Wirtschaft
Mühlbauer AG muss Abfindung zahlen

Im Arbeitsgerichtsverfahren ums Ende der Filiale in Ehingen fallen Aussagen, die der Rodinger Firma nicht lieb sein können.

20.01.2016 | Stand 16.09.2023, 6:52 Uhr
Die Konzernzentrale der Mühlbauer Holding in Roding −Foto: pn

Der Standort der Rodinger Mühlbauer AG in Ehingen ist fast Geschichte. Zwei Arbeitnehmer seien dort wohl noch bis Ende Januar beschäftigt, schätzt ein Ex-Mitarbeiter. Ansonsten liegt der Betrieb still, die Betriebsgebäude sind verkauft. Doch Ruhe war bis vor kurzem um das Filialunternehmen der Rodinger noch nicht eingekehrt.Auch wenn Mühlbauer-Manager Thomas Betz bei der Ankündigung der Schließung Mitte 2015 gegenüber Medien gesagt hatte, die Kündigungen mit den Mitarbeitern seien „gut geregelt“.

Das sei schlichtweg falsch gewesen, sagt einer der Gekündigten, der sich daraufhin beim Bayerwald-Echo meldete. Es habe keinerlei Abfindungen oder Ausgleich für die über 50 Beschäftigten gegeben. Daher zogen etwas mehr als 20 Beschäftigte vors Arbeitsgericht. „Nur fast die Hälfte“, so der Ex-Mitarbeiter, weil beim Rest das herrsche, was viele Mühlbauer-Arbeitnehmer hätten: Angst.

Eine Richter-Aussage vorweg

Vonseiten der Firma heißt es nicht zuletzt zu dieser Aussage: „Es wird jetzt offensichtlich von einzelnen Personen unseriös, unsachlich und anonym nachgetreten. Das möchten wir nicht tun.“ Mühlbauer werde sich nicht auf dieses Niveau einlassen und diese Behauptungen nicht mehr kommentieren.

Vergangene Woche bekamen die Kläger jedenfalls Recht. Das Arbeitsgericht habe den etwa 20 Klägern Abfindungen und Gehaltsnachzahlungen von insgesamt mehr als 200000 Euro zugesprochen, berichtete die Südwestpresse. 120000 Euro sind für Abfindungen vorgesehen, 90000 für Löhne, da die Kündigungen erst Ende März wirksam werden.

Das ist das Ergebnis der Kammergerichtsverhandlung in Ulm. Die Mühlbauer-Beschäftigten hatten gegen ihre betriebsbedingten Kündigungen geklagt. Der Richter hatte gleich zu Beginn deutlich gemacht, dass die Firma nicht um Zahlungen herumkomme und sein Urteil in diese Richtung ausfallen werde, falls kein Vergleich möglich sei.

Die Arbeitnehmer und ihre Rechtsanwälte argumentierten bereits bei den gescheiterten Güteverhandlungen im Herbst 2015, dass hier nur ein Teilbetriebsübergang stattgefunden habe. Denn in Roding selbst sei eine Abteilung gegründet worden, um die 8000 bis 9000 ausgelieferten Maschinen aus Ehingen zu warten und zu reparieren. Damit verbinde sich ein gutes Geschäft, so einer Gekündigten, das dem Ehinger Standort zeitweise pro Jahr 300000 Euro in die Kassen gespült habe.

Mühlbauer spreche von einer Betriebsstilllegung und verweise auf die Unwirtschaftlichkeit des Ehinger Standorts. Seit 2009 sei dort nichts mehr investiert worden, folglich seien Know-how und Kunden abgewandert. Wobei die schwäbischen Arbeitnehmer der Rodinger AG „wohl noch zu teuer waren“, vermutet ein früherer, langjähriger Beschäftigter.

„Es wird jetzt offensichtlich von einzelnen Personen unseriös, unsachlich und anonym nachgetreten. Das möchten wir nicht tun.“Thomas Betz, Firma Mühlbauer

Auf Echo-Nachfrage erläutert Thomas Betz, Manager der Mühlbauer AG, dass die Schließung des Standortes Ehingen „konkrete Hintergründe“ gehabt habe. Diese notwendige Entscheidung sei natürlich sehr schmerzlich für beide Seiten gewesen – „für uns als Mutterunternehmen als auch für unsere Mitarbeiter vor Ort“. Mühlbauer verstehe, dass es hierzu teilweise sehr unterschiedliche Ansichten gebe. „Mit fast allen Mitarbeitern konnte eine einvernehmliche Lösung gefunden werden, zuletzt auch mit dem Vergleich beim Arbeitsgericht Ulm.“ Damit seien alle Themen in Zusammenhang mit der Standortschließung gemäß deutschem Recht sauber und ordentlich geklärt und erledigt.

„Das ist nicht anständig“

„Sauber und ordentlich“: Das sehen frühere Beschäftigte anders. Bei der gescheiterten Güteverhandlung im September beim Arbeitsgericht Ulm habe der Mühlbauer-Personalreferent auf die Frage des Richters, ob das Unternehmen Abfindungen anbiete, mit Nein geantwortet. Es gebe keinen Betriebsrat, folglich müsse man nichts zahlen. Das sei nicht anständig, habe Arbeitsrichter Dr. Rupp erwidert. Schließlich habe man mit den Mitarbeitern auch Gewinne erwirtschaftet. Selbst bei einer Insolvenz versuche man doch, die Arbeitnehmer abzufinden, habe der Richter dem Firmen-Vertreter erläutert. Mit solch einer ablehnenden Antwort würden doch alle Mühlbauer-Arbeitnehmer an den deutschen Standorten aufgefordert, Betriebsräte zu gründen, habe der Richter dem Manager vorgehalten. Vonseiten Mühlbauers gelte hier die Regel „Kein Betriebsrat, kein Sozialplan“, kritisierten die Kläger die Firmenstrategie. Und „kein Sozialplan“ bedeute eben „keine Abfindung“.

Ein Versuch, der misslang

Um sich zu wehren, gründeten die Ehinger Mitarbeiter im zweiten Halbjahr 2015 einen Betriebsrat. Der jetzt getroffene Vergleich sei aber der Abschluss für den Ehinger Standort, so einer der Kläger. Es werde folglich keine Sozialplanverhandlungen mehr geben. Auch in Roding sei versucht worden, ein solches Gremium auf die Beine zu stellen. Das sei jedoch misslungen. Überhaupt sprächen dort firmeninterne Regelungen eine entsprechende Sprache.

So gebe es anstelle eines Weihnachtsgelds in Höhe eines halben Monatsgehalts die Anwesenheitsprämie. Die Prämie werde auf 15 Tage verteilt und pro Krankheitstag ein Fünfzehntel abgezogen. Wer länger als 15 Tage krank sei, bekomme nichts. Dabei spiele es keine Rolle, ob man erkrankt sei oder einen Unfall gehabt habe. Habe man noch Urlaubstage übrig und werde krank, „spende“ man diese, um die Prämie zugesprochen zu bekommen. Früher habe es vergünstigte Aktien für Mitarbeiter und Prämien gegeben – heute sei das alles gestrichen. „Prämien“ gebe es nur noch bei 300 Überstunden oder mehr.

Hier gehe es zum Teil um interne Dinge der Firma, die er öffentlich nicht diskutieren wolle, sagt Mühlbauer-Manager Thomas Betz dazu. „Es muss sachlich bleiben.“ Um die Vorwürfe gegen das Unternehmen in die „richtige Relation zu stellen“, bekräftigt er: „Unser Unternehmen hat über 30 Standorte in Deutschland und rund um die Welt, die sich alle sehr erfolgreich und harmonisch entwickeln. In Ehingen handelt es sich um einen absoluten Einzelfall, der sich nicht auf eine tragfähige Basis bringen ließ.“ Alle anderen Standorte würden kontinuierlich ausgebaut, und es würden mit einer sehr intensiven Ausbildung sehr viele qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen. Betz: „Diesen Mitarbeitern gilt unsere vollste Aufmerksamkeit.“

Die Ehinger Kollegen sahen sich bei den Auseinandersetzungen um die Abfindungen auch als Vorkämpfer für die Rodinger Kollegen. Mühlbauer müsse Verantwortung für seine ehemaligen und noch tätigen Mitarbeiter übernehmen, forderte einer der Gekündigten. Thomas Betz erwidert darauf noch einmal: „Die Sache ist sauber erledigt!“ Man habe sich viel Mühe gegeben, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Es gebe keinen Anlass, weitere Gespräche, etwa mit dem Mühlbauer-Betriebsrat in Ehingen, zu führen. Wenn jemand noch Probleme habe, biete er jedem an, vorbeizukommen. Seine Tür stehe allen offen.

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