Film Er schrieb mit der Kamera Geschichte
Heinrich Walling hatte schon Promis wie Bill Clinton vor der Linse. Heute ist der Christ für Bad Abbach unterwegs.

Bad Abbach.„Alles, was in unserer Hemisphäre passiert ist und was die USA interessiert hat“ – das war das Kriterium dafür, dass in Bad Abbach das Telefon klingelte und sich Heinrich Walling auf den Weg machte, um mit der Filmkamera festzuhalten, was an Geschichte geschrieben wurde. Sein Arbeitgeber war die amerikanische NBC. Jetzt ist er nur noch für Bad Abbach unterwegs.

Zeitzeugen, das sind Menschen, die den einen oder anderen Abschnitt wichtiger Ereignisse selbst miterlebt haben und darüber berichten können. Heinrich Walling ist ein Zeitzeuge, der ganze Bände füllen könnte mit den vielen Ereignissen, die in der Geschichte verschiedenster Staaten das Etikett „historisch“ verliehen bekamen.
Mit Willy Brandt in Moskau
Genau 50 Jahre ist seine erste Reise her. Mit Willy Brandt war er damals als Tontechniker in Moskau. Als der deutsche Bundeskanzler 1970 den Moskauer Vertrag unterzeichnete, hatte Walling Geburtstag; 20 wurde er und die Reise mit Brandt war sein erster derartiger Job. Natürlich erinnert er sich noch genau daran: „Das war exotisch, dahin zu fliegen.“ Als Kameramann hat er auch einen der berühmtesten Sätze der deutschen Geschichte festgehalten: „Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich.“ Diese Aussage von SED-Politbüromitglied Günter Schabowski fiel auf einer Pressekonferenz am 9. November 1989. Eine höchst langweilige Pressekonferenz sei das gewesen, erinnert sich der Kameramann.
Bis zu jenem Moment, als ein italienischer Reporter gefragt habe, wann das in Kraft trete und Schabowskis Worte den Fall der Berliner Mauer einläuteten.

Walling hat die Stimmung am Brandenburger Tor miterlebt, als Deutschland sich anschickte, wieder ein Staat zu werden. Die Jahre 1989 und 1990 hat er fast nur in Berlin verbracht. „Jeden Tag gab es neue Entwicklungen.“
Er war bei der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran mit der Kamera dabei, und er war auch dort, wo es gefährlich wurde. Zum Beispiel als Kriegsberichterstatter in Bosnien. Gern hat er das nicht gemacht, aber „das gehört zum Job“. Distanz zu halten sei da sehr schwierig gewesen, erzählt Heinrich Walling.
Einsätze dieser Art waren aber nicht nur emotional fordern, sie waren auch riskant. Deshalb ist da eine sehr große Dankbarkeit für die schlichte Tatsache, dass er diesen Job überlebt hat. „Ich habe sehr viel Glück gehabt“, sagt er rückblickend. Es gab andere, die sind bei ihrem ersten Einsatz als Reporter ums Leben gekommen. Seit einem Arbeitsunfall in Italien vor neun Jahren hat er den Beruf an den Nagel gehängt.

Eigentlich mag der vierfache Vater gar nicht mehr so viel über diese Zeiten reden. Das ist vorbei, ist Vergangenheit und lange her. Heute ist er mit seiner Kamera in anderer Mission unterwegs.
Heinrich Walling ist ein gläubiger Mensch. Und es ist der Glaube, der ihm sehr geholfen hat in seinem Beruf, betont er. Heute hat er die Zeit, diesen Glauben in seiner Pfarrgemeinde auch aktiv zu leben, mitzuarbeiten und mit Hilfe der Kamera gemeindliches Leben nach außen zu tragen.
Ein „Geschenk Gottes“ nennt ihn Pfarrer Anton Dinzinger von der Bad Abbacher Pfarrei St. Nikolaus deshalb auch. Walling winkt ab, aber der Pfarrer lässt da nicht mit sich handeln: „Ich hab marode Gebäude, aber Schätze als Menschen.“ Die vielen Video-Aufnahmen sind über die Homepage der Pfarrei abzurufen (http://www.st-nikolaus-pfarrei.de/). Sie sind Corona zu verdanken. Schon zu Beginn des ersten Lockdowns begann Pfarrer Dinzinger, die Menschen über den Bildschirm anzusprechen. Der erste Gottesdienst kam per Video ins Netz. Dann weitete Dinzinger die Aufnahmen auf kleine Filme für Kinder aus, in denen er Geschichten rund um biblische Gestalten erzählt. Auch die Jüngsten sollten damit ein passendes religionspädagogisches Angebot erhalten.
Gipfelstürmer vor der Kamera
Gleich nach der Kommunalwahl nahm dann ein neues Video-Projekt Gestalt an: die „Gipfeltreffen“. Die Leute haben einen neuen Gemeinderat gewählt und nun bekommen sie wegen des Lockdowns nichts mit von den Gewählten, dachte sich der Pfarrer und lud alle Gemeinderäte samt Bürgermeister nach und nach ein, mit ihm auf den Burgberg zu steigen und dabei über Gott und die Welt zu plaudern.

Immer dabei Heinrich Walling, der sämtliche Gespräche mit der Kamera festhielt und dann für ein Video bearbeitete. Die jeweiligen Gipfelstürmer sind ja nicht unbedingt Kamera erfahren. Aber schon bald schienen sie vergessen zu haben, dass Walling dabei war und sie unterhielten sich ganz unbefangen mit Pfarrer Dinzinger. Mittlerweile sind alle Gemeinderäte interviewt und Dinzinger hat die Serie erweitert. Nun nimmt er bekannte Bad Abbacher aus dem öffentlichen Leben mit auf den Berg.
Wegen des Titels für seine Serie habe er übrigens beim Bayerischen Rundfunk nachgefragt, der ja das Original sendet, versichert der Pfarrer. Es kamen aber keine Einwände und die Bad Abbacher „Gipfeltreffen“ erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit.
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