Nachhall
200 Hells Angels im Parkverbot

Das Ordnungsamt wirft der Biker-Gang Verstöße gegen die Friedhofssatzung vor. Die Hells Angels dementieren.

15.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:48 Uhr
Als der zugewiesene Platz für die Angehörigen mit einem städtischen Lkw belegt war, parkten die Hells Angels ihre Maschinen den Friedhofsweg hinauf. −Foto: Schiedermeier

200 wummernde Harleys auf dem Chamer Friedhof –unser Bericht über die außergewöhnliche Beerdigung des Hells Angels Sener Tiriakihat nun einen Nachhall gefunden. Einen Brief aus dem Chamer Ordnungsamt. Darin stellt dessen Leiter Sepp Altmann klar, dass sowohl das Befahren als auch das Beparken des Friedhofs mit den Maschinen nicht genehmigt worden sei. Auch dürfe der Islamische Kulturverein seine Toten nicht einfach eigenhändig bestatten.

Absprache oder Erlaubnis?

Björn Drechsel, letzter verbliebener Hells Angel im Landkreis Cham, widerspricht dem. Er habe ausdrücklich am Tag zuvor nach Parkmöglichkeiten gefragt. Die Bestattungsunternehmerin Regina Reiner habe mit dem Friedhofswärter telefoniert und dann den Platz hinter dem Friedhofsgebäude zugewiesen. Reiner bestätigt das. „Es war in Absprache mit dem Friedhofswärter. Als die dann kamen, war der Platz hinter der Kapelle durch einen Lkw der Stadt belegt.“

Natürlich habe man nicht mit 200 Motorrädern gerechnet. Das bestätigte auch Friedhofswärter Wolfgang Decker, der gegenüber dem Leiter des Ordnungsamtes erklärte, man sei buchstäblich von den Ereignissen überrollt worden.

Auf Bitte am Rand geparkt

Die Bestattungsunternehmerin Regina Reiner berichtet auch, dass die Biker auf ihre Bitte hin die Motorräder an den Rand geparkt hätten, um einen Durchgang für die Friedhofsbesucher zu schaffen. „Wir wussten an diesem ersten Schultag auch nicht, wo wir sie hinschicken hätten sollen“, sagt sie.

Ordnungsamts-Chef Altmann bleibt dabei: „Niemand bezweifelt, dass das alles freundlich und friedlich war. Aber der Friedhofswärter ist nicht das Ordnungsamt und Frau Reiner hat in dieser Sache nichts zu sagen. Es gab keine Genehmigung aus dem Ordnungsamt, und das Parken von 200 Fahrrädern ist Störung der Totenruhe und ein Satzungsverstoß.“ Und jetzt? 200 Ordnungswidrigkeiten-Verfahren wegen Falschparkens? Nein, sagt Altmann, es sei nur darum gegangen, klar zu sagen, dass es nicht genehmigt war. „Wir hatten eine Reihe von Beschwerden darüber.“

„Der Friedhofswärter ist nicht das Ordnungsamt und Frau Reiner hat in dieser Sache nichts zu sagen.“Ordnungsamts-Chef Sepp Altmann

Die Riten des Kulturvereins

Auch dem Islamischen Kulturverein wirft Altmann vor, mit der eigenhändigen Beerdigung gegen die Friedhofssatzung verstoßen zu haben. „Da steht klar drin, dass das Friedhofs-Personal zu nutzen ist.“ Darin pflichtet ihm Regina Reiner bei, deren Männer bei der Beerdigung übergangen wurden, als sechs Hells Angels den Sarg einfach schulterten und die Angehörigen den Toten selbst einschaufelten. „Ich muss für sowas eine Versicherung nachweisen. Wer haftet, wenn da einer zwei Meter tief reinfällt?“ Allerdings hätten sich auch hier die Angehörigen mit dem Unternehmen im Vorfeld vereinbart und seien vom Vorstoß der Hells Angels überrascht worden.

Ibrahim Kurdi, Vorsitzender des Islamischen Kulturvereins, räumt ein, dass ihm das mit dem Sargtragen entglitten ist: „Da waren drei türkische Hells Angels, die unsere Bräuche kannten und die haben da die Initiative ergriffen. Das war so nicht geplant.“ Kurdi berichtet über eine unausgesprochene Übereinkunft. Der Sarg werde vom Friedhofspersonal normalerweise auf der vorgesehenen Lafette zum Grab gefahren.

Erst kurz vorher übernehmen die Angehörigen des Toten. „Unser Gott vergilt das als gute Tat“, erklärt Kurdi. „Das gehört zu unserem Glauben. Der Tote wird bis zum Schluss wie ein Lebender behandelt. Er wird vorsichtig mit warmem Wasser gewaschen, falls die Totenstarre eingesetzt hat. Da wird keinem etwas gebrochen.“ Anschließend werden die Männer in drei Laken und die Frauen in fünf Laken gehüllt, um sie vor den Augen fremder Männer zu verbergen.

Ordnungsamtsleiter Sepp Altmann hat der Islamischen Gemeinde mitgeteilt, dass man in Zukunft eine Einhaltung der Satzung erwarte. Schon im Sinne der Gleichbehandlung. Er weist aber auch darauf hin, dass das nichts mit der Glaubensrichtung zu tun habe: „Das gilt für alle.“

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