Anbauversuch
Atlaszedern, wo die Fichte Probleme hat

Im Spitalwald bei Geigen hat die Anpflanzung der Baumart gut geklappt. Sie bietet im Klimawandel beste Chancen.

26.08.2021 | Stand 16.09.2023, 0:56 Uhr
Hans Schmelber
Dr. Alwin Janßen, Dr. Muhidin Šeho, Bürgermeister Martin Stoiber und Dr. Arthur Bauer (v. l.) besichtigten den Praxisanbauversuch im Spitalwald bei Geigen. −Foto: Hans Schmelber/Hans Schmelber

200 Pflanzen der Atlaszeder, die im Spitalwald vor gut einem Jahr gepflanzt wurden, hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bezahlt. „Es ist hier ein Praxisanbauversuch mit Baumarten, die bei uns nicht heimisch sind, in dem Fall die Atlaskiefer“, begann Dr. Arthur Bauer, AELF-Bereichsleiter Forsten, die Vorstellung des Praxisanbauversuchs. „Wenn wir den Spitalwald anschauen, besteht der zu 86 Prozent aus Nadelbäumen und nur zu 14 Prozent aus Laubbäumen. Die Fichte macht rund 70 Prozent aus. Die Frage ist: Wie gehen wir weiter vor? Denn die Fichte hat in den kommenden Jahren keine Zukunft mehr. Wir haben hier einen dieser Praxisanbauversuche neben vier weiteren im Landkreis“, führte Dr. Bauer aus.

Darüber, in welchem Rahmen sich der Versuch bewegt, sprach Dr. Alwin Janßen, der Leiter des Bayerischen Amts für Waldgenetik (AWG). Das AWG ist eine Sonderbehörde der Bayerischen Forstverwaltung und untersteht dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Das AWG ist in Bayern zuständig für alle Aufgaben in Bezug auf das forstliche Vermehrungsgut und die Sicherung der forstlichen Genressourcen sowie der genetischen Vielfalt der Wälder. „Wir sammeln alles über Saat- und Pflanzgut, und wir kümmern uns auch um einheitliche Baumarten, um diese Gene auch zu erhalten“, so der Amtschef.

Dem Klimawandel trotzen

„Wie wollen wir eigentlich dem Klimawandel trotzen“, hinterfragte Dr. Janßen, „denn wir haben im Moment nur rund 1,6 Prozent nicht einheimische Baumarten im Wald, und da ist noch nicht die Atlaszeder mit drin. Wir müssen in Bayern den Anteil nichtheimischer Bauarten deutlich erhöhen, denn wenn es hier wie vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) geschätzt künftig um bis zu drei Prozent wärmer wird, dann kommen einige unserer heimischen Baumarten an ihre Grenzen, zum Beispiel die Fichte, die in Lagen unter 600 Metern deutliche Schwierigkeiten haben wird. Das AWG will aber nicht nur auf nichtheimische Baumarten gehen. Wir schauen auf Buchen aus wärmeren Lagen, die hier eine Alternative sein könnten. Auch Eichen wären möglich. Wenn das aber wie in Unterfranken nicht klappt, dann müssen wir uns in anderen Bereichen umsehen. Im Klimawandel werden sicher die Elsbeere, der Feldahorn und die Flatterulme mehr Bedeutung bekommen. Dann kommen erst nichtheimische Baumarten, aber erst solche, die wir gut kennen wie die Douglasie oder die Schwarzkiefer, die bereits seit 100 Jahren in Bayern sind. Aber wir wollen auch Erfahrungen sammeln über Baumarten, die wir noch nicht so gut kennen, die aber in anderen Ländern gut wachsen, wie die Atlaszeder in Frankreich oder die Libanonzeder oder die Silberlinde oder die Baumhasel.“

Vor zwei Jahren habe man dann im AWG überlegt, wie man solche Anbauversuche überhaupt machen kann. „Das hier ist jetzt eine der ersten Anlagen mit der Atlaszeder, wo wir aus einem anderen Projekt noch Saatgut übrig hatten. Die Resonanz zur Zusammenarbeit mit den AELF war erstaunlich hoch. Dass hier die Atlaszeder so gut wächst, das freut uns. Wir müssen das hier natürlich nicht nur zwei Jahre beobachten, sondern über einen Zeitraum von zehn bis 20 Jahren.“

„Ist die Atlaszeder genauso verwertbar wie die Fichte?“, fragte Bürgermeister Martin Stoiber. Die Atlaszeder ist sehr anpassungsfähig im Hinblick auf Standort und Klima. Die Baumart erreicht eine hohe Gesamtwuchsleistung und ist für die Wertholzproduktion genauso gut geeignet wie als Möbelholz“, antwortete der AWG Amtschef.

Die Atlaszeder stellte Dr. Muhidin Šeho vor. Die Atlaszeder ist eine Halbschattenbaumart, die sich durch ein geringes Invasionspotenzial und hohe Mischungsfähigkeit auszeichnet. Sie gilt als dürre- und kälteresistenter als andere mediterrane Baumarten. Das natürliche Verbreitungsgebiet der Atlaszeder beschränkt sich auf die nordafrikanischen Bergregionen Marokkos und Algeriens.

Durch die Ausbildung einer kräftigen, tief reichenden Pfahlwurzel kann die Atlaszeder viele Standorte besiedeln und verfügt über eine hohe Standfestigkeit. Die Atlaszeder erträgt Temperaturen von Minus 28 Grad bis Plus 40 Grad Celsius, aber keine zu langen Kälteperioden, insbesondere für Jungpflanzen bis zu einem Alter von fünf Jahren. Bei Trockenperioden im Sommer können Keimlinge durch eine sehr schnell in die Tiefe gehende Wurzel überstehen. In den ersten zwei Jahren wächst zunächst die Wurzel, dann der Spross. Das Wachstum in der Jugend ist deshalb sehr langsam, nimmt jedoch im Alter stark zu. In französischen Versuchen war die Atlaszeder in der Wuchsleistung der Libanonzeder überlegen.

„Wir haben ein Siebenpunkte-System entwickelt, wie wir Baumarten bewerten und wie der Waldbesitzer auch zu seinen Mischbaumarten kommt. Wir versuchen die ganze Palette der Baumarten zu erweitern, um das Risiko zu streuen“, erklärte Dr. Muhidin Šeho. Wir stellen uns vor, dass hier drei bis vier Baumarten stehen – und auch die Atlaskiefer. Das heißt nicht, der Waldbesitzer geht hin und macht in Zukunft nur noch Atlaskiefer. Davon wollen wir ja weg. Uns geht es um Streuung des Risikos.“

Erster Schritt ist eine Sondierungsstudie. „Wir gucken uns neue Baumarten an mit dem Ziel einer Ersatzfunktion für wertvolles Bau- oder Möbelholz. Diese Baumart muss das können, sonst ist sie für uns nicht interessant. Das ist ein neues Instrument. Der Waldbesitzer bekommt eine Förderung von fünf Euro pro Pflanze. Damit haben wir gleiche Ausgangsbedingungen geschafft über ganz Bayern und erhoffen uns in zehn Jahren die ersten Erfahrungen. Wir wollen den Waldbesitzer mitnehmen und die Öffentlichkeit daran teilhaben lassen.“

„Dieser Baum ist viel länger vital“

Diese Baumart wächst genauso gut wie die Fichte oder Tanne und ist widerstandsfähiger gegen Schädlinge. Der Baum ist viel länger vital und ist trocken- und frosttoleranter. „Wir geben diesen neuen Baumarten wie Atlas- oder Libanonzeder eine zweite Chance im Klimawandel. Wir helfen ihnen, im 21. Jahrhundert nicht auszusterben.“

Im Spitalwald hat die Anpflanzung gut geklappt. „Wir haben nach der ersten Vegetationsperiode einen Höhenzuwachs von rund 30 Zentimetern. Dieser Baum wird im nächsten Jahr rund 60 Zentimeter zuwachsen. Wir geben den Waldbesitzern damit wieder Hoffnung, wenn sie weiter ihre Wälder umbauen und stabilisieren“, stellte Dr. Muhidin Šeho abschließend fest.