Europawahl
Ganz Europa blickt nach Wildenberg

Knapp 60 Pressevertreter sind bei der Stimmabgabe von Manfred Weber dabei – das wird manchem Wildenberger zu viel.

26.05.2019 | Stand 16.09.2023, 5:43 Uhr

Manfred Weber gibt am Sonntagvormittag seine Stimme in seinem Heimatort Wildenberg ab. Der Medienauflauf ist groß. Foto: Neumaier

Der Parkplatz vor der Gemeindekanzlei in Wildenberg ist zwar brechend voll, im Wahllokal selbst jedoch um 10.45 Uhr beinahe gähnende Leere. Nur vereinzelt finden die Wildenberger zu diesem Zeitpunkt den Weg an die Wahlurne – aber die, die kommen, staunen nicht schlecht. Denn sie blicken in eine Wand aus Kameras, Fotoapparaten und Mikrofonen.

Reporter, Fotografen oder Kameramänner von TV- und Radiosendern aus dem In- und Ausland, regionalen und überregionalen Zeitungen, Online-Medien oder Agenturen haben sich vor und im Wahllokal in Stellung gebracht – 110 Medienvertreter hatten sich im Vorfeld angekündigt, etwa 60 sind nach Wildenberg gekommen. Sie alle warten auf einen Mann: Manfred Weber – den wohl kommenden EU-Kommissionspräsidenten.

Und der Spitzenkandidat der Union lässt die versammelte Journalistenschar warten. Für 11 Uhr ist seine Stimmabgabe angekündigt, um 11.09 Uhr schreitet der eventuell bald mächtigste Mann Europas dann gemessenen Schrittes die Treppe von der Kirche zur Gemeindekanzlei hinab. Die Kameramänner werfen sich ins Getümmel, die Fotoapparate rattern. Jeder Schritt Webers und seiner Frau Andrea wird dokumentiert.

Aus sicherer Entfernung

Ein paar Einheimische verfolgten das Geschehen aus sicherer Entfernung. „Sonst kommen wir ja womöglich noch im Fernsehen“, sagte ein älterer Herr. „Das fehlt mir grade noch. Das soll der Mane machen. Das reicht.“

Überhaupt sind die Wildenberger und Pürkwanger recht zurückhaltend. Die meisten blocken Anfragen von Fernsehteams, Radio- oder Zeitungsreportern ab. Oder machen, ob der gut sichtbaren Medienmeute gleich wieder kehrt, um lieber zu späterer Stunde zum Wahllokal zurückzukehren. „Da geh’ ich lieber erstmal zum Wirt“, sagt ein Mann mittleren Alters lautstark in Richtung der Pressevertreter, macht auf dem Absatz kehrt und fügt schon abgewandt hinzu: „Jetzt wird’s Zeit, dass de Sach’ mal wieder a End hat.“

Die Wildenberger sind zwar stolz auf Weber, ihren Manfred, doch den Medienrummel sind sie satt. Seit der 46-jährige CSU-Politiker beim Kongress der Europäischen Volksparteien (EVP) am 8. November 2018 zu deren Spitzenkandidaten für die Europawahl gekürt wurde, ist das Medieninteresse am 1350-Einwohner-Örtchen groß.

In Europa mächtig, daheim der „Mamfred“

Seit nun sechs Monaten durchstreifen Reporter den Ort – ständig auf der Suche nach Protagonisten, die etwas zu Weber zu erzählen haben. Die ehemalige Kindergärtnerin oder Lehrer, der Lieblingsmetzger oder Bäcker, der Dorfwirt, der politische Ziehvater, Kumpels aus Jugendzeiten und, und, und.

So sehen die Wildenberger Manfred Weber:

Auch an diesem Sonntag sieht man Kamerateams das Ortsschild oder den Maibaum filmen, idyllische Aufnahmen vom Schloss drehen oder vor der Dorfwirtschaft Stellung beziehen. Die Einheimischen wechseln dann schon die Straßenseite – kopfschüttelnd. Selbst Bürgermeisterin Marion Schwenzl verzichtet am Sonntagvormittag auf ein Statement vor den Kameras. Sie alle können den Hype zwar verstehen, sind aber wohl auch froh, wenn er wieder vorbei ist. So zumindest entnimmt man es Gesprächen im Dorfwirtshaus, wo Manfred Weber – neben dem 3:0-Sieg der Bayern am Vorabend im DFB-Pokalfinale gegen Leipzig – das Hauptthema ist.

Die Stimmabgabe Manfred Webers in Bildern:

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„Habt’s gseng, da waren bestimmt hundert Kameras oben gstanden. Sogar in der Kirch’ waren ein paar drin. Jetzt langt’s wieder“, wirft jemand am Stammtisch in die Runde. „Aber der Manfred hod des vor de Kameras richtig guat g’macht. I hobn a gwählt.“

Gefühlte 100 Prozent für Weber

Das hat gefühlt jeder Wildenberger: „An Mane halt“, „Ja, den Weber Manfred“, oder „An Weber-Buam – wen sonst“, äußern sich viele Wähler gegenüber der Mittelbayerischen. Ganz so viele waren es dann doch nicht. 74,03 Prozent für die CSU in Manfred Webers Heimatort - dieses Ergebnis wird Kreiswahlleiterin Astrid Heuberger am Abend verkünden. Nur in der Nachbargemeinde Kirchdorf gibt es noch mehr CSU oder Weber-Fans. Dort holen die Christsozialen 75,61 Prozent der Stimmen.

Nur ein paar Wildenberger Wähler verweigern dem Reporter die Aussage – ob sie ihrem Manfred untreu waren oder nur das Wahlgeheimnis wahren wollen?

Weber selbst tritt dann, nachdem er seelenruhig seine Stimme abgegeben hat – live von zig Kameras ausgestrahlt – an die Mikrofone. „Das Wichtigste ist, dass die Menschen zur Wahl gehen, um über die Zukunft Europas mitzuentscheiden“. Die liegt, geht man nach Weber, in der Hand der EVP: „Unser Ziel ist, wieder stärkste Partei im EU-Parlament zu werden.“ Damit läge die Zukunft Europas zum Großteil auch in Webers Händen. Ein Umstand, dem die Wildenberger – trotz eines weiteren drohenden Medienhypes – doch wohl etwas abgewinnen können. Zumindest schallt es während der TV-Übertragung lautstark vom Parkplatz herüber: „Manfred for President!“

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