Schlosshof
Susi Raith und die Spießer mischen auf

Das Quartett bot beste Singer-Songwriter-Tradition. Sochen Harmoniegesang in Vollendung hört man nicht oft live.

19.08.2020 | Stand 16.09.2023, 4:46 Uhr
Johann Reitmeier
Authentische, ehrliche, selbstgeschriebene Songs (von links): Jochen Goricnik, Susi Raith, Jörg Willms und Stitzi alias Sebastian Stitzinger sind Susi Raith und die Spießer −Foto: Johann Reitmeier

Eigentlich war ja alles schon im Vorbericht zur Kultur-im-Schloss-Veranstaltung am letzten Mittwochabend gesagt. Und doch seien ein paar aktuelle Beobachtungen zu Susi Raith und die Spießer erlaubt – Anmerkungen, die die Combo über die üblichen Beschreibungen hinaus so attraktiv und frisch erscheinen lassen.

Da war gleich – noch vor dem Beginn um 19.30 Uhr – etwas Ungewöhnliches festzustellen: Kein einziger freier Parkplatz in unmittelbarer Umgebung von Pflegerschloss und Schlosshof! Das ließ auf Überfüllung schließen. Was sich aber sogleich relativierte, wenn man die Arena betrat und dort die geschickte Sitzplatzanordnung sah, die coronagerecht die wirklich vielen Besucher mit den vorgeschriebenen Abständen untergebracht hatte.

Bekannte Künstler

Dass dieser, trotz der geltenden Bedingungen, fulminante Besuch kein Zufall war, wurde schnell klar, als die Band ihren Platz im idyllischen Ambiente auf der Naturbühne einnahm und loslegte. Die Künstler kannte man als „neue Gruppe“, gegründet erst heuer im Januar und mit der faktischen „Auftrittszwangspause ab März“ bis fast auf den heutigen Tag. Aber jedes Mitglied brachte ja von Haus aus ein vorzügliches Renommee, nicht nur in Insider-Kreisen, mit nach Neukirchen b. Hl. Blut.

Die Frontfrau Susi Raith verfügt über einen beinahe kultigen Ruf von diversen Projekten her – unter anderem durch die Raith-Schwestern, zusammen mit Tanja und dem Blaimer. Ihr Ehemann Jochen Goricnik und Sebastian Stitzinger sind als Gitarrist und Keyboarder der Ringlstetter-Band sattsam durchs Fernsehen bekannt. Und der vielgereiste Jörg Willms stellte seine Singer-Songwriter-Qualitäten schon in Australien unter Beweis und hat von dort einige klasse Titel mitgebracht.

Zusammen ist das Quartett eine musikalische Einheit, die geradezu strotzt vor sängerischer und instrumentaler Qualität, einem unbändigen Spaß an der Live-Performance mit beneidenswerter Frische und Humor. Außerdem warten sie mit einem Repertoire auf, das ausschließlich aus selbstgeschriebenen Nummern von sanft-melancholisch bis treibend-fetzig besteht, die außer einigen wenigen englischsprachigen immer in heimischer Mundart geschrieben sind. Die Moderation dazwischen kommt aus ihrem sicherlich nicht gerade an Anekdoten armem Musikerleben. Die Musiker sind in hohem Maß „authentisch“, und wie sie das unter die Leute bringen, ist beste Unterhaltung.

Mit dem Einstiegssong beschreiben sie sich gleich einmal selbst: Susi beginnt, Jörg steigt mit einer ebenfalls so prägnanten wie Wide-Range-Stimme ein, danach kommt der vorzügliche Satzgesang, der sich mit den Gitarrenriffs und dem Minimalschlagzeug („Gurke“ Goricnik) und dem zunächst zurückhaltenden Keyboard „Stitzis“ zu einer starken treibenden Nummer entwickelt: „.... dass i bin wia i bin“ – „oamol Sonnenschein, oamol saurer Wein!“. Und Susi singt nicht nur aufregend, sondern spielt auch einen wirkungsvollen E-Bass dazu.

Nach ein paar Witzchen („de Bühne hängt“) vom Stitzi erzählen sie vom „Wida mal“ - wiederum nach Solo-Einleitung im perfekt aufeinander abgestimmten Satzgesang (großes Lob auch an den Herrn der Knöpfe, Christian Lugauer!).

Eine Komposition mit englischem Text von Jörg folgt: „You“ – gar nicht einfach zu singen, aber wie könnte es anders sein – auch wieder Harmoniegesang in Vollendung (das hört man live so nicht oft)! „Manchmal“ – mit der umwerfend weisen Philosophie von „Gurke“ eingeleitet: „I reg mi erst auf, wenn’s soweit is!“ „Ein Lied an das Leb’n – kann nix Schöneres geb’n.“ Stitzi mischt dezent sein Akkordeon zu den (akustischen) Gitarrenklängen – das Ganze erinnert von Sound her ein bisserl an STS (stimmungsvoll, eingängig schön).

Texte über den Alltag

Zwischenmenschliches aus dem Alltag nimmt einen Gutteil des Programms ein – mit ganz einfachen, aber klugen und immer treffenden (hervorragend verständlichen) Texten. Über Beziehungsgewitter und sich einschleichende Verhaltensweisen – „Was ma alls net braucht/Verschenk dei Lacha.“ Beim Mitsing-Ohrwurm „Zwoa Zimmer Küche Bad“ endet eine Beziehung mit dem resignativen Rauswurf und dem Ratschlag, sich neu zu orientieren (origineller Country-Schluss).

Der letzte Programmteil wird eingeläutet mit dem persönlichen Maßstab der Band: „Mir wern net kapituliern“. Jörg, der „Ed Sheeran aus Schierling“, packt nochmal seine Wahnsinnsstimme aus: bluesy grooved langsam „high“ – Gesangs-Zeiserl Stitzi legt dazu den Hammond-Sound unter bei „Right On“.

Susi, die ihre Stimme nach Belieben variiert, singt sich zum Abschied noch einmal mit einem leisen und intensiven Liebeslied an den Ehemann „Gurke“ in die Herzen des Publikums: „Ohne di – mit dir old wern, da gfrei i mi, ohne di ist alls so fad, du zauberst mir a Lächeln ins Gsicht“.

Wenn die Vermutungen nicht täuschen, war beim Hinausgehen der Leute unter den Corona-Masken wahrscheinlich selbiges Lächeln in den Gesichtern.