Erfahrungen
Von ihm könnte Karl May lernen

Der Kötztinger Peter Niebergall hat die Lebens- und Arbeitsweise der Prärieindianer studiert und ihr Handwerk perfektioniert.

09.10.2016 | Stand 16.09.2023, 6:43 Uhr
Alois Dachs
Peter Niebergall mit einer typischen indianischen Streitaxt, Tomahawk genannt, die es in vielen Formen gibt. −Foto: Simon Tschannerl

Der Mythos Prärieindianer hat Peter Niebergall sein Leben lang begleitet. Schon in seiner Kindheit in der damaligen DDR verschlang der heute 65-jährige, studierte Agraringenieur aus Thüringen, nicht nur die Schilderungen seines berühmten Landsmanns Karl May über das Leben der Sioux, Crow, Blackfeet, Cheyenne und Arapahoe-Indianer mit Leidenschaft und ließ sich von Verwandten informieren, die in die Vereinigten Staaten ausgewandert waren. Seine Sammelleidenschaft für „alles Indianische“ aber trieb erst in den vergangenen 25 Jahren wahrlich „bunte Blüten“, die ihn zum Experten für die Naturvölker der nördlichen Plains in den USA werden ließen.

Begonnen hatte die Sammelleidenschaft mit der Herstellung von Bausätzen für Repliken von Vorderladerwaffen. Als der Indianerfan vor über 30 Jahren zusammen mit seiner Frau, der Augenärztin Dr. Heidi Niebergall, nach Kötzting kam, begann er sich für Details des indianischen Handwerks zu interessieren, denn die Prärieindianer der Great Plains waren nicht nur gefürchtete Krieger, sondern erzeugten auch fast alles selbst, was sie an Waffen oder Gegenständen des täglichen Gebrauchs benötigten. Wie viele Naturvölker waren die Indianer bestrebt, alles zu verwerten, was bei der Jagd auf Büffel und Wild erbeutet wurde.

Die Muster der Stämme

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Die Herstellung von Messerscheiden und deren Besticken mit bunten Glasperlen, genau nach überlieferten Mustern bestimmter Indianerstämme, wurde für ihn zu einem entspannenden Hobby nach dem Praxisalltag. Wo eine Messerscheide ist, wird natürlich auch ein Messer gebraucht, und so ließ Peter Niebergall nach seinen Vorgaben von örtlichen Schmieden Messerklingen aus alten Feilen, LKW-Blattfedern und ähnlichem Grundmaterial fertigen.

„Ein Fachmann erkennt am Design, am Muster und der Farbzusammenstellung einer Perlenstickerei sofort, welchem Stamm die jeweilige Perlenarbeit zuzuordnen ist.“Peter Niebergall

Weil die Indianer fast alle Materialien für ihre Erzeugnisse selbst besorgten, nahmen sie oft weite Ritte auf sich. So kommt zum Beispiel der Catlinit-Stein, aus dem Peter Niebergall ein Kalumet mit einem Bison formte, nur in einem Steinbruch bei Pipestone, in den Bergen von Minnesota, vor. Manche Stämme mussten Hunderte von Kilometern reiten, um diesen Stein zu ergattern.

Ein günstiger Umstand

So kann er nach historischen Vorlagen Schilde fertigen, Teile von Lanzen, Peitschen, Streitäxten (Tomahawks), Pulverhörnern ermöglichen individuelle Kreationen, wobei der „Indianersammler“ großen Wert auf Authentizität legt. „Ein Fachmann erkennt am Design, am Muster und der Farbzusammenstellung einer Perlenstickerei sofort, welchem Stamm die jeweilige Perlenarbeit zuzuordnen ist“, sagt Peter Niebergall.

Das Interesse für Schlangen

Durch Museumsbesuche in Amerika und den Nachbau vieler Gebrauchsgegenstände hat Peter Niebergall ein enormes Wissen über die Prärieindianer erworben. „Damals wurde ja nichts aufgeschrieben“, sagt der Fachmann und die Überlieferung alter Handwerkstraditionen ging deshalb zum Teil schon vor der Umsiedlung in Reservate verloren. Bedauerlich sei, dass sich die Indianer von heute oft mit dem Handel von billigem Tand zufriedengeben, statt sich auf das handwerkliche Können ihrer Vorfahren zu besinnen, und Dinge anzufertigen, die nur aus den Fellen, Federn, Knochen, Zähnen, dem Leder aus Büffelhaut, den Krallen von Bären und Pumas, oder den „Abwehrwaffen“ der Stachelschweine bestehen.

Waffen waren Männersache

Allein die Vielfalt an kunstvoll hergestellten Streitäxten, die zur Sammlung von Peter Niebergall gehören, zeigt die große Fantasie der Hersteller. Klassische Beilklingen gehören ebenso zu den „Accessoires“, wie hintereinander angeordnete Messerklingen, Steinhämmer, Kugelkopfkeulen mit und ohne Messerklingen, oder Gewehrkolbenkeulen.

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