Natur
Wie lange gibt es die Arbermandl noch?

Johannes Matt vom Naturpark Bayerischer Wald macht sich so seine Gedanken über den Klimawandel.

21.12.2020 | Stand 16.09.2023, 4:29 Uhr
Geheimnisvolle Gestalten entstehen und vergehen am Arber. Der Gebietsbetreuer für die Arber-Region betrachtet die „Arbermandl“ aus einer anderen Perspektive. −Foto: J.Matt, Naturpark Bay. Wald

„Arber-Berg, Zauberberg. Weltenberg. Vier Winde kommen da zamm, vier Winde kampeln de Bam“ (aus „Stimmen aus dem Zauberwald“): Wenn es am Großen Arber schneit, dann meist „richtig gscheid“. Von allen Seiten verfangen sich die tiefhängenden, schneebeladenen Wolken am höchsten Berg des Bayerischen Waldes. Kommt „da Böhmwind“ aus dem Osten hinzu, werden die am Gipfel stehenden Fichten auch von der Seite mit Schnee beladen.

Tagsüber taut die Sonne den Schnee an, nachts dringt der harte Frost wieder durch. Haben sich die Winterwolken am Arber mal festgesetzt, verharren sie dort für längere Zeit. Zentimeter für Zentimeter kommen Schneeschichten hinzu, bis ganz bizarre und eigenartige Figuren entstehen. Verweilt man bei ihrem Anblick und kommt ins Sinnieren, dann tauchen im Rhythmus des stets wehenden Windes dort oben urplötzlich geheimnisvolle, leibhaftige Gestalten auf: „Fälische Hund‘, zahnade Drud, a Nosada, de Bucklade, da Widler, da Giraffinger oder da gschroamaulade Goschnaufreißer“.

Aber wie oft sind die „Geister am Arber-Berg“ noch zu sehen? An wenigen Fingern lässt sich die Anzahl der Tage ablesen, an denen im Winter solch märchenhafte Erscheinungen entstehen. 180 Frosttage, 250 Tage mit Schneebedeckung und eine Jahresdurchschnittstemperatur von gerade mal 2,7 Grad: Das zeichnete die Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes einst am Arber-Gipfelplateau auf. Diese Zeiten sind vergangen.

Die Jahresdurchschnittstemperatur hat sich bereits um mindestens 0,7 auf 3,4 Grad erhöht, die Anzahl an Eis- und Frosttagen deutlich reduziert. Der Klimawandel ist auch im Bayerischen Wald längst angekommen und schlägt voll durch. Die Schneegeister verlieren ihre Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit, sie verlieren ihre Gesichter.

„Ham gar koane Gsichter, gspürt ma bloß wia drei greisliche Gspenster. Fürcht di ned, is ja alles ned echt. Es is alles ned echt, bloß a Tanz, bloß a Zaubertheater, a Gspui“ (aus „Stimmen aus dem Zauberwald“) Nicht nur das Wetter ist ein Kommen und Gehen, auch das ganze Leben. Nur ein Spiel? Ist der Klimawandel nur eine „Erfindung der Chinesen“?

Nein, natürlich nicht. Die Veränderungen sind offensichtlich: zeitliche Verschiebung des Frühlings um etwa vier Wochen nach vorne, Fichten im Dauertrockenstress. Hitze und Wetterextreme nehmen augenscheinlich zu. Aber wie steht es um die Arbermandl? Ob die Schneegeister des Arbers wieder entstehen, wird der kommende Winter zeigen. Einzig Verlass ist darauf, dass der Kurzfilm „Arbermandl“ alljährlich um die Jahreswende zu den Raunächten im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wird. Auch in der BR Mediathek ist der Film zu finden.

Im Jahr 1985 bannte der Kameramann Martin Lippl diese von Schnee eingehüllten, zerzausten Bergfichten auf Film und die Sprecherin Elfie Pertramer verlieh den Schneegeistern ihre Stimmen. Der Kurzfilm ist zum winterlichen Klassiker geworden. Elfie Pertramer erweckte die Bäume zum ewigen Leben. – Wirklich zum ewigen Leben? Oder sind die Arbermandl eine Erscheinung der Vergangenheit und sind am Vergehen?

„Wenn s Liacht kummt, nachad vagehst. Nacha zlaffst. Gschwoikopf! Bist a nix anders wia Liacht! Schaug, a de Bucklad zerrint, a da Tod, alles werd Liacht, einfach gar ois.“ (aus „Stimmen aus dem Zauberwald“).