MZ-Serie
Mitbestimmung ja, Betriebsrat nein

Ersetzen Mitarbeitergespräche Betriebsräte? Ja, meint die Mühlbauer Group. Die IG Metall greift die Firmen-Führung an.

05.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:51 Uhr
Arne Kränzlein (l.), verantwortlich für das Demo-Center, erläutert die Modell-Anlagen. −Foto: cba

Für unsere Themenwoche wollen wir natürlich auch wissen, was die Mitarbeiter eines Unternehmens ohne Betriebsrat zu erzählen haben. Der erste Anruf bei der Firma Rädlinger ist ein Fehlschlag. Man sagt uns „aus terminlichen Gründen“ ab. Aber schon beim zweiten Telefonat, diesmal mit der Firma Mühlbauer in Roding, gab es eine positive Antwort.

Zu unserem Termin bei der Mühlbauer Group hat sich eine junge Truppe versammelt: kaufmännische Auszubildende, Mitarbeiter aus der CNC-Produktion, der Montage sowie aus dem Personalwesen sind dabei – außerdem eine Mitarbeiterin in der internen Kommunikation. Gerade in ihrem Aufgabengebiet weiß sie die Unternehmensphilosophie zu schätzen: „Wir wollen die Dinge hier anpacken, voranbringen und dabei auch immer eigene Ideen einbringen.“

Das sei für sie auch der Grund gewesen, vor etwas über einem Jahr zu Mühlbauer zu wechseln. Man habe viele Möglichkeiten, den eigenen Aufgabenbereich je nach Interessengebiet mitzugestalten. Sie selbst zum Beispiel habe sich durch Schulungen zusätzliche grafische Kenntnisse aneignen können.

Chef-Türen stehen „immer offen“

Als Kommunikationsmittel, auch an Vorgesetzte, gebe es zahlreiche Möglichkeiten wie Newsletter und interne Mails. Auch das direkte Gespräch ist gewünscht: „Bei aller Selbstständigkeit habe ich immer noch meinen Chef als Ansprechpartner“, sagt sie. Die gute Zusammenarbeit mit den Kollegen bestätigen alle Anwesenden. Es gibt zum Beispiel spezielle Azubi-Fördergespräche, bei denen man mit dem Ausbilder besprechen kann, in welche Abteilung man als nächstes gern möchte (die Azubis wechseln im Drei-Monats-Takt) und später auch, in welche Abteilung man übernommen werden will.

„Ein Betriebsrat gehört heutzutage in ein Unternehmen wie ein Klassensprecher in eine Klasse.“Jürgen Scholz

„Es werden viele Chancen geboten, und wir dürfen viel Verantwortung übernehmen“, sagt eine Auszubildende. Der Arbeitsalltag besteht also nicht aus Kaffeekochen oder Ablage. Sie fühlt sich von ihren Vorgesetzten ernst genommen. Bei dem international agierenden Unternehmen haben die Arbeitnehmer zudem die Möglichkeit, viel zu sehen. Zum Beispiel über das Mentorenprogramm, bei dem der anwesende Mitarbeiter aus der Montage schon die Gelegenheit hatte, für eine Zeit in der Zweigstelle in Malaysia tätig zu sein – natürlich auch kulturell interessant.

Das Unternehmen habe sich auch in sozialer Hinsicht weiterentwickelt, so ein Mitarbeiter aus dem Personalwesen: „Wir haben zum Beispiel die betriebliche Altersvorsorge eingeführt, und ein aktuelles Thema ist die Berufsunfähigkeitsversicherung.“ Mitarbeiter des Personalwesens seien als Vertrauenspersonen jederzeit Ansprechpartner für Arbeitnehmer; ebenso die Vorgesetzten. Auch für Verbesserungsvorschläge sind die Türen der Chefs offen: „Gute Ideen werden bei Mühlbauer honoriert; so können bei den jährlichen Mitarbeiter-Fördergesprächen Gehaltserhöhungen oder Leistungsprämien vereinbart werden.“

Üblich ist also die Mentalität „kurzer Dienstweg“, und so sieht es auch die Mühlbauer-Führungsebene: „Unsere Mitarbeiter können sich mit ihren Anliegen direkt an ihre Vorgesetzten wenden, ihre Türen stehen immer offen; bei Bedarf hilft auch die Personalabteilung gerne als Mediator.“ Einen Betriebsrat gebe es deshalb nicht, da „diese offene und direkte Kommunikation ein schnelles Entscheiden und Handeln ermöglicht, was in den extrem schnellen, dynamischen Märkten, in denen wir uns bewegen, Grundvoraussetzungen für die Sicherung und den Ausbau unserer Marktpositionierung sind.“

Warum Betriebsratswahl scheiterte

Der Arbeitgeber vermisst den Betriebsrat also nicht, und genauso geht es den Mitarbeitern, mit denen wir gesprochen haben. Jürgen Scholz von der IG Metall erinnert in diesem Zusammenhang allerdings daran, dass einige Mitarbeiter sich ein solches Gremium, das ihre Interessen vertritt, aber durchaus gewünscht hatten: „Das ist schon über zehn Jahre her, aber fast jeder im Landkreis weiß noch, dass es schon einmal den Versuch einer Betriebsratsgründung bei Mühlbauer gegeben hatte.“

Drei Mitarbeiter seien damals auf die IG Metall zugekommen, die Gewerkschaft habe dann wiederum Kontakt zur Firma aufgenommen. „Dort gab es erst mal kein großes ’Hurra!‘, was nicht ungewöhnlich ist. Die meisten Unternehmen begegnen solchen Überlegungen zunächst mit Skepsis“, so Scholz. Als dann zur Betriebsversammlung eingeladen wurde, sei das Gasthaus, auf das ausgewichen werden musste, aus allen Nähten geplatzt, so groß war das Interesse der Arbeitnehmer. Zahlreiche Mitarbeiter, unter ihnen die Initiatoren, wurden als Wahlvorstand vorgeschlagen.

IG Metall unterstützt Gründungen

Hatten sie sich zu weit vorgewagt? „Inzwischen wurde allen drei gekündigt, natürlich noch vor einer Wahl zum Betriebsrat, denn dann hätten sie ja besonderen Kündigungsschutz gehabt“, so Scholz. „Darunter war auch ein mehrfacher Familienvater. Die offiziellen Kündigungsgründe waren selbstverständlich andere.“ Diese Entwicklung habe unter den Arbeitnehmern ein Klima der Angst hervorgerufen, keiner habe sich mehr getraut, etwas zu sagen, geschweige denn zum Betriebsrat zu kandidieren.

Lesen Sie hier die weiteren Teile unserer Themenwoche:

Wer hat bei Goldsteig das Sagen?

Wie steht es mit der Gleichberechtigung?

Das sagt der Geschäftsführer der Ensinger GmbH zum Thema Betriebsrat.

„Betriebsrat? Bin i!“ Das sagt Manfred Zollner zum Thema.

Wer hat im Betrieb etwas zu sagen?

Franz Aschenbrenner führt seit 2010 bei Siemens in Cham den Betriebsrat.

Scholz sagt, aus Untersuchungen gehe klar hervor, dass das Arbeitsklima und die Arbeits- und Einkommensbedingungen in Firmen mit Betriebsrat grundsätzlich besser seien. Und nicht nur, dass dieses Gremium viele Vorteile für die Beschäftigten und den Arbeitgeber mit sich bringe, auch die gesetzliche Grundlage, das Betriebsverfassungsgesetz, sehe das Recht auf eine Betriebsratsgründung vor. „Ein Betriebsrat gehört heutzutage in ein Unternehmen wie ein Klassensprecher in eine Klasse.

Gerade bei einem Unternehmen dieser Größenordnung“, so Scholz und fügt hinzu: Falls man es sich bei Mühlbauer noch einmal überlegen und sich dazu entschließen sollte, es doch einmal zu probieren mit einem Betriebsrat, dann „reichen wir von der IG Metall gerne die Hand“. Und das gelte auch für die Firma Zollner und jedes andere Unternehmen aus dem Sektor.

Hier lesen Sie weitere Meldungen aus dem Landkreis Cham.

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