Luchsgehege
Zwei Herzensbrecher im Bayerwald-Tierpark in Lohberg

01.07.2022 | Stand 15.09.2023, 4:33 Uhr
Lernen fürs Leben: Die Zwillinge von Luchsin Narnia erkunden zunehmend ihre Umgebung. −Foto: Maria Frisch

Seit einigen Wochen erkunden im Bayerwald-Tierpark zwei quirlige Fellbündel die Welt. Ihr Geburtstag war der 9. Mai. Die umsichtige Luchsin „Narnia“ behält sie immer im Auge und trägt sie mitunter auch behutsam im Maul.



Nur vorsichtig ging sie in der ersten Zeit nach dem Wurf mit dem Duo zur Luke oder gar nach draußen. Der frisch gebackene Vater „Nathan“ hält gebührenden Abstand zu seinem Nachwuchs. „In freier Wildbahn sind Luchsmütter auch Alleinerziehende“, berichtet die fachliche Leiterin Claudia Schuh.

Erziehung ist Frauensache

Bis sie auf der Luchsin herum hopsen, dauert es nach der Geburt eine Weile. Die Jungen sind in den ersten beiden Wochen ihres Lebens blind und kommen somit hilflos auf die Welt. Dies bedeutet, dass sie die erste Zeit in einem Bau, einer Höhle oder einem Nest verbringen, wo sie von ihrer Mutter versorgt und beschützt werden. Darum heißen solche Tierkinder in freier Wildbahn „Nesthocker“ im Gegensatz zu „Nestflüchtern“ wie die kleinen Elchkälber, die auf der Weide, im Gebüsch oder in der offenen Steppe das Licht der Welt erblicken und bereits nach kurzer Zeit aufstehen, laufen und notfalls fliehen können. Auch sie werden von der Mutter gesäugt und verteidigt. Aber ganz egal, wie die Vierbeiner die ersten Lebenswochen verbringen: Süß und „knuddelig“ ist es allemal, was im Kleinformat läuft oder dahin wackelt.

Die Tierpfleger selbst haben zu den Vierbeinern im Gehege ebenfalls keinen direkten Kontakt. „Luchse sind und bleiben Raubkatzen, auch wenn sie in Gefangenschaft leben“, erklärt die zoologische Leiterin. Frühestens mit zwei Jahren kann ein Luchs-Weibchen Nachwuchs bekommen. Im Februar und März ist Paarungszeit. Nach knapp drei Monaten - also im Mai oder Juni - werden zwei bis fünf Jungtiere geboren. Das Männchen ist - in freier Wildbahn - schon längst über alle Berge. „Erziehung ist – wie gesagt - Frauensache“, betont die Veterinärin. In den ersten Wochen werden die Jungen nur mit Muttermilch aufgezogen, dann probieren sie auch feste Nahrung. Bis zum Alter von zehn Monaten bringt das Muttertier den Rackern dann alles bei, was ein Luchs können muss. Besonders das Jagdverhalten wird trainiert: auflauern, anschleichen, zuschlagen. Nach ihrem ersten Winter bringen sie bereits sieben bis zehn Kilo auf die Waage.

An Sonnentagen zieht auch die alleinerziehende Luchsmama „Narnia“ den Aufenthalt im Freien außerhalb ihrer Behausung vor. Ins Luchshaus hat sie sich in letzter Zeit häufig zurückgezogen, weil sie ihre Zwillinge die ersten Lebenswochen noch vor der Außenwelt abschirmte. „Rund sieben Wochen sind sie jetzt alt“, ist fachliche Leiterin Claudia Schuh ganz stolz auf die kleinen topfitten Racker, bei deren Anblick jedes Besucherherz schmilzt.

Nachdem Kuder „Nathan“ eingezogen ist, folgten mittlerweile mehrere Jahre mit einem Wurf. „Wir freuen uns ganz furchtbar über die kleinen Raubkatzen“, ist die Veterinärin ganz happy über den Doppelpack mit einem Geburtsgewicht von rund 300 Gramm pro Nase. Nachdem die Nesthocker die Augen öffneten, hatte die Luchsin gut zu tun, die Energiebündel wieder einzusammeln, als sie erste Erkundigungstouren unternahmen. Sie packte sie dabei mit einem Biss in den Nacken und trug sie in das Luchshaus zurück. Mittlerweile sind die Vierbeiner groß genug, um mit Neugierde das Umfeld zu erforschen. „Das Duo reift sicherlich zu richtigen Sympathieträgern heran“, ist sich die Furtherin sicher.

Ein Geschenk für den Park

„So ein Wurf ist quasi ein Geschenk“, steht Claudia Schuh selbst gerne am Zaun der wohlbehüteten Geschwister. Luchsin Narnia schaut von Tag zu Tag entspannter zu, wenn ihre Nachkommenschaft zwanglos spielt. Gut versorgt mit Futter und täglicher Kontrolle, können sie ein ziemlich sorgloses Leben führen. Gute Aussichten für die spätere Zukunft hat das Pärchen ebenfalls, weil voraussichtlich ein Platz in einem Wildpark in Polen für sie reserviert ist. „Die Kontaktaufnahme geschieht von Fall zu Fall“, erzählt die Tierärztin, die die Adressaten persönlich kennengelernt hat, als sie in den Vorjahren einige Luchse in Lohberg abholten. Manchmal reagieren Zoos im In- und Ausland auf die Hilfeersuchen zügig, selten mahlen die Mühlen etwas langsamer. Für die Abgabe ins Ausland seien die Vorschriften strenger, über die das Kreisveterinäramt wache. Diese härteren Richtlinien gelten ebenso für EU-Länder.