Hege
Corona stresst Wild und Wald

Wanderer in fast jedem Winkel stören die Tiere in ihrer Winterruhe, sagt Dietmar Strasser. Er ist fast jeden Tag in seinem Revier.

24.02.2021 | Stand 16.09.2023, 4:07 Uhr
Jakob Moro
Bei solch einem Futterangebot gibt es im nahen Wald keinen Verbiss. −Foto: Jakob Moro

Wer meint, im Winter ruhe die Arbeit eines Jägers, der täuscht sich gewaltig. Wie geht’s dem Wild, den Rehen, Hasen, Rebhühnern und Fasanen im Winter? Mit dem Einbruch des Winters stehen den Tieren oft harte Zeiten bevor. Das meiste Grün ist verdorrt, viele Äcker sind gepflügt, Wiesen sind mit Gülle oder Substrat abgespritzt. Viele Pflanzen sind verschwunden oder unter einer dicken Schneedecke begraben.

„Wälder und intakte Ökosysteme sind für Mensch, Tier und Pflanzen unersetzliche Lebens-, Schutz- und Erholungsräume. Gerade im Winter sind Respekt und Rücksichtnahme gegenüber der Tierwelt besonders wichtig, damit die Wildtiere auch die karge Jahreszeit gut überstehen“, weiß Dietmar Strasser. Ruhige, unberührte Gebiete seien auch bei uns Mangelware geworden. Er versuche, durch seine Fütterungen die Wildtiere im Winter in ungestörte Gebiete zu lenken, von Siedlungen und Verkehrswegen fernzuhalten und damit auch Wildunfälle zu vermeiden, informiert der Hegeringleiter.

Auf markierten Wegen bleiben

Ungestörtes Wild komme besser durch den Winter. Wildtiere seien eigentlich gut an Schnee, Kälte und niedrige Temperaturen angepasst, wenn ein einigermaßen vernünftiger Lebensraum vorhanden ist. Sie kämen auch mit harten Wintern zurecht, so Strasser, allerdings nur dann, wenn sie in ihren Rückzugsgebieten nicht gestört werden. Daher rät er: „Bleiben Sie auf markierten Wanderwegen und Skirouten und verlassen Sie diese nicht! Menschen, die sich abseits von Wegen bewegen, verursachen Tierleid. Natürliche Nahrung ist das Beste für die Wildtiere!“

Bei einem Besuch im Revier von Dietmar Strasser ging es um Fragen wie „Wie geht`s den Wildtieren im Winter?“ Treffpunkt war westlich der Kreisstraße Stamsried-Pösing – voll beladen mit speziellen, selbst gemischten Silagen, die dem Rehwild besonders zusagen, Zucker- und Runkelrüben für Rehe, Hasen und auch Fasane sowie lange Markstammkohlstängel. Für Fasane, Rebhühner und die gesamte Vogelwelt gibt es getrocknete Maiskolben, kleinkörnigen Weizen, verschiedene Sämereien und Getreideabputz. In selbst gebauten Futtereimern werden Getreide und Sämereien den Hühnervögeln gereicht. Damit würden auch Mäuse und Ratten abgehalten, und das Futter werde am Boden nicht nass und verderbe, erklärt Strasser.

Erster Anlaufpunkt war dann eine weitläufige Hecke südlich von Hitzelsberg. Dort füllt sich gerade jetzt das Niederwild wohl. „Wildfütterung ja oder nein?“ ist für Strasser keine Frage. Er füttert seit Jahren sein Wild, nicht nur, um die Rehe aus ihren Ständen im Wald zu locken, um den Verbiss zu reduzieren und möglichst zu vermeiden, sondern vor allem darum, damit sich das Niederwild, das Rebhuhn und die Fasane in seinem Jagdgebiet seit einigen Jahren wieder heimisch fühlen. Äsungsmöglichkeiten und Unterschlupfmöglichen gebe es in seinem Jagdgebiet zur Genüge, sagt er.

Niederwildhege und Reviergestaltung seien Knochenarbeit, auch im Winter. Wer etwas für sein Niederwild, die Vögel, die Insekten und die Natur tun wolle, müsse ordentlich Hand anlegen. Dass sich dies durchaus lohnt, ist in Hitzelsberg an allen Ecken und Enden nicht zu übersehen.

Unser Berichterstatter, der das Jagdgebiet Strassers noch aus seiner Kinderzeit kennt, erinnert sich an die Zeit vor der großen Flurbereinigung, die die frühere Gemeinde Hitzelsberg in den Jahren 1956 bis 1960 durchgeführt hatte. Die Landschaft und die Äcker waren klein strukturiert. Viele kleine landwirtschaftliche Betriebe gab es, die die schmalen Äcker mit vielen Feldrainen hegten und pflegten. Es ist heute nicht mehr vorstellbar, mit wie wenig Fläche die Kleinbauern damals gut leben konnten.

Es vergeht fasst kein Tag, an dem Dietmar Strasser nicht an irgendeinen Ort im Revier bei Arbeiten auf seinen Flächen anzutreffen ist. Das freundschaftliche, ja herzliche Verhältnis zu seinen Landwirten und die Unterstützung durch sie mache die Arbeit nicht zur Last, sondern zur Freude, versichert er. Gerade in diesem Winter sei es für das Wild wegen der Corona-Pandemie besonders hart. Es gebe im ganzen Revier keinen Winkel mehr, der nicht durch Wanderer zu fast jeder Tageszeit genutzt werde, das Wild habe aber den Stoffwechsel in den Wintermonaten komplett runtergefahren und habe nun ein sehr großes Ruhebedürfnis, so Strasser.

Wildtiere „immer auf der Flucht“

Die Ruhe sei aber durch die andauernden Störungen durch Wanderer und Menschen, die ins Freie wollen (der Großteil hat einen Hund dabei, und viele Tiere sind nicht angeleint), nicht mehr gegeben. „Die Wildtiere sind eigentlich besonders an den Wochenenden immer auf der Flucht“, erklärt Strasser. Dadurch werde viel Energie verbraucht, die irgendwie wieder aufgenommen werden müsse. Äsung sei in vielen Revieren, besonders in der Feldflur, wenig, bis gar nicht vorhanden, und im Wald billige man dem Wild teilweise nicht mal das übliche Proßholz wie Weide, Hasel, Eberesche, Brombeere, Beerkraut usw. zu.

Gerade dieser Winter sei besonders zu betrachten, wenn im Frühjahr wieder die Aufnahmen für das Vegetationsgutachten gemacht werden. Strasser: „Meines Erachtens müsste die momentane Corona-Situation auf alle Fälle in das Vegetationsgutachten miteinfließen. Was derzeit in den Revieren abgeht –Wanderer, Fußgänger mit und ohne Hunde laufen derzeit querfeldein und stressen das Wild –, ist der helle Wahnsinn“, so Strasser weiter.

Ob eine Wildart in der vegetationsarmen Zeit Not leidet oder nicht, hänge allein vom Menschen ab. Fütterungen in der Notzeit reduzierten den Verbiss. Besonders wichtig sei es, Rau- und Saftfutter in einem sachgerechten Mengenverhältnis vorzulegen und auf Kraftfutter zu verzichten.