Organspende
Erlösung nach zehn Jahren: „Wir haben eine Niere für Sie“

06.06.2022 | Stand 15.09.2023, 4:56 Uhr
Von seinen Leben vor und nach der Nierentransplantation berichtet Matthias Widmann. −Foto: Sonnenmoser

„Mir geht es perfekt. Ja, echt super“, sagt Matthias Widmann mit einem breiten Lachen im Gesicht. Er sitzt bei bestem Wetter auf der Terrasse vor seinem neuen Haus in Neustadt.

Seine fast dreijährige Tochter Laura wuselt um ihn und seine Frau Christina herum. Dass es ihm jetzt so gut geht, und er ohne große Einschränkungen sein Leben genießen kann, wurde erst durch ein Ereignis vor fünf Jahren möglich: Nach langer Wartezeit bekam er eine Spenderniere. Zum Tag der Organspende erzählt er seine Geschichte und zeigt damit, wie wichtig das Thema Organspende ist.

Matthias Widmann ist 23 Jahre alt und feiert gerade ausgelassen auf dem Musikfestival Rock im Park, als sein unbeschwertes Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt wird. Er merkt, dass er nur noch unscharf sehen kann und sich nicht besonders gut fühlt. Er geht zu einer Augenärztin, die schickt in sofort in die Klinik. Nach der Blutuntersuchung steht fest: Er hat die Nierenkrankheit IgA-Nephritis. Diese hatte bereits eine chronische Niereninsuffizienz ausgelöst. Widmann wird sofort zur Dialyse geschickt. Seit der Diagnose steht er auch auf der Warteliste für eine Spenderniere – es wird genau zehn Jahre dauern, bis der erlösende Anruf kommt.

Während dieser zehn Jahre versucht Widmann, so normal wie möglich weiterzuleben. Er ist gelernter Chemikant und arbeitet in der nahe gelegenen Raffinerie – Dreischicht in der Produktion. Auch mit der Niereninsuffizienz macht er zunächst damit weiter, er wechselt lediglich von der Produktion zur Messwarte. Möglich ist dies, weil er am Anfang das Verfahren der Bauchfell-Dialyse für seine Therapie nutzen kann. Diese ist zuhause oder bei der Arbeit möglich und man muss nicht wie bei der Hämodialyse zu festen Terminen in die Klinik.

Sein Arbeitgeber habe ihn unterstützt und Räumlichkeiten für seine Therapie bereitgestellt, sagt Widmann. Denn er muss alle vier Stunden einen Flüssigkeitswechsel vornehmen. Nach fünf Jahren kann er aber mit der Bauchfell-Dialyse nicht mehr weitermachen, da es trotz großer Vorsicht zu einer Infektion gekommen ist. Es folgen weitere fünf Jahre bei der Hämodialyse, die er über Nacht im Nierenzentrum in Ingolstadt machen kann. Das habe es ihm ermöglicht, weiter zur Arbeit zu gehen, nur den Schichtdienst habe er aufgeben müssen. Doch mit der Blutwäsche werden die Nebenwirkungen schlimmer. Widmann darf, wie bei der Hämodialyse üblich, nur wenig trinken, hat öfter mit Kreislaufproblemen zu kämpfen und fühlt sich „angeschlagen“.

An den 29. Juni 2017, also fast genau zehn Jahre nach der Diagnose seiner Niereninsuffizienz, kann sich Widmann noch ganz genau erinnern. Er ist auf der Geburtstagsfeier seines Schwagers, als um 22.45 Uhr sein Handy klingelt. Auf dem Display leuchtet ihm das Wort Transplantationszentrum entgegen. „Da habe ich eigentlich schon gewusst: Jetzt ist es so weit.“ Und tatsächlich fallen die erlösenden Worte: „Herr Widmann, wir haben eine Niere für Sie.“ Dann geht alles schnell. Er fährt noch in der Nacht ins Transplantationszentrum der Uniklinik Regensburg, und bereits am nächsten Morgen wird ihm seine neue Niere transplantiert.

Angst, dass sein Körper das Organ abstoßen könnte, habe er keine gehabt. „Ich hab mir da irgendwie keine Gedanken gemacht. Ich habe es einfach auf mich zukommen lassen. Nein, an so was verschwende ich keine Gedanken.“ Direkt nach der Operation habe die Niere eine Woche gebraucht, bis sie richtig gearbeitet habe. Das sei bei der Niere eines Toten aber nichts Ungewöhnliches. Danach ging es ihm schnell besser. Heute habe er kaum Einschränkungen, mit seinen Medikamenten, den Immunsuppressiva, kommt er gut zurecht. Für ihn steht heute nur noch alle acht Wochen ein Kontrolltermin bei seinem Nephrologen Friedrich Lazarus am Klinikum in Ingolstadt an.

Zur Organspende-Bereitschaft in Deutschland und die gesetzlichen Regelung sagt Widmann: „Als Betroffener würde ich so eine Widerspruchsregelung, wie sie sie zum Beispiel in Österreich, Spanien oder den Niederlanden haben, natürlich befürworten.“ Diese sieht vor, dass einem Verstorbenen Organe entnommen werden können, wenn die Person zu Lebzeiten nicht widersprochen hat.

Widmann denkt, dass ein offener Umgang mit dem Thema Organspende sehr wichtig ist. Viele Menschen, die ihn kennen, sowohl in der Familie als auch im Bekanntenkreis, hätten durch die Beschäftigung mit der Thematik eine andere Sicht auf die Organspende entwickelt. Und einige davon hätten sich dann auch aktiv dafür entschieden, Organspender zu sein. Deshalb ist es Matthias Widmann wichtig, mit seiner Krankheit und seiner Transplantation offen umzugehen.

− DK