Sammelleidenschaft
Fotorstreifzug im Friedhof der Traktoren

Die Brüder Dietrich aus Neustadt horten seit Jahrzehnten Traktoren, Dreschwagen und Co. Jetzt gibt es eine Fotoausstellung.

21.08.2018 | Stand 16.09.2023, 6:06 Uhr
Margot Kirzinger

Was einst auf den Bauernhöfen zwischen Ingolstadt und Kelheim an Landmaschinen im Einsatz war, hat bei Karl und Jakob Dietrich eine neue Heimstatt gefunden. Foto: Kirzinger

Die Gebrüder Karl und Jakob Dietrich waren schon ziemlich überrascht, als 2016 plötzlich bei ihnen das Telefon klingelte und sich eine Fotografin aus Ingolstadt für ihr „Geraffel“ auf dem alten Firmengelände interessierte. So manchem Neustädter ist der „Schrott“ dort ein Dorn im Auge und nicht selten haben die Gebrüder den Satz gehört: „Des Glump do gherad a amoi weg“.

Wer aber, wie die Fotografin Gabriele Neumaier, einmal die drei Hallen dort betreten hat, wird den „Schrottplatz“ danach mit ganz anderen Augen sehen. Man ist überwältigt und verfällt in unglaubliches Staunen beim Anblick der einmaligen Sammlung an landwirtschaftlichen Gefährten und Geräten. Hier ist aufbewahrt, was einst auf den Bauernhöfen zwischen Ingolstadt und Kelheim an Landmaschinen im Einsatz war, vornehmlich in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg.

Mehr als hundert Traktoren, Dutzende von Mähdreschern, Dreschwagen, Motoren und landwirtschaftliche Geräte und Maschinen aller Art stehen so eng aneinandergereiht in den Hallen, dass an vielen Stellen gar kein Durchkommen ist. Man ist kaum in der Lage, sich hier einen Überblick zu verschaffen.

Eine Rechnung ging nicht auf

Karl und Jakob wissen allerdings genau, wo jedes einzelne Stück herstammt und können so manche Geschichten dazu erzählen. „Angefangen hat das Ganze mit einer Dreschmaschine von der Genossenschaft im benachbarten Pförring“, sagen Jakob und Karl und erinnern sich mit einem Leuchten in den Augen an die Geburtsstunde ihrer gigantischen Sammlung zurück.

Man hatte die Dreschmaschine um 1960 übernommen, weil sie technisch „auf der Höhe der Zeit“ war und hoffte, sie zu einem guten Preis weiter verkaufen zu können. Es war früher so üblich, dass man bei einem Neukauf den „Gebrauchten“ drangegeben hat, wenn dafür keine Weiternutzung im Raum stand und die Geldmittel knapp waren. Eine neue Maschine wurde in der Regel nicht angeschafft, weil das Gerät irreparabel defekt war, sondern weil man dem technischen Fortschritt folgen wollte.

Aber die Rechnung der Dietrichs ging nicht auf. Denn plötzlich war der Mähdrescher da, mit einem so durschlagenden Erfolg, wie man es nicht für möglich gehalten hatte. So wurde die Dreschmaschine aus Pförring zum Ladenhüter, den keiner mehr haben wollte. Das gute Stück zu verschrotten, brachten die Dietrich Brüder nicht übers Herz.

„Angefangen hat alles mit der Dreschmaschine von der Genossenschaft in Pförring.“Jakob Dietrich

Anstatt die Maschine mit Benzin zu übergießen und anzuzünden, wie es früher üblich war, um das Alteisen zu gewinnen, stellten sie diese in ihre Halle. Sie wollten sie als Kulturgut für spätere Generationen aufheben.

Das Schicksal der Dreschmaschine hatte ihnen vor Augen geführt, wie gestern noch hochmoderne Landtechnik morgen schon beim Alteisen landen konnte. Und so nahm die Sammelleidenschaft ihren Lauf.

Wenn der Betrieb beim Verkauf eines neuen Schleppers einen „Alten“ in Zahlung nahm, und dieser Alte nicht mehr als „Gebrauchter“ verkäuflich war, wurde er nicht verschrottet, sondern kam in die Sammlung. Mit ganz wenigen Ausnahmen wurde ein Traktor nach dem anderen, gänzlich unverändert, mit allen Spuren eines langen und harten Arbeitslebens in den Hallen Rad an Rad abgestellt. Nichts wurde um ein Ersatzteil ergänzt oder hat je einen Neuanstrich erfahren.

„Der Rost ist wie ein Geschwür, der alles befällt.“Karl Dietrich

Leider hat sich der Zustand der Maschinen im Laufe der Jahrzehnte zusehends verschlechtert. Die Farbe blättert langsam ab und der Rost macht vor keinem Schlepper halt. „Er ist wie ein Geschwür, der alles befällt“, sagt Karl. Die Natur bahnt sich ihren Weg durch die einzelnen Hallen. Da wachsen mittendrin kleine Bäume aus den Ritzen und einige Vögel nutzen einen Traktor schon mal als Nistplatz. Sehr bedauerlich sei es, dass ein paar ungebetene Besucher ihre Sammlung als Ersatzteillager angesehen hätten. „Die haben einfach die Lichtmaschinen und Scheinwerfer rausgestohlen“, erzählt Karl wehmütig und enttäuscht beim Anblick der fehlenden Teile.

Mehr Bilder von der aktuellen Ausstellung und dem Anwesen Dietrich gibt es in unserer Bildergalerie:

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Obwohl viele sagen, „ihr habt ja alle einen Tick, das Zeug da gehört auf den Schrottplatz und nicht da her“, bereuen sie nicht ihrer Sammelleidenschaft gefrönt zu haben. Besonders stolz sind die beiden auf einen alten Dreschwagen, der noch aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammt. „Das glaubt uns immer keiner, dass wir so etwas Altes von ideellem Wert da drin haben“, gestehen Karl und Jakob mit einem Schmunzeln.

Die „alte Wäscherei“ aus dem Neustädter Krankenhaus, ein uralter Unimog und eine antike Windmühle gehören ebenfalls zu ihren „Schätzen“. Sie lagern zwischen den unzähligen Holzpflügen, Schlitten und Rechen, die man wohl so heute gar nicht mehr findet.

Schönheit von verbeultem Blech

Die Sammlung im jetzigen Zustand öffentlich zugänglich zu machen, wo kaum ein Durchkommen ist und auf privatem Gelände, dürfte schwierig sein. Aber in Fotografien kann man den Liebhabern historischer Landtechnik einen Zugang zu diesem in seiner Art einmaligen Fundus verschaffen.

Gabriele Neumaier hat es im Auftrag des Bauerngerätemuseums Hundszell übernommen, die Sammlung der Dietrichs mit den Augen einer Künstlerin im Bild zu verewigen. In ihren Bildern voller Sympathie erweckt sie die stillgelegten Schlepper zum Leben und lenkt den Blick auf die Schönheit von verrostetem, verbeultem Blech.

Ihre Bilderausstellung „Friedhof der Traktoren“ ist noch bis zum 31. Oktober im Museum in Hundszell zu sehen. Der Museumsleiter Maximilian Böhm hofft, damit das Interesse an einem Erhalt der Sammlung zu wecken und zu fördern.