Wintersport
Auf zwei Skiern sind sie alle gleich

Die Teilnehmer des Sport-Kaders haben unterschiedliche Behinderungen. Auf der Weltcupstrecke merkte man das kaum.

20.02.2020 | Stand 16.09.2023, 5:08 Uhr
Maria Frisch
Florentine Schlecht kam im Ziel an, nachdem sie bei der Talfahrt alles gegeben hatte. −Foto: Maria Frisch

„Hut ab“, zollten ausnahmslos alle den Athleten Bewunderung, die die Weltcupstrecke talwärts bretterten. Im Gange war das Rennen von Rotariern aus Bayern und Tschechien, denen sich heuer zum vierten Mal Teilnehmer des Behinderten- und Rehabilitationssportverbands Bayern anschlossen und den Riesenslalom-Parcours meisterten. Darunter waren auch das Nachwuchsteam der Paraski Nationalmannschaft und der Nachwuchskader des BVS Bayern.

Der Zulauf stimmte alle zuversichtlich. Im Zielraum hatte sich der eine oder andere Fanclub angesiedelt. Sprecher war Präsident Anton Wittenzellner. Das Starterfeld des Behinderten- und Rehabilitationssportverbands Bayern untergliederte sich in mehrere Kategorien: Die Sehbehinderten waren mit ihren Guides mit „gelbem Laiberl“ unterwegs. „Wir fahren nur nach Gehör, und es funktioniert“, sagten die Sportler. Ein weiterer Trupp arbeitete sich sitzend mit Monoskiern ins Ziel. Der Rest rekrutierte sich aus stehend Einbeinigen oder andere Prothesenträger.

Besagte Beeinträchtigungen sind international und paralympisch anerkannt. Daran angelehnt ist ein System der Bewertung. „Wir rechnen die Behinderung in eine Zeitgutschrift um“, sagte Fachwart alpin, Justin Gruber.

Teilnehmer kamen von weit her

„Wir haben heuer die Meistbeteiligung, seit wir vor vier Jahren mit der Fusion der Meisterschaften begonnen haben“, freute sich Gruber, der auf die am weitest Gereisten aus Frankfurt, Hessen, Baden Württemberg und Nordrhein-Westfalen verwies. Der Rest stammte aus Bayern.

Die Nachwuchsathleten genossen es, dass Gerd Schönfelder an der Piste war. Die Paralympics-Legende ist seit Januar Landestrainer Bayern des BVS. 2011 zog er sich nach 20 Jahren Laufbahn vom aktiven Sport zurück. Nun sind die Nachrücker seine Hauptaufgabe. „Wir generieren den Nachwuchs und arbeiten mit den jungen Leuten“, sagte Schönfelder. Mit „wir“ meinte er auch Bundestrainerin Maike Hujara, Tochter des ehemaligen FIS-Race-Direktors. „Wir haben mittlerweile eine richtig gute Truppe. Alle sind voll motiviert.“ Die Zusammenarbeit mit Maike Hujara harmoniere bestens. „Sie war auch schon meine Trainerin“, erinnerte sich Schönfelder.

Das Miteinander zwischen Bayern und Deutschland war noch nie so ausgeprägt. „Der Weg ist gigantisch“, sagte Justin Gruber. Oberstes Ziel sei, der Nachwuchstruppe möglichst viele Skitage anzubieten. Der BVS schaffe dies alleine nicht, aber mit der bundesweiten Unterstützung klappe es.

Schönfelder macht Riesenfortschritte aus. Man müsse jedem die Chance geben, es zu probieren. „Die Jungen kann man noch formen, die nehmen die Empfehlungen an, ihre Persönlichkeit entwickelt sich weiter“, freute sich der Bayerntrainer. „Wir wollen kein Mitleid, sondern Respekt. Wenn ich mit meiner Amputation mit dem T-Shirt herumlaufe, ernte ich Blicke wie ein Ferrari in der Fußgängerzone“, erzählte die Paralympics-Legende lachend. Mittlerweile wüssten die Betroffenen, dass eine Behinderung nicht das Ende sei.

Im Gegensatz zum ersten Lauf, lichtete sich der Nebel beim zweiten Durchgang. Gut drauf waren die Sehbehinderten mit ihren Guides. Isabell Thal war sozusagen Debütantin. Sie ist von Geburt an sehbehindert, studiert dennoch Sportwissenschaften und fuhr ihr erstes Rennen. Die junge Frau sieht nur fünf Prozent und fährt seit rund fünf Jahren Mono-Ski. Ihre Teamkollegin Pia Schneider aus Kaiserslautern erklärte auf Nachfrage die drei Startklassen B eins (vollblind und mit nur geringem Sehrest), B zwei (hochgradig Sehbehinderte) und B drei (höchstens zehn Prozent Sehfähigkeit und auf zehn Grad eingeschränktes Gesichtsfeld). „Wir sind wie alle anderen auch“, sagt die Kaiserslauterin. Sie ist erst seit September in dem Team, zu dem eine Reihe von Querschnittsgelähmten gehört, nämlich Valentin Ruf, der eine Gehirnhautentzündung hatte, Florian Schrüfer aus dem Landkreis Bayreuth, der seine Beeinträchtigung einem Unfall zu verdanken hat. Danach wollte er unbedingt Mono-Skifahren und hat genau vor einem Jahr einen Skikurs absolviert. Seit einem dreiviertel Jahr ist er jetzt im Kader, erklärt er mit einer erstaunlichen Lockerheit.

„Wieder Bock aufs Skifahren“

Neben ihm reihte sich Nikolai Sommer aus der Nähe von Traunstein ein. Er hatte sich bei einem Skiunfall im Training im Kaunertal eine Verletzung zugezogen, die eine Querschnittslähmung auslöste. „Ich hatte einfach wieder Bock aufs Skifahren“, begründet er, wieso er vor einem Jahr angefangen hat, Monoski zu fahren.

Einziges Frauengesicht in der Männerrunde war Florentine Schlecht, die mit zwölf Jahren Praxis schon die längste Erfahrung hat. Mittlerweile ist die aus der Nähe von Stuttgart stammende leidenschaftliche Skifahrerin 18 Jahre alt. Alle waren sich einig, dass es unheimlich Spaß macht, und das Team ihnen auch psychischen Halt gibt. (kfl)