Kunst
Der leidende, gemarterte Jesus als Motiv

Edmund Speiseder schreibt über Passion und Darstellung des Leidens Jesu. Auch in der Pösinger Kirche ist ein Christus in der Rast.

08.04.2020 | Stand 16.09.2023, 4:58 Uhr

Christus in der Rast oder der Schmerzensmann in der Pfarrkirche St. Vitus in Pösing Foto: Edmund Speiseder

Der leidende und gemarterte Jesus: In der christlichen Kunst ist dies eine Darstellungsform des „Ecce homo“ (Seht, welch ein Mensch!), bei der Christus sitzend oft auch als Klagegeste verstehend – einen Arm auf den Oberschenkel aufstützend – dargestellt wird und auf den Betrachter als sinnierend wirkt. Edmund Speiseder schreibt dazu:

Seinen Ursprung hat diese Darstellungsform am Ende des 14. Jahrhun-derts, als früheste bekannte Darstellung gilt eine Hans Witten zugeschrie-bene Plastik im Braunschweiger Dom aus dieser Zeit. Dazu gibt es auch ein typologisches Vorbild. Das Vorbild dazu findet sich im Alten Testament bei Hiob oder Jjob, dem „Dulder Job“, der sein Schicksal beklagt.

Überwiegend in Plastik zu finden

Das Motiv des Christus in der Rast findet man überwiegend in Plastik wieder, Darstellungen auf Gemälden sind vergleichsweise selten. Dazu gibt es auch Kirchen, die zu diesem Umstand auch ein Patrozinium ausweisen, das heißt dann „Herrgottsruh“.

Mit dem Hinweis „Ecce homo“ stellt nach der Darstellung des Johannesevangeliums der römische Statthalter Pontius Pilatus dem Volk den gefolterten, in purpurnes Gewand gekleideten und mit einer Dornenkrone gekrönten Gefangenen Jesus von Nazareth vor, weil er keinen Grund für dessen Verurteilung sieht. Die jüdische Führung fordert daraufhin von Pilatus, in Johannes 19,4-6 das Strafmaß der Kreuzigung auszusprechen und sie auch anzuordnen. Im griechischen Text des Johannesevangeliums heißt es „Siehe, der Mensch!“. In der lateinischen Vulgata wird dann die Stelle Joh. 19, 4-6 mit „Da, seht den Menschen!“ tradiert. Von dieser Stelle ausgehend ist dieses Motiv in die Kunstgeschichte eingegangen.

In der christlichen Kunst gibt es zwei Bildmotive, die mit „Ecce homo“ bezeichnet werden: Eine Weiterführung ist die eigentliche Illustration der Szene aus Johannes 19, die auch „die Schaustellung Christi“ genannt wird. Sie zeigt Pilatus und Jesus, der durch das Volk verspottet wird.

Das zweite Motiv kommt bei Andachtsbildern vor. Es stellt Christus meist stehend mit Purpurmantel, Lendentuch, Dornenkrone und Folterwunden dar. Sind bei solchen Bildern zusätzlich die Wundmale der Kreuzigung zu sehen, spricht man vom Bildmotiv des „Schmerzensmannes“. Man trifft auch die Bezeichnung „Erbärmebild“ oder „Miserikordienbild“ an. Ist Christus sitzend dargestellt, handelt es sich um das Bildmotiv „Christus in der Rast“. Beide Darstellungen werden allerdings ebenfalls als Ecce homo-Szenen bezeichnet.

Weite Verbreitung fand das Motiv, als im 15. und 16. Jahrhundert die Passion zum zentralen Thema der abendländischen Frömmigkeit wurde. Sowohl im Passionsspiel des mittelalterlichen Theaters als auch in gerade szenisch wirkenden Illustrationen der Passionsgeschichte war die Ecce homo- Szene enthalten, etwa in den Passionen von Albrecht Dürer oder in den Graphiken von Martin Schongauer.

Das Motiv der Einzelfigur des leidenden Jesus, der den Betrachter oft unmittelbar anzuschauen scheint, soll die persönliche Betroffenheit des Betrachters erwirken. Parallel dazu wurden in der abendländischen Kunst auch die ähnlichen Motive des Schmerzensmannes und des Christus in der Rast immer bedeutender.

Eine Wirkung des Motivs

Der junge Reichsgraf Nikolus Ludwig von Zinzendorf betrachtete auf seiner Kavaliersreise am 22. Mai 1719 in der Düsseldorfer Gemäldegalerie ein Ecce-homo-Gemälde von Domenico Feti mit der Bildunterschrift „Ego pro te haec passus sum; tu vero, quid fecistie pro me?“. Das heißt: „Ich habe dies für Dich gelitten; du aber, was hast du für mich getan?“, dieses Erlebnis führte zu einer Klärung und Vertiefung seines Selbstverständnisses als Christ. Bekannt wurde er als Begründer der Herrnhuter Brüdergemeinde in der Oberlausitz und als Erfinder der Herrnhuter Losungen.