Vortrag
Die Erholungsphasen sind wichtig

Mario Görlach gilt als ein Pionier der Fitnessbranche. Im Further ATT gab er nun viele wertvolle Tipps.

17.01.2019 | Stand 16.09.2023, 5:54 Uhr
Johann Gruber

Mario Görlach, Heinz Mihoubi, Weltmeister im Kreuzheben in seiner Altersklasse, Veronika Paule und Alexander Strahl von eGYM und INJOY-Chef Kai Schreiner (v. l.) freuten sich über die große Resonanz des Vortrags im ATT. Fotos: Gruber

Mehr als hundert an Bewegungstipps von einem renommierten Fitnessexperten interessierte Besucher begrüßte Kai Schreiner, Inhaber des Fitnesscenters INJOY, am Dienstagabend im Further Tagungszentrum ATT. Sein besonderer Gruß galt dem Referenten des Abends, Mario Görlach aus Neu-Ulm, einem Pionier der Fitnessbranche, Mitentwickler des digitalisierten Trainings und im Jahr 2009 „Unternehmer des Jahres“ am Fitness- und Gesundheitsmarkt.

Der gebürtige Erfurter war in der ehemaligen DDR 18 Jahre lang Ringer und wurde 1980 DDR-Meister. Als Trainer für Ringen und Gewichtheben baute er 1981 in seiner Heimatstadt eines der ersten Fitnessstudios der DDR auf. Als er erstmals mit Laien trainierte, lernte er deren Probleme im Umgang mit Geräten kennen. Weil falsches Krafttraining maßgebliche Schäden verursachen kann, kümmerte er sich als Trainer fortan intensiv um ungeübte Sportler. Nach seiner Flucht aus der DDR 1989 schuf er sich als Fitnesstrainer in Neu-Ulm eine neue Existenz.

Von 1995 bis 2005 betrieb er dort das Fitnesscenter „P15“, in dem auf rund 700 Quadratmeter damals schon 1600 Mitglieder trainierten. Eine damals in Deutschland einmalige Quote. Als die Mitgliederzahlen explodierten und er als Trainer die große Zahl seiner Kunden nicht mehr optimal betreuen konnte, stellte er sich die Frage, was er tun könne, um sein Fachwissen tausenden Menschen zugänglich machen zu können. So setzte er 1999 alles auf eine Karte und investierte sein komplettes Vermögen von 400 000 Mark in vollelektronische Geräte. Sein Einsatz wurde belohnt. Mittlerweile ist er auch Mitinhaber des Münchner Fitness-Startups „eGYM“, das 2016 von Investoren 45 Millionen Euro einsammelte und jetzt zu den führenden Herstellern von eGYM-Fitnessgeräten gehört, die das Training an neuestens medizinischen Erkenntnissen ausrichten und auch sicherer machen.

Die Deutschen bleiben sitzen

„Wir haben 62 Millionen Wahlberechtigte in Deutschland – 30 Millionen davon sind orthopädisch krank, acht Millionen sind Diabetiker und sieben Millionen haben Krebs“, sagte Görlach und machte mit diesen Zahlen deutlich, dass die Deutschen wortwörtlich „sitzenbleiben“. Die bestätigen auch wissenschaftliche Studien seit Jahren. Mehr als neun Stunden verbringt der durchschnittliche Bürger täglich sitzend – Kinder kaum weniger als Erwachsene. Darunter zu leiden haben vor allem die Jüngsten: So prägen Sechsjährige von heute kaum noch die volle Muskulatur und Knochensubstanz aus. Es mehren sich bei Kindern Krankheiten, die früher alten Menschen vorbehalten waren. „20 Jahre Smartphone fordern ihren Preis“, sagte Görlach.

Einfach „drauflos trainieren“ könne aber sogar schädlich sein, warnte der Experte. Zwischen Belastung und der Anpassungsreaktion des Körpers bestehe ein dynamisches Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen in Bezug auf Stabilität des Verhältnisses von Blutdruck, Körpertemperatur, pH-Wert des Blutes und anderes mehr (Homöostase), erklärte er. Die Phase, in der die Leistungsfähigkeit über dem Ausgangslevel liegt, nennt man die Superkompensationsphase. Als Faustregel für Trainingsintervalle für Ungeübte nannte Görlach zwei Einheiten in zehn Tagen und empfahl insbesondere Untrainierten, sich fachkundig beraten zu lassen.

Zu den Faktoren, die die Höhe und Dauer der Superkompensation beeinflussen, gehören aktuelles Leistungsniveau, Höhe des Reizes, Art des Reizes, Art der Erholung, Erholungspotenzial und das betrachtete Organ oder System. Es gelte zu beachten, dass unterschiedliche Systeme auch verschiedene Anpassungszeiträume für die Regeneration benötigen.

Eine Superkompensation wird nur dann erreicht, wenn eine bestimmte Reizschwelle überschritten wird. Unterschwellige Reize bleiben wirkungslos oder führen sogar zu einer Senkung des Leistungsniveaus oder zur Muskelatrophie. Leicht überschwellige Reize dienen der Erhaltung des aktuellen Funktionsniveaus. Mittlere bis starke Reize lösen physiologische und anatomische Veränderungen aus. Zu starke Reize können die Funktion beeinträchtigen und den Organismus oder die jeweilige Struktur schädigen. In Anbetracht der komplizierten Materie und möglicher Schädigungen, empfahl der Referent, sich für ein wirkungsvolles Training fachkundigen Rat einzuholen.

Durch ein Fehltraining kann die Superkompensation ausbleiben. Wenn der Trainingsreiz zu früh gesetzt und die Regenerationszeit zu knapp bemessen wird, gelingt es dem Körper nicht, die angestrebten überschießenden Anpassungsreaktionen zu erreichen. Wird dieses Fehltraining über einen längeren Zeitraum betrieben, können negative Effekte eintreten.

Sport aktiviert innere Apotheke

In der Rehabilitation unterschiedlicher Erkrankungen ist Sport inzwischen einer der wichtigsten Bausteine. Die Patienten trainieren Ausdauer, Koordination und Muskulatur – und setzen dabei enorme Heilkräfte in ihrem Körper frei. Die Muskeln beeinflussen die Gesundheit positiv – auf vielfältige Art und Weise. Bewegung lindert Nebenwirkungen der Therapie, reduziert Schmerzen, erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit und wirkt vorbeugend gegen nahezu alle großen Volkskrankheiten. Alles, was Patienten dafür tun müssen: körperlich aktiv sein. Der richtig dosierte Sport könne bei einigen Erkrankungen, zum Beispiel Diabetes, so gut Abhilfe schaffen wie ein Medikament.

Erst körperliche Aktivität setze die innere Apotheke in Gang und lässt sie Wirksubstanzen ins Blut abgeben. Mit dem Blutstrom wandern die sogenannten Myokine ins Fettgewebe, zu Leber, Herz, Tumorzellen oder ins Gehirn.