Wirtschaft
Die Alte Post in Miltach ist Geschichte

Barbara und Ludwig Martin machen Metzgerei und Gasthaus dicht. Wehmütig erinnern sie sich an ruhmreiche Zeiten.

28.12.2020 | Stand 16.09.2023, 4:43 Uhr
Gesprächsrunde in der Alten Post: Barbara und Ludwig Martin plauderten aus dem Nähkästchen. −Foto: J. Feiler /J. Feiler

Seit Monaten kursieren Gerüchte in Miltach, dass die ortsansässige Metzgerei Ludwig Martin gegenüber der St. Martins Kirche am 31. Dezember letztmalig geöffnet habe. Nun ist es Gewissheit: Das Geschäft schließt zum Jahresende. Die beiden Jalousien am Schaufenster und an der Ladentür werden nie mehr hochgezogen. Auch die Eingangstür zum Gasthaus bleibt für immer verschlossen.

Im Advent war es unmöglich, mit dem Metzgermeister Ludwig (Luwer) Martin und seiner Gattin Barbara einen Termin für ein Interview zu vereinbaren. Denn in diesen Wochen herrschte im Schlachthaus und im Verkaufsraum hektisches Treiben vor dem Weihnachtsfest. Aber es gelang doch noch. Mit einem „Kemmsts halt einer“ luden der Metzgermeister und seine Frau die Presse zu einer Info-runde ein und stellten zwei Bier auf den Tisch. Gespenstische Ruhe umgab den Gastraum. Die Stühle waren wegen Corona hochgestellt, Kartons mit Gläsern und Geschirr standen herum, wo sich noch vor Monaten die Gäste einfanden.

Der Plan des Luwer Martin

,,Eigentlich war mein Plan, mit 60 Jahren den Metzgereibetrieb aufzugeben‘‘, so Ludwig Martin. Nun sei es ein Jahr früher, denn einen Nachfolger hat er nicht. Auch sein langjähriger Geselle, der ihm eine große Stütze war, geht in den Ruhestand. Seit Frühjahr ist das Gasthaus wegen des Lockdowns geschlossen. ,,Was bleibt mir übrig. Ich könnte alleine weiter arbeiten, müsste dann aber unser bisheriges Wurstsortiment deutlich einschränken. Und das will ich nicht“, so Martin. Es ist ihm anzumerken, dass ihm der Satz schwer über die Lippen geht. ,,Ehrlich gesagt, mir tut’s in der Seele weh.“

,,Wir haben lange mit unserer Entscheidung gerungen‘‘, räumte seine Frau Barbara ein. Sie war in den vergangenen Jahrzehnten die Chefin in Laden und Küche. Sie kochte für zahlreiche private Feste, Firmenjubiläen und Vereinsfeste und lieferte auch Speisen aus.

In der Gesprächsrunde wurde schnell klar: Für kleine Metzgereien wird es immer problematischer, zu überstehen, auch in den größeren Städten. Ein Grund ist der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel. ,,Es will keiner mehr Metzger werden‘‘, sagte Martin Ludwig. Hinzu komme die Konkurrenz der Supermärkte und Discounter. Die strengen Hygieneauflagen und Lebensmittelverordnungen stellten die kleinen Betriebe vor großen finanziellen Herausforderungen. Fazit sei, dass die regionalen und handwerklich produzierten Wurst- und Fleischwaren durch die Massenproduktion immer mehr zum Randprodukt würden.

1966 hatten Ludwig Martin senior und seine Ehefrau in der ehemaligen Poststation eine Landmetzgerei eröffnet. Zuvor betrieb die Familie eine kleine Landwirtschaft mit Gaststube. Somit war der Lebensweg vom ,,Luwer‘‘ vorgezeichnet. ,,Damals bist du von den Eltern nicht gefragt worden, was du einmal beruflich machen möchtest‘‘, erklärte er. Nach der Realschule begann er 1977 die Lehre und arbeitete in der elterlichen Metzgerei mit. 1990 übernahm er mit seiner Frau Barbara Metzgerei und Gasthaus.

Jahrzehntelang hielten ihnen viele Kunden die Treue. ,,Dafür möchten wir uns bei allen auf das Herzlichte bedanken‘‘, betonte Barbara Martin.

Wehmut bei Stammgästen

Wehmut herrsche auch bei den Stammgästen der Alten Post: bei den Männern, die sich zum Frühschoppen trafen und bei den Tischtenniskameraden, die nach den Punktspielen einkehrten, und bei den Schafkopfspielern, die an bis zu fünf Tischen kartelten. Legendär war die Runde an Tisch eins, die über 50 Jahre in verschiedenen Besetzungen ihrer Leidenschaft frönten. Und natürlich die Fußballer, die mit dem ,Luwer ‚ über Ligaspiele fachsimpelten und auf alte Zeiten anstießen. Besonders bedrückt ist Ludwig Martin, dass er wegen Corona keine Abschlussfeier für die treuen Gäste abhalten darf.

Die ,Alte Post ‚ war bis 1980 das Vereinslokal des 1. FC Miltach. Damals stand der Post-Luck Ludwig Martin senior am Tresen, den Bleistift hinterm Ohr, und schenkte aus. Wenn die erste Mannschaft siegte, ging es in der rappelvollen Gaststube rund. Die Spielersitzungen und Siegesfeiern wurden nicht selten zu späterer Stunde in die Küche verlegt.

Der Luwer lachte und zeigte aus dem Fenster Richtung Schlachthaus: ,,Da drüben, im alten Keller, haben sich die Gästespieler umgezogen, und die Schiedsrichterkabine war in der ersten Etage in unserem Bad. Die Miltacher Spieler mussten sich alle zu Hause umziehen. So war es halt damals.“

Beim Thema „Fußball“ erwachen in Ludwig Martin unweigerlich Erinnerungen an die goldene Ära des 1. FC Miltach, als der kleine Dorfverein neben dem Regenufer in aller Munde war. Unvergessen bleiben die Derbys, als oft mehr als 3000 Zuschauer in das Regentalstadion pilgerten und die Dorf-Elf an die Bayernliga anklopfte, sowie beim DFB-Pokal den 1. FC Nürnberg zu Gast hatte. Als Top-Fußballer hatte der Luwer großen Anteil an den Erfolgen. Dennoch gibt er sich bescheiden: ,,Wir waren ein erfolgreiches Team, und das zählt. Schee war’s, aber lange vorbei.“ (cpj)