Barrierefreiheit
Die Hürden von Grafenwiesen

Menschen mit Behinderung begehen immer wieder Orte, um dort Schwächen aufzuzeigen und Abhilfe zu schaffen.

13.09.2021 | Stand 16.09.2023, 0:42 Uhr
Heinz Pletl
Zahlreiche Menschen mit Behinderung nahmen an der Ortsbegehung mit den Grafenwiesener Bürgermeistern teil. −Foto: Heinz Pletl

Gemeinderätin und Behindertenbeauftragte Benita Vogl veranlasste kürzlich eine Ortsbegehung in der Gemeinde Grafenwiesen. Ziel war, das Dorf auf seine Barrierefreiheit zu überprüfen.

Die Durchführung der Aktion übernahm der „Arbeitskreis Landkreis Cham inklusiv“. Eingeladen dazu hatte Benita Vogl Grafenwiesens Bürgermeister Josef Häring, den dritten Bürgermeister Andreas Eiser und den Geschäftsstellenleiter der Gemeinde, Johann Heigl. Mit dabei waren neben einer Gruppe von behinderten Mitbürgern auch Personen mit Seh- und Hörbehinderung. Außerdem nahmen stellvertretend für die „Koordinierungsstelle Landkreis Cham inklusiv und barrierefrei und die Offene Behindertenarbeit im Landkreis Cham“, an die die Koordinierungsstelle angegliedert ist, Tamara Kager und Simon Pux teil. Auch die Behindertenbeauftragte des Landkreises, Renate Hecht, war anwesend.

Benita Vogl machte deutlich, dass Barrierefreiheit „uns alle betrifft, und nicht nur Menschen mit Behinderung darauf angewiesen sind, sondern auch beispielsweise Eltern mit einem Kinderwagen und ähnliche“. Deutschland unterzeichnete 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention und verpflichtete sich, etwas zu tun.

Rundgang mit allen Sinnen

Bei einem Spaziergang durch Grafenwiesen erfassten die Teilnehmer das Dorf mit allen Sinnen und legten den Fokus auf Stolperfallen oder Gefahrenquellen. Dabei stellte sich heraus, dass besonders der Gehweg im Ortskern problematisch ist. Er ist nicht klar als Gehweg oder Parkstreifen ausgewiesen. Wenn ein Auto den Weg blockiert, können Rollstuhlfahrer nur auf die andere Straßenseite oder auf die viel befahrene Fahrbahn ausweichen. Das Gefahren- und Unfallpotenzial ist groß, wie eine Rollstuhlfahrerin feststellte. Zeitnah müsse mit der Polizei abgesprochen und klar geregelt werden, welchen Zweck der Seitenstreifen erfülle; hierzu ist eine entsprechende Kontrolle notwendig.

Der Zugang zu Rathaus und Tourist-Info ist für Menschen im Rollstuhl heute nicht möglich. Treppen, zu starkes Gefälle und beengte Flure stellen unüberwindbare Hindernisse dar. Hier herrscht akuter Handlungsbedarf. Allerdings wurden bei der Sanierung des Ortskerns bereits Bordsteine abgesenkt und die Wege größtenteils barrierefrei gestaltet.

Positiv bewertet wurden die behindertengerechten Toilettenanlagen am Kurpark. Jedoch könne auch hier noch einiges verbessert werden. Durch die zu langen Haltegriffe sei ein sicheres Umsetzen vom Rollstuhl auf die Toilette kaum möglich. Zudem sei der Abstand zwischen Toilettenbrille und Rückwand zu groß. Ein sicheres Sitzen sei nicht gewährleistet, merkte eine Teilnehmerin an. Diese und ähnliche Erkenntnisse erhält man erst, wenn Betroffene von ihren Erfahrungen berichten. Dies wurde den Teilnehmern der Begehung an diesem Beispiel wieder deutlich.

Bahnhof ohne Barriere

Hervorgehoben wurde von den Teilnehmern auch, dass der Bahnhof barrierefrei über eine Rampe zugänglich ist. Hier wurde einmal mehr deutlich, dass bisher vieles praktikabel umgesetzt wurde. Festgestellt wurde aber auch, dass manches immer wieder an der praktischen Umsetzung und an der Erfahrung scheitert. Menschen mit Behinderung als „Experten in eigener Sache“ sind hier die besten Ratgeber.