Expertin aus Cham erklärt
Rechtsserie: Wer ein Erbe annimmt, erbt auch die Schulden

09.10.2022 | Stand 15.09.2023, 3:23 Uhr
Elke Kestler
Im deutschen Erbrecht gilt der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge. Der Erbe erhält also nicht nur das tatsächlich vorhandene Vermögen, sondern erbt auch die Schulden. −Foto: Silvia Marks/dpa

Mitunter kommt das Schreiben des Nachlassgerichts unerwartet, dass man als Erbe in Betracht kommt. Die erste Freude weicht oft schnell der ernüchternden Frage, was man denn eigentlich erbt. Eine Expertin aus Cham erklärt, dass man auch Schulden erben kann.



Nach Paragraf 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gilt im deutschen Erbrecht der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge. Damit geht beim Tod einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über. Der Erbe erhält also nicht nur das tatsächlich vorhandene Vermögen, sondern erbt sozusagen auch die Schulden.

Um zu ermitteln, welche Vermögenswerte im Nachlass vorhanden sind, bleibt dem Erben nur wenig Zeit. Spätestens sechs Wochen nach der Unterrichtung über sein Erbrecht muss der Erbe seine Ausschlagungserklärung beim zuständigen Nachlassgericht abgegeben haben, wenn er die Erbschaft nicht annimmt. Die Erklärung muss entweder von einem Notar beurkundet oder zu Protokoll des Nachlassgerichts abgegeben werden.

Ohne Vorlage keine Auskunft

Aber der Erbe steht noch vor einem anderen Problem: Ohne Vorlage eines Erbnachweises erhält er keine Auskunft von Banken oder Behörden. Beantragt er die Erteilung des Erbscheins, hat er damit die Erbschaft bereits angenommen. Dieser Umstand führt immer wieder dazu, dass Leute die Erbschaft ausschlagen aus Furcht davor, dass nach Begleichung der Schulden des Erblassers nichts mehr übrigbleibt oder der Erbe gar aus eigenem Vermögen noch Nachlassverbindlichkeiten begleichen muss.

Grundsätzlich haftet zwar der Erbe auch mit seinem privaten Vermögen für die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten. Allerdings hält das Gesetz eine Fülle von Möglichkeiten bereit, mit deren Hilfe der Erbe seine Haftung Nachlassgläubigern gegenüber beschränken kann.

Zumindest ist die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Erben ist erst möglich, wenn dieser die Erbschaft tatsächlich angenommen hat. Erst mit der Annahme der Erbschaft ist der Erbe also tatsächlich den Ansprüchen der Nachlassgläubiger ausgesetzt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Erbschaft durch ausdrückliche Erklärung, anmaßendes Handeln oder schlicht und einfach durch Verstreichenlassen der sechswöchigen Ausschlagungsfrist angenommen wurde.

Es gibt Abwehrinstrumente

Damit der Erbe nach der Annahme der Erbschaft zunächst einmal Zeit für eine Bestandsaufnahme hat, gewährt ihm das Gesetz die Möglichkeit, in den ersten drei Monaten nach der Annahme die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten zu verweigern.

Aber auch nach diesem Zeitraum ist der Erbe den Ansprüchen der Nachlassgläubiger nicht rechtelos ausgeliefert. Das Gesetz gibt dem Erben etliche Abwehrinstrumente an die Hand. Die Palette reicht von der Beschränkung der Haftung für das ererbte Vermögen bis hin zur Stellung eines Antrags auf Nachlassinsolvenz.

Welches gesetzlich vorgesehene Mittel der Haftungsbeschränkung im konkreten Fall das richtige ist, bestimmt sich nach den jeweiligen Umständen. Weitere Besonderheiten ergeben sich, wenn mehrere Personen geerbt haben, sie also eine Erbengemeinschaft bilden. Denn grundsätzlich haftet jeder Miterbe nur bis zum Wert seines Anteils am Nachlass.