Auch am Standort Temelin
Atomkraft an bayerischer Grenze? Auf diese „Mini-AKW“ setzt Tschechien

05.11.2022 | Stand 15.09.2023, 3:04 Uhr
Temelin ist weniger als 60 Kilometer von der Grenze zu Bayern entfernt. Geht es nach den Plänen der tschechischen Regierung soll dort in ein paar Jahren ein erstes „Mini-AKW“ entstehen. −Foto: dpa

Wenn es um die Atomkraft geht, entfernen sich die Nachbarländer Tschechien und Deutschland immer weiter voneinander. Prager Pläne für „Mini-AKWs“ sorgen nun für Unruhe im bayerisch-tschechischen Grenzgebiet.



Olaf Heinrich, Bezirkstagspräsident in Niederbayern erfuhr von den tschechischen Mini-AKW-Plänen vor kurzem bei einem Treffen der Partnerregionen. Man wisse nichts über die Sicherheit dieser neuen Reaktoren, sagte der CSU-Politiker. „Selbst wenn jemand die Atomkraft befürwortet, muss er die Sicherheit mitdenken“, so Heinrich, der auch Bürgermeister der Grenzstadt Freyung ist. Hier müsse es einheitliche europäische Standards geben.

Geringere Leistung, geringere Kosten

Petr Zavodsky ist innerhalb des teilstaatlichen Energiekonzerns CEZ für die AKW-Ausbaupläne verantwortlich. Fotos von Kühltürmen schmücken sein Büro in der Firmenzentrale in einem Prager Büroviertel. „Es handelt sich um Druckwasserreaktoren mit dem gleichen Funktionsprinzip wie bei größeren Reaktoren, aber mit geringerer Leistung“, erläutert der Vorstandsvorsitzende der zuständigen Tochtergesellschaft. Auch hier entstehe Dampf, der eine Turbine und einen Generator antreibe, der wiederum Strom erzeuge. Nicht nur die Leistung sei geringer, niedriger seien auch die Investitionskosten.

Erster Standort soll AKW-Gelände in Temelin werden

Das neue Zauberwort der Nuklearindustrie heißt „Small Modular Reactor“ (SMR), also kleine modulare Reaktoren. „Wir reden hier nicht von Reaktoren aus Russland oder China, sondern nur von den Produkten westlicher Hersteller“, betont Zavodsky. Sieben SMR-Entwicklungsprojekte hat er im Blick, darunter den BWRX-300 von GE Hitachi und den Nuward des französischen EDF-Konzerns. Die tschechische Industrie soll, wenn möglich, beteiligt werden.

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Zunächst will man in Prag die Erfahrungen mit der neuen Technik in einem anderen Land abwarten. „Im Jahr 2032, 2033 oder 2034 könnten wir dann unseren Reaktor im Betrieb nehmen“, sagt Zavodsky. Als erster Standort kommt für ihn eigentlich nur das AKW-Gelände im südböhmischen Temelin infrage. Es liegt nur rund 60 Kilometern von den Grenzen zu Bayern und Österreich entfernt. In Temelin verfüge man über Personal und Sicherungssysteme, betont man bei CEZ. Zudem kenne man den Standort am besten im Hinblick auf Seismologie, Geologie und Hydrologie. Zavodsky verspricht, dass in jedem Fall eine neue grenzüberschreitende Prüfung der Umweltverträglichkeit Pflicht sein werde. „Auch die deutsche Öffentlichkeit wird das Recht haben, an öffentlichen Anhörungen teilzunehmen“, betont der Atomkraft-Manager.

Mini-AKW sollen Kohlekraftwerke ersetzen

Doch die Pläne gehen viel weiter. In der CEZ-Konzernzentrale sieht man die kleinen, modularen Reaktoren bereits als künftigen Ersatz für Kohlekraftwerke. Diese gelten aufgrund der Klimaschutzpläne als Auslaufmodell. Der Vorteil wäre, so die Planer, dass dann ganze Städte mit Fernwärme aus einem lokalen AKW versorgt werden könnten. Mehr als ein Drittel der Haushalte in Tschechien nutzt diese Form der Heizung - in Deutschland sind es nur rund 14 Prozent.

− dpa