„Wunder von Blaibach“
Wie sieht das Konzerthaus der Zukunft aus?

12.07.2022 | Stand 15.09.2023, 4:26 Uhr
Roman Hiendlmaier
Der Vermittler: Thomas E. Bauer (M.) stellt den Gästen des Sommerfests den jungen Gitarristen Valentin Novac vor. −Foto: Fotos: Hiendlmaier

Wenn Gayoung Seo eine Arie durchs Konzerthaus schmettert, herrscht Gänsehaut-Atmosphäre. Die zierliche Koreanerin gab am Sonntagnachmittag im Konzerthaus Blaibach ein paar Kostproben ihres Könnens, das sie gerade beim Thomas E.Bauer perfektioniert: „Eine meiner sehr begabten Schülerinnen,“ sagt Bauer über die 22-Jährige, die aktuell im sechsten Semester an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt studiert.

Stars und Hoffnungsträger

Seit Jahresanfang ist Thomas E.Bauer Leiter der Talentschmiede in der hessischen Kulturmetropole und hat nur kurz gefragt, wer denn Lust hätte, in einem Konzerthaus mit mehrfach ausgezeichneter Avantgarde-Architektur sein Können aufblitzen zu lassen.

So brachten am Wochenende drei junge Virtuosen die Gäste des Sommerfests des Konzerthauses ins Schwärmen - für den Hausherrn nur der Anfang: „Es gibt so viele Talente da draußen, die es wert sind, Gehör zu finden.“

Die Gelegenheit dazu gibt ihnen Bauer am letzten August-Wochenende, wenn das Herbst-Programm des Konzerthauses startet. Zunächst gibt sich der Chef die Ehre, der an drei Abenden in Mozarts Oper als lüsterner Graf Almaviva die Hochzeit seines Figaro zu torpedieren versucht. Aber schon gleich danach (11. September) räumt er die Bühne für den bayerischen Landesjugendchor und dessen geistlicher Chormusik aus vier Jahrhunderten. Und 14 Tage später zeigen dann Dozenten und Studenten der Akademie für Tonkunst Darmstadt sowie der Aldersbacher Sing-Akademie für junge Musiker ihr Können in der Oper König Arthur von Henry Purcell.

Natürlich sind auch in diesem Herbst wieder bekannte Namen auf dem Blaibacher Spielzettel wie wie der in Frankreich gefeierte Pianist Pierre-Laurent Aimard, das Gidon Kremer Duo, die Sopranistin Regula Mühlemann, die ander Wiener Staatsoper mit Grancas oder Quasthoffs singt, oder der Tölzer Knabenchor.

Aber der — natürlich ehrenamtliche — Intendant Bauer macht im Herbst schon deutlich, wo er die Zukunft sieht: „Im kommenden Jahr werden wir den Baubeginn des Konzerthauses mit einem ganz besondern Programm feiern,“ kündigt Thomas E. Bauer an.

Und dann sei es auch an der Zeit, sich über die nächsten zehn Jahre des „Wunders von Blaibach“ zu unterhalten. Für das Modellprojekt "Ort schafft Mitte" waren Bauer und sein Freund, der Architekt Peter Haimerl, angetreten, den maroden Ortskern wiederzubeleben. Es entstanden das Bürgerhaus und das Konzerthaus, dessen Belebung Bauer für zehn Jahre zusagte - also Organisation, Programmgestaltung und Betriebskosten.

Gesagt, getan: Für das gehobene Kulturprogramm mit jährlich rund 60 Konzerten lässt der Konzertsänger mit Engagement rund um den Globus seine Kontakte in die Musikszene spielen. Aber trotz aller Connections - schon vor Corona lief das kleine Haus mit 200 Plätzen allerdings nur wegen der vielen Sponsoren und der ehrenamtlichen Helfern.

Und dann kam die neue Phase der Unsicherheit mit ihren gesellschaftlichen Veränderungen, die bekanntlich den kulturellen Bereich mit am härtesten traf. Auch im Konzerthaus hat die Pandemie natürlich ihre Spuren hinterlassen, wenngleich Thomas E.Bauer nicht jammern möchte: „Wir haben uns dank vieler Gönner, Programme und Projekte gut durch die se Zeit geschlagen - aber ein bisschen mehr Planbarkeit wär mir in Zukunft schon ganz recht.“

Auch wenn er nicht mehr mit einem Komplett-Lockdown rechnet - es gebe viele Unwägbarkeiten. Und das Vor-Corona-Niveau hat die Kultur noch nicht erreicht. „Die Stars ziehen wieder ihre Fans, aber dahinter wird‘s oft schwierig,“ lautet Bauers Zwischenbilanz, nicht nur für die klassische Musik. Aber „dahinter“ ist eben genau die Nische, in der sich ein kleines Konzerthaus wie das Blaibacher tummelt.

Die Gretchenfrage

Da sei es zwar erfreulich, dass nach wie vor jeder dritte Konzertbesucher zum ersten Mal nach Blaibach kommt - unterm Strich ändere es daran wenig, dass der wirtschaftliche Betrieb des Hauses langfristig gesichert werden muss.

„Was für ein Konzerthaus wollen wir?“ lautet die Gretchenfrage, die Bauer mit der Politik beantworten möchte. Ist das Konzerthaus eine „Privatsache“ werde sich die Nutzung auch stärker nach wirtschaftlichen Faktoren orientieren müssen. Wolle man ein „offenes Haus“, also die Nutzung durch breite Kultur- und Gesellschaftsschichten, müsse das auch der Gesellschaft einen Beitrag wert sein. „Mir schwebt ein Modell mit der Gemeinde, dem Landkreis, dem Bezirk und dem Freistaat als Partner vor,“ sagt Thomas E. Bauer. Dann kann das Konzerthaus auch in Zukunft den Zweck erfüllen, für den es gebaut wurde: Als Symbol, dass Blaibach trotz Leerständen, Freibad- und Schulschließung seine Zuversicht nicht verloren hat.