Wirtschaft
Rational: Letzter Tag für 85 Mitarbeiter

Für Jürgen Lampatzer und 85 weitere Angestellte der Firma Rational in Waldmünchen wird dieser Dienstag ein schwerer Tag.

22.12.2015 | Stand 16.09.2023, 6:57 Uhr
Bis zu 300 Mitarbeiter hatte Rational in Waldmünchen zu Spitzenzeiten. Durch die Standortschließung zum 31. Dezember verlieren 85 Angestellte ihren Job. Derzeit werden in den Hallen einige Maschinen abgebaut, die zum Hauptsitz des Snaidero-Konzerns nach Italien transportiert werden. −Foto: Schoplocher

Eine zentrale Botschaft will Jürgen Lampatzer heute unbedingt loswerden, wenn die Rational-Mitarbeiter zu einer letzten Betriebsversammlung zusammenkommen. „Ich habe sehr großen Respekt vor der Mannschaft“, sagt der Waldmünchner, der in den vergangenen knapp drei Monaten die undankbarste aller Manager-Aufgaben hatte: ein Werk zu leiten, dessen Ende besiegelt ist. „Wie die das durchgezogen haben...“ In Jürgen Lampatzers Stimme schwingt Stolz mit. Lampatzerbescheinigt den 85 Angestellten, die ihre Kündigung erhalten haben, große Moral. Mit ganz wenigen Ausnahmen hätten sich alle reingehängt, es habe keine nennenswerte Lieferausfälle oder Krankmeldungen gegeben, unterstreicht er.

Ein Teil arbeitet bis Ende Februar

Ganz gehen die Lichter in den Hallen von Rational aber noch nicht aus. Zwar hat der Großteil der zuletzt 85 Beschäftigten – die zehn im Kundenservice sind von der Werkschließung nicht betroffen – heute seinen letzten Arbeitstag, nach den Feiertagen macht aber ein 26-köpfiges Team noch bis Ende Februar weiter. „Wir arbeiten das noch ab, was wir nicht mehr geschafft haben und begleiten die Verlagerung nach Italien“, erklärt Lampatzer. Drei seiner Leute wechseln für eine gewisse Zeit an den Hauptsitz der Snaidero-Gruppe, einer wird voraussichtlich das ganze Jahr in Majano gebraucht werden.

Ein paar wenige Maschinen werden in Waldmünchen abgebaut und für den Transport zum Hauptsitz vorbereitet. „Das meiste aber haben die Italiener ja selbst“, erklärt Jürgen Lampatzer, dass das Interieur in dem Rational-Gebäude erst einmal so bleibt, wie es war.Wie es nach dem 29. Februar, wenn Rational in der Schwarzachstraße endgültig Geschichte ist, mit dem Gelände weitergeht, kann auch der Werkleiter nur erahnen.„Ich kann mir aber schon vorstellen, dass Snaidero Hallen und Grund verwerten möchte.“ Immerhin seien die Hallen 15 000 Quadratmeter groß, die Fläche umfasst 50 000. Als Waldmünchner hoffe er, dass jemand Platz und Produktion – auch die Herauslösung von Teilbereichen sei denkbar – brauchen könne, denn „eine Industrieruine will hier sicherlich niemand“.

„Ich bin auch nur einer, der seinen Arbeitsplatz verliert“, beantwortet er die Frage nach seiner eigenen Zukunft. Er habe sich schlicht noch keine großen Gedanken gemacht, zu viel sei zu regeln gewesen, „irgendwie geht es schon weiter“. Neben den Angestellten zollt er den politisch Verantwortlichen und Geschäftspartnern Respekt. „Die haben sich im Bemühen um eine Nachfolgeregelung richtig reingehängt“, schickt Lampatzer einen Dank an Landrat, Bürgermeister und Co.

Hoher Schuldenstand

Dass dies letztlich nichts genutzt hat, liegt laut dem Waldmünchner vor allem an der Überkapazität der Küchenbauer – in der hartumkämpften Möbelbranche. „Es werden schlicht keine Produktionskapazitäten gebraucht“, lautet Lampatzers Fazit. Die Kastenmöbel – bei denen „Made in Germany“ schon lange nicht mehr den Stellenwert habe wie bei einer Küche – kämen aus Osteuropa. Wer in Deutschland fertige, führe selber einen Überlebenskampf. Im übrigen treffe die Überkapazität auch Italien, bei Snaidero herrsche Kurzarbeit, wie zu vernehmen ist.

„Vielleicht ein gewisser Expansionsdrang der Gruppe“, sagt Jürgen Lampatzer, als es um Ursachenforschung geht. Deutlicher wird er auf die Frage, ob die Werkschließung zu verhindern gewesen sei. „Vor zehn Jahren vielleicht...“ Dass die Weichen falsch gestellt wurden, ließen die politisch Verantwortlichen in wechselndem Wortlaut immer wieder verlauten. Lampatzer widerspricht nicht, hält sich aber – wie auch mit Zahlen – bedeckt. Schließlich sitzt er zwischen den Stühlen und ist immerhin nach wie vor Angestellter des Konzerns.

Das Aus für den Standort Waldmünchen hingehen scheint nur ein Schritt im Sterben auf Raten des Snaidero-Konzerns. Zu dieser Einschätzung passen die Reaktionen in der Fachpresse, die die Werkschließung als einen Baustein in einem Sanierungskonzept des Konzerns sehen, dessen Ausgang offen scheint. Bereits im Juli hatte Snaidero seine Anteile an der französischen Franchise-Kette FDB (Franchise Business Division) verkauft und sich damit, so kommentiert es die Fachpresse, von „Teilen seines Tafelsilbers“ getrennt. Offenbar auf Druck der Banken, die vor 114 Millionen Euro Schulden bei 170 Millionen Jahresumsatz Taten sehen wollten und zudem auf einem Konzernumbau bestehen. Das wird heute in Waldmünchen, wo seit 2002 schon keine kompletten Küchen mehr produziert wurden, wohl allenfalls Randthema sein. Denn an dem Unverständnis, warum der zum Kompetenz-Zentrum erhobene Standort mit hochgelobter Arbeit und Ergebnissen „dran glauben muss“, hat sich seit dem 29. September nichts geändert.

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