Corona Cham
Impfung ab zwölf Jahren und Elternrecht

Was ist, wenn das Kind ab zwölf Jahren sich impfen lassen will und die Eltern anders denken? Ein Rechtsexperte klärt auf.

27.11.2021 | Stand 15.09.2023, 23:07 Uhr
Georg Kuchenreuter
Das Kind will eine mRNA-Impfung, der Vater ist auch dafür – doch die Mutter denkt anders: So ein Fall wurde kürzlich vor Gericht verhandelt. −Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Die Corona-Schutzimpfung ist ja für Jugendliche ab zwölf Jahren von der ständigen Impfkommission empfohlen. Kinder ab zwölf sind üblicherweise bereits selbst einwilligungsfähig. Es stellt sich deshalb die Frage, ob neben dem einwilligungsfähigen Kind auch die sorgeberechtigten Eltern der Schutzimpfung zustimmen müssen.

Das OLG Frankfurt am Main hat mit einer Entscheidung vom 17.08.2021, AZ: 6 UF 120/21 zu folgendem Sachverhalt Stellung genommen: Die voneinander geschiedenen Eltern, die das gemeinsame Sorgerecht für ihren 16-jährigen Sohn ausüben, streiten darüber, ob dieser gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden soll. Das im Haushalt der Mutter lebende Kind selbst möchte die Impfung. Der Kindesvater befürwortet die Impfung des noch minderjährigen Sohnes. Die Mutter war mit der Impfung nicht einverstanden.

mRNA-Impfung: Vater wirft Risiko eines schweren Verlaufs in den Raum, Mutter spricht von „Gentherapie“

Daraufhin hat der Vater beantragt, ihm die alleinige Befugnis zur Entscheidung über die Impfung seines Sohnes zu übertragen. Er hat dazu eine ärztliche Bescheinigung der Hausärztin beigefügt, nach der beim Sohn eine eindeutige medizinische Indikation für eine Imfpung mit einen mRNA-Impfstoff bestehe, um einen schweren Verlauf einer Covid-Erkrankung aufgrund der bestehenden Adipositas und rezidivierender depressiver Episoden zu vermeiden. Auch sei der Junge selbst voll entscheidungsfähig und könne die Tragweite einer solchen Erkrankung überblicken und wünsche auch selbst ausdrücklich die Impfung.

Die Mutter ist der Impfung ihres Sohnes entgegengetreten. Nach ihrer Einschätzung sei die Impfung mit dem Präparat von BioNTech-Pfizer eine „Gentherapie“. Es sei im Übrigen noch nicht hinreichend geklärt, ob der Sohn nicht bereits durch eine vorangegangene Infektion immunisiert worden sei. Auch sei eine Impfung deswegen nicht erforderlich, weil in der Gesellschaft Ende Juli 2021 bereits annähernd eine Herdenimmunität eingetreten sei.

Gericht übertrug Vater die Entscheidung über die Impfung

Das Gericht hat die Entscheidung über die Zustimmung zu einer Schutzimpfung gegen das CoronavirusSARS-CoV-2 für den Sohn vorläufig auf den Vater übertragen. Die von der Mutter hiergegen eingelegte Beschwerde hat das OLG Frankfurt zurückgewiesen. Dabei hat das OLG Frankfurt seine Entscheidung wie folgt begründet:

Das Amtsgericht hat zu Recht dem Vater gem. § 1628 Satz 1 und 2 BGB die Befugnis zur alleinigen Entscheidung über die Impfung des gemeinsamen Kindes gegen das CoronavirusSARS-2 übertragen. Zwar bedarf es in der Regel auch bei vorhandener Einwilligungsfähigkeit des Kindes in eine Corona-Schutzimpfung bei einem fast 16-jährigen Kind im Sinne des § 630 d BGB eines Co-Konsenses mit den sorgeberechtigten Eltern. Können diese sich allerdings in dieser Frage nicht einigen, ist eine Entscheidung nach § 1628 BGB herbeizuführen, die Entscheidungskompetenz ist dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird. Handelt es sich um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, so ist die Entscheidung zu Gunsten des Elternteils zu treffen, der im Hinblick auf die jeweilige Angelegenheit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt.

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„Alles, was Recht ist“ haben wir im Jahr 2017 wieder aufleben lassen – mit altbekannten und einigen neuen Autoren. Sie erscheint immer samstags im Landkreis-Teil. In einer Woche – in der Ausgabe vom 30. Mai – schreibt Rechtsanwalt Benedikt Kuchenreuter seinen nächsten Beitrag. Es geht um die neue Straßenverkehrsordnung. Danach werden Verstöße für Autofahrer teurer.Georg Kuchenreuter ist Anwalt in der Chamer Kanzlei am Steinmarkt, Kuchenreuter, Dr. Stangl, Alt PartGmbB.Kuchenreuter ist Fachanwalt für Familienrecht und Arbeitsrecht sowie Mediator. Vertiefende Informationen finden sich auf der Homepage der Kanzlei.Kanzlei am Steinmarkt, 93413 Cham, Telefon (0 99 71)8 54 00, E-Mail info@kanzlei-am-steinmarkt.de, Internetadresse www.kanzlei-am-steinmarkt.de

Impf-Empfehlung der STIKO gilt inzwischen unabhängig von Vorerkrankungen

Die Entscheidung über die Durchführung der Corona-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ist bei einer vorhandenen Empfehlung der Impfung durch die ständige Impfkommission (STIKO) und bei einem die Impfung befürwortenden Kindeswillen auf denjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung befürwortet.

Die Empfehlung der ständigen Impfkommission gilt zwischenzeitlich unabhängig von Vorerkrankungen und erhöhten Risiken für einen schweren Verlauf für Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren. Es ist daher davon auszugehen, dass bei einem Dissens der Eltern demjenigen Elternteil die Entscheidungsbefugnis übertragen werden wird, der die Impfung befürwortet.