Gottesdienst
Das Motto ist: Wer’s glaubt wird selig

Der Apostel Thomas wird oft als „Ungläubiger“ bezeichnet. Doch gerade aus ihm zieht Abensbergs Pfarrer Birner Hoffnung.

18.04.2020 | Stand 12.10.2023, 10:19 Uhr
Georg Birner

Pfarrer Georg Birner entzündet die Osterkerze - sie zeigt symbolisch die Wundmale Jesu. FotoS: Dr. Rupert Hanrieder, Astrid Habel

„Im Alter wird der Glaube fest und die Zähne wacklig. Aber es stimmt nur das mit den Zähnen. Den Glauben gibt’s auch im Alter nur als halben.“ In der 3sat-Sendung „sonntags“ machte Ende März der fast 87-jährige Theologe Fulbert Steffensky mit einem Augenzwinkern diese Bemerkung – vielleicht auch aus der Erfahrung seines eigenen verschlungenen Lebensweges.

Und dann gibt er den alten Menschen und damit auch sich selber den folgenden Wunsch mit auf den Weg: „Was ich mir wünsche von den Alten für die Enkelkinder: Dass sie von sich etwas erzählen. Also von ihrem eigenen Leben, von den Gefahren des Lebens, von dem, was man falsch gemacht hat. Ich glaube, dass Hoffnung durch Erzählungen zustande kommt. Durch nicht in Büchern gelesene Erzählungen, sondern man sieht ein Gesicht dabei (…)“

Immer am 2. Ostersonntag dürfen wir im Evangelium in das „Gesicht“ eines der Apostel Jesu schauen, und mit diesem Apostel möchte ich über diese Gedanken von Fulbert Steffensky ins Gespräch kommen.

Es ist Thomas, der im Evangelium den Beinamen „Didymus“, das heißt übersetzt „Zwilling“, trägt, der aber vielen nur unter dem Namen „der ungläubige Thomas“ bekannt und als solcher sprichwörtlich geworden ist.

Auch die Welt ist verwundet

Für mich ist er in erster Linie ein Mensch, der mich in meiner Hoffnung und in meinen Glauben stärken kann. So wie es schon Papst Gregor der Große (+ 604) gesagt hat: „Der Unglaube des Thomas hilft uns mehr zum Glauben als der Glaube der gläubigen Jünger.“

Mit Thomas stelle ich mich vor die Figur des Auferstandenen und vor die Osterkerze in der Pfarrkirche St. Barbara in Abensberg: Der Auferstandene trägt die Wundmale und die Osterkerze die Nägel des Kreuzes. Das ist keine Nebensache! – Christus hat seine irdische Geschichte nicht abgestreift und wie ein altes Gewand in den Schrank gehängt. Was er erlebt und erlitten hat, steckt ihm in den Knochen. Das hat ihn gezeichnet, und das kennzeichnet ihn.

Das ist keine Nebensache! – Diese Kenn-Zeichen des Auferstandenen sagen uns: Gott geht an den menschlichen Wunden nicht vorbei! Er trägt sie selbst!

Davon wollte sich der Apostel Thomas überzeugen: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“ (Joh 20, 25) An den Wunden und an nichts anderem will er den Auferstandenen erkennen!

Gerade in diesen Wochen möchte ich auf diese Wundmale und die Nägel am Auferstandenen und an der Osterkerze nicht verzichten! Es ist bestimmt nicht übertrieben zu sagen: Die Welt ist verwundet! Kein Wunder, wenn wir darüber ins Zweifeln kommen und uns vergewissern müssen, wer unser Gott ist.

Deshalb hat Ulrich Schaffer in seinem Buch „Grundrechte des Christen“ ganz zu Recht geschrieben: ,Du hast das Recht zu zweifeln, zu verzagen, die Fassung zu verlieren. Es ist kein Zeichen von Stärke, immer stark zu sein. Es ist kein Zeichen von Schwäche, schwach zu sein. Vielleicht ist nur der Glaube des Zweifelnden ein lebendiger Glaube, weil er sich aussetzt. Wer sich nicht verunsichern lässt, lebt in einer Burg mit dicken Mauern. Aber das Leben erreicht ihn nicht und er erreicht das Leben nicht. – Weil du mitten im Leben stehst, hast du das Recht unsicher zu sein. Es spricht für dich, du bist im Werden. – Alle Antworten zu haben, heißt meistens Antworten zu haben, die zu keinen Fragen wirklich passen.“

An den Wunden Gott berühren

„Berühre die Wunden!“ rät darum auch Tomáš Halík, der tschechische Priester und aufmerksame Beobachter des heutigen Menschen. „Mein Gott ist der verwundete Gott. Ja, Wunden sind die „einzige Stelle, an denen der Suchende und der Zweifelnde wirklich Gott berühren kann …“

Und Papst Franziskus hat es bei der beeindruckenden Feier am 27. März auf dem menschenleeren Petersplatz in Rom so gesagt: „Der Anfang des Glaubens ist das Wissen, dass wir erlösungsbedürftig sind.“

Nicht von ungefähr sind es die Wunden Jesu, auf die Thomas seinen Finger legt. Sie gehen tief. Sie einfach auszublenden bringt den Glauben in die Gefahr, flach und oberflächlich zu werden. An Wunden – da kann ein Mensch an Gott irre werden: Warum, Gott? Warum das alles?

Aber unser Gott geht an den offenen Wunden nicht vorbei, er trägt sie selbst. Und er hat die Kraft, sie zu verwandeln. Daran ist er zu erkennen. Wenn selbst der Auferstandene von den Wunden des Leidens und des Todes gezeichnet ist, dann ist seinem Gott wirklich zu trauen.

Osterkerze:Symbole: Thomas-Messe:Thomas-Christen:Evangelium des 2. Ostersonntags:
Die „klassische“ Osterkerze ist mit einem Kreuz, fünf Nägeln, den beiden griechischen Buchstaben Alpha und Omega sowie der Jahreszahl verziert. Die Osterkerze wird zu Beginn der Feier der Osternacht am Osterfeuer mit den Worten entzündet: „Christus ist glorreich auferstanden vom Tod. Sein Licht vertreibe das Dunkel der Herzen.“Der Brauch der Osterkerze lässt sich bis ins 4. Jahrhundert zurückverfolgen.In unserer Zeit finden sich auch andere Symbole auf den Osterkerzen, die im Bezug zum Hauptfest des Christentums stehen.Ende der 1980er Jahre hat sich von Finnland ausgehend eine neue Gottesdienstform entwickelt, die vor allem suchende und fragende, im Glaubende zweifelnde Menschen ansprechen will.Der Apostel Thomas hat der Überlieferung nach in Indien missioniert, weshalb die alten christlichen Kirchen Indiens ihn bis heute als ihren Gründer verehren und deshalb Thomas-Christen genannt werden.Joh 20, 19-31

Wenn mit Ostern nicht alles Leiden weggewischt ist, so, als wäre es nie geschehen, dann nimmt Gott auch meine eigenen Wunden ernst. Dann meint ‚Auferstehung‘ nicht, dass die Spuren, die mir das Leben eingegraben hat, wie von Zauberhand verschwinden, sondern dass sie zu mir gehören, weil sie mein Leben erzählen, meine Geschichte. (…) Am Ende schaut Thomas nicht nur die Wunden; an ihnen, ja, in ihnen geht’s ihm auf: Mein Herr und mein Gott! (Joh 20,28)

Wissen Sie übrigens, was Fulbert Steffensky in der erwähnten Sendung noch gesagt hat?

„Ich gehe gerne in die Kirche und denke immer daran, wer vor mir gebetet, wer vor mir geweint, wer vor mir geglaubt hat (…), und ich schlüpfe sozusagen mit meiner Wenigkeit in ihren Glauben und ihre Zuversicht. Und das ist etwas Schönes!“

Es ist deshalb auch schön, dass der Apostel Thomas mit seinem Fragen und Ringen im Evangelium nicht unter den Teppich gekehrt wird. Er ist im Sinn von Fulbert Steffensky ‚einer vor mir“! Wir dürfen mit unserer Wenigkeit in seinen Glauben hineinschlüpfen, der mit Sicherheit kein „halber“ Glaube war.

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