vor, sich bis zum letzten Tag für die Stadt einzusetzen. „Meine eigene Zukunft habe ich noch nicht im Auge.“

Wer im Internet unterwegs ist, kommt vielleicht auf die Idee, die Bürgermeisterin werde 2020 erst einmal eine längere Auszeit mit ihrem Lebensgefährten nehmen und ausgiebig Urlaub machen. Auf Fotos in den sozialen Medien wirkt die 53-Jährige so entspannt und gesund, wie man sie bei öffentlichen Terminen selten wahrnehmen konnte. Einmal sagte sie gegenüber unserem Medienhaus in einem Interview, mit welchem Satz sie einmal bei den Menschen in Erinnerung bleiben möchte: „Ich würde mir wünschen, dass die Leute über mich sagen: Sie war ein ganz normaler Mensch.“

Schuhtick salonfähig gemacht

Trotzdem sagte Bucher, die Frau, die auf bizarr-liebenswerte Art und Weise Modebewusstsein und Schuhtick im Chamer Stadtparlament salonfähig gemacht hat, die erste und damals einzige Bürgermeisterin im Landkreis, am Montag: „Ich habe das Amt gerne gemacht.“ Bereits Vergangenheitsform. Vielleicht sagt das allein schon viel.

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