Geschichte
Der Christkindlesmarkt nach dem Krieg

Vor 70 Jahren fand der erste Nürnberger Weihnachtsmarkt nach dem Krieg statt. Eine Fotoausstellung widmet sich dem Wunder.

08.12.2018 | Stand 16.09.2023, 5:51 Uhr

So sah der Christkindlesmarkt in Nürnberg nach dem Krieg aus. Foto: Stadtarchiv Nürnberg

Traurig scheint das Mondlicht auf die Trümmerlandschaft. Nur in den Holzhütten auf dem Hauptmarkt brennen ein paar Kerzenlichter. Staunend betrachten die Menschen den Christbaumschmuck und die Spielwaren, der in den Holzbuden ausgestellt wird. Rings um den Hauptmarkt liegt die Stadt in Trümmern. Nur noch Ruinen zeichnen sich dahinter als apokalyptische Silhouette auf den schwarz-weißen Fotos ab. „Der erste Christkindlesmarkt nach dem Krieg muss den Nürnbergern im Jahr 1948 tatsächlich wie ein Wunder vorgekommen sein“, erklärt Thomas Schauerte, Leiter des Stadtmuseums.

„Kerzenlicht im Trümmerhaufen“ heißt eine kleine, aber feine Fotoausstellung, die derzeit im Nürnberger Stadtmuseum „Fembo-Haus“ den ersten Christkindlesmarkt nach dem Krieg 1948 in eindrücklichen Aufnahmen auferstehen lässt.

521 Bomber zerstörten Altstadt

In Nürnberg richtete der alliierte Bombenangriff in den Abendstunden des2. Januar 1945 die größten Zerstörungen an. 521 Bomber brachten beinahe das traurige Kunststück fertig, die gesamte Altstadt vollständig in Schutt und Asche zu schießen. Die Zeit der Bombennächte greift die aktuelle Fotoausstellung im Stadtmuseum „Fembo-Haus“ in ihrem Begleitprogramm in spektakulärer Weise auf. In Kooperation mit dem „Förderverein Nürnberger Felsengänge“ werden Führungen durch den ehemaligen Obstmarktbunker hinter der Frauenkirche angeboten. Dabei werden auch die ersten Nachkriegsjahre thematisiert, als unter schwierigsten Bedingungen der allererste Christkindlesmarkt den Menschen wieder Hoffnung gab und Kerzenschein nicht mehr nur als Notbeleuchtung diente. Nach dem Krieg wurde aus dem Bunker unter dem Obstmarkt zeitweise das „Bunkerhotel“. Von 1948 bis 1951 beherbergte das „Bunkerhotel“ tatsächlich Gäste im Untergrund. Das lässt die große Wohnungsnot in dieser Zeit erahnen.

An die kahlen Bunkerwände ließ der Hotelbetreiber seinerzeit Abbildungen historischer Nürnberger Bauten malen, die im Bombenkrieg für immer untergegangen waren. Andere Baudenkmäler wurden über der Erde zum Staunen der Bevölkerung derweil langsam und mühevoll wieder aufgebaut. Mit Wintermärchen kennen sich die Nürnberger allerdings aus. Die Kinder sollen hier früher felsenfest daran geglaubt haben, dass sogar das Christkind seine Geschenke auf dem Christkindlesmarkt einkauft, berichten die Ausstellungsmacher und verweisen auf eine alte Stadtgeschichte aus dem Jahr 1697. Die genaue Entstehungszeit des Christkindlesmarktes lasse sich trotzdem nicht genau bestimmen. Sicher ist, dass Kaufleute und Handwerker schon in früheren Jahrhunderten ihren Waren zum „Kindleinsbescheren“ auf dem Hauptmarkt feilgeboten haben. Ganz sicher gibt es den Christkindlesmarkt seit 1628. Dies belegt eine Inschrift, die sich aktuell im Germanischen Nationalmuseum befindet.

„Bescheidene Umstände“

Die eindrucksvollen Fotos aus den Beständen des Nürnberger Stadtarchivs geben tiefe Einblicke in die Zeit des ersten Christkindlesmarkts nach dem Zweiten Weltkrieg. Laut den Ausstellungsmachern spiegeln die Bilder dessen „bescheidene Umstände auf berührende Weise“ wider. Umgeben von Ruinen konnten die Nürnberger am 4. Dezember 1948 auf dem Hauptmarkt ihr Glück sicherlich kaum fassen. Zum ersten Mal nach dem Krieg wurde der Nürnberger Christkindlesmarkt wieder eröffnet. Nach einem vollen Jahrzehnt kriegsbedingter Zwangspause erlebten die Nürnberger vor nunmehr 70 Jahren ihren Christkindlesmarkt in einer zerstörten Stadt.

Auf dem Markt gönnten sich die Menschen vielleicht eine Bratwurst. Oder tauschten die ersten Spielwaren für die Kinder nach dem Krieg gegen amerikanische Zigaretten. Die allermeisten Kinder dürften die friedliche „Stadt aus Holz und Tuch“ damals zum ersten Mal mit eigenen Augen und Ohren erlebt haben. Als erstes Christkind der Nachkriegszeit sprach die Schauspielerin Sophie Keeser den Prolog, der von Friedrich Bröger, dem Sohn des bekannten Nürnberger Dichters Karl Bröger, nach seiner Rückkehr aus britischer Kriegsgefangenschaft 1947 extra für den allerersten Christkindlesmarkt nach dem Krieg verfasst worden war.

Schneeflocken blieben dem ersten Christkindlesmarkt der Nachkriegszeit allerdings versagt. Der Dezember des Jahres 1948 war trotz aller Bitterkeit und Traurigkeit in der überlebenden Bevölkerung rein wettertechnisch relativ mild. Auf einen weißen Christkindlesmarkt warteten die Nürnberger jedenfalls vergeblich. Erst im Januar fielen die ersten Schneeflocken. Da waren die Holzbuden auf dem Hauptmarkt schon wieder verschwunden.

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