MZ-Themenwoche
Klingeling! Auf Hausbesuch

Nur noch Toskanahäuser im Kreis Kelheim? Zwischen Riedenburg und Wildenberg gibt’s mehr. Vier Familien öffneten uns die Tür.

07.06.2018 | Stand 16.09.2023, 6:09 Uhr

Roland Überall mit seiner zweijährigen Tochter Lena vor seinem Jurahaus in Riedenburg Foto: Weigert

Vier Familien in Riedenburg, Abensberg und Wildenberg verrieten unserem Medienhaus, wie sie leben. A la „anno dazumal“, besonders ökologisch, top modern oder mit vier Generationen unter einem Dach. Vier Familien – viermal ganz anders glücklich. Wir stellen vor ein Jurahaus von 1843, ein Voll-Holzhaus, eine „Villa Kunterbunt“ und eine neue Bauträger-Wohnung mit persönlicher Note.

Roland Überall steht auf „alt“

Die größte Überraschung ist die Fußbodenheizung. Sie ist das einzig Moderne in Roland Überalls Jurahaus. Den Rest hat der gebürtige Ingolstädter detailgetreu saniert. Nicht nur Dielenbretter, Lampen oder die Eckbank in der Küche sind alt. Auch wenn er alle zwei Wochen sonntags seine Familie mit Schweinebraten bekocht, sind Bratreine und Co. ebenfalls alt. Eine Mikrowelle oder ein Thermomix käme ihm hier nicht herein, sagt der 50-Jährige.

Inzwischen kann er die Zeit in dem kleinen Riedenburger Haus mit dem markanten Schieferdach aus dem Jahr 1843 genießen. Bevor es so weit war, verbrachte er über viele Jahre jede freie Minute auf der Baustelle. Die ersten 14 Monate hauste Roland Überall nebenan im Wohnwagen. Hauptsanierungsphase war 2007 bis 2010. Streng genommen dauerte es bis 2012, bis auch außen rum, alles so war, dass er zufrieden war. Er stemmte so gut wie alles alleine, ohne Baufirmen.

Mehr Bilder von Roland Überalls Jurahaus sehen Sie in unserer Bildergalerie:

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2006 hatte er im Netz Immobilien-Anzeigen durchforstet. Kurz nach der Scheidung brauchte er ein neues Zuhause. Als er das Riedenburger Jurahaus mit Stallung und Bauerngarten entdeckte, „war es Liebe auf den ersten Blick“. Und die merkt man ihm immer noch an, wenn er über sein Haus spricht: Allein die Dachform sei „einmalig schön“.

Überall war nicht ahnungslos. Zuvor hatte er bereits zwei neue Häuser auf „alt“ gemacht. Dieses war alt und sollte es von der Optik her auch bleiben. Keiner hätte ihn von den Plan abhalten können, sagt er. Der gelernte Maschinenschlosser ist handwerklich geschickt. Und: Er war Feuer und Flamme für sein Jurahaus. Weil er in der Zeit auch gerade allein war, musste er keine Kompromisse eingehen. Alles konnte so werden, wie er es wollte.

In einem Video spricht Roland Überall über sein Haus.

Zunächst mussten alle Bausünden raus. Ein paar Mauern auch. Denn er wollte alles so original und regional wie möglich gestalten. So standen unzählige Fahrten über Land an. Überall organisierte sich so viele alte Materialien, wie er nur konnte. Aus alten „versifften“ Häusern, alten Stadeln der Region. Dann hieß es das Holz im Sägewerk erst einmal erhitzen, um den Holzwurm zu vertreiben. „Das war die schlimmste Arbeit.“ Obwohl – wenn er sich erinnert, wie eines Tages nach einem „brutalen“ Regen, das Wasser über den Fels hinten ins Haus lief, war das das Schlimmste, was er je „repariert“ hat. Gemeint ist monatelanges Graben, weil der Feuchtigkeit mit keinem Gerät sonst beizukommen war.

Heute ist er stolz auf sein Haus. Doch so viel Arbeit gehe auch an die Substanz, sagt er. Und mittlerweile hat sich noch etwas verändert. Er ist neu und glücklich liiert. Für alle ist das Jurahaus zu klein. Nur am Wochenende sind sie da. Roland Überall hat einen neuen Traum. Eine große Halle mit Werkstatt. Das wär’s. Denn er steht nicht nur auf alte Häuser, er besitzt auch einige Oldtimer. Vielleicht kann er auch nicht ohne ein neues Projekt – alle zehn Jahre. Wenn ihm einer sein altes Schmuckstück abkaufte, wäre er bereit...

Christine Beis mag es „grün“

Auf den ersten Blick sieht man nicht, dass Christine Beis und ihre Familie in einem Holzhaus leben. Es ist außen verputzt. Die massive Holzbauweise wird erst innen sichtbar. An Türstöcken und unverputzten Wänden. (Fichten-)Holz ist hier nicht Deko, sondern elementarer Baustoff. Seit 2008 lebt die 56-Jährige hier am Rande der Abensberger Altstadt. Mit ihrem Mann und den drei Kindern. Zu Großmutters Zeiten war das Grundstück ein Spargelacker vor den Toren der Stadt. Heute liegt es mittendrin. Holz als Baustoff war ihnen wichtig, aber eigentlich ist das nur ein Aspekt von vielen. Ihre ganze Lebenseinstellung sei ökologisch, sagt Beis.

Sie legt Wert darauf, möglichst nachhaltig zu leben. Nachfolgenden Generationen will sie nicht mehr Müll als nötig hinterlassen. Da war es nur folgerichtig, dass das Haus der Familie keine schwer trennbare Problemmüll-Kombi werden sollte.

Mehr Bilder vom Holzhaus der Familie Beis in Abensberg sehen Sie hier.

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Der Gedanke setzt sich in der Einrichtung fort. Der Großteil der Möbel stammt nicht aus dem Einrichtungshaus. Die Familie nutzt lieber Vollholz-Stühle, Betten oder Kanapees „mit Geschichte“. In dem Bett von Christine Beis und ihrem Mann haben schon ihre Großeltern geschlafen. Der Schreiner musste es nur ein wenig verlängern, damit moderne Matratzen hineinpassten. In der Küche leistet Oma Karolinas Büffetschrank gute Dienste und gleich daneben, kann sich der Besucher am Esstisch auf einem der Reiterstühle niederlassen. Damit bezahlte ein Wirt einst Opa Richard. Der war Bierfahrer und der Wirt gerade nicht flüssig. Auch dem früheren Schild des Siegenburger Schleckermarkts hat die 56-jährige eine neue Bestimmung gegeben. Drei Buchstaben wurden abgetrennt. Jetzt signalisiert der Schriftzug, wie das Essen im Hause mundet.

Kreative Ideen braucht man für eine schöne Deko, nicht immer neues Zeugs, das bald wieder entsorgt werden muss, weil die nächste Mode ansteht. So wird bei Christine Beis der Flügel eines alten Fensters zum Bilderrahmen. Kissen und alten Sofas haucht der Polsterer von Zeit zu Zeit neues Leben ein. An ihrem Holzhaus schätzt Christine Beis das behagliche Wohnklima. Besonders sensible Gäste könnten das sogar „riechen“. Und dass „man wenig Energie verbraucht“.

Über die Photovoltaikanlage auf dem Dach erzeugen sie 80 Prozent der Energie, die sie verbrauchen, selbst. Ihre nachhaltige Lebensweise existierte schon vor 25 Jahren. Da lebten sie noch in einem Ziegelhaus in Siegenburg. Für Strom sorgte ein 16 Meter hohes Windrad. „Da musste ich immer schauen, dass der Geschirrspüler nicht läuft, wenn ich Wäsche waschen wollte“, erinnert sich Christine Beis.

Die Abensbergerin weiß, dass ihre Leidenschaft fürs Reisen und fürs Skifahren ihre Ökobilanz trübt. Beides sei „ökologischer Schmarrn“, aber leider schön. Sie hofft, dass sie das über anderes ausgleicht. Über die eigenen vier Hühner im Garten, den Kauf lokaler und regionaler Lebensmittel oder damit, dass sie alle Wege in der Stadt mit dem Rad fährt. Für alles andere hat sie ein kleines Auto.

Zurück zum Haus: Idealismus sei bei einem Holzhaus immer dabei, sagt Christine Beis. Man müsse es wollen. „Denn sonst würde sich jeder das billigste Haus bauen.“ Und ja, man muss es sich auch leisten können.

Bei Monique Ummenhofer dreht sich alles um die „Family“

„Familie ist Freundschaft, die ein Leben lang hält“ steht auf dem aus einem Stück rostigen Metalls geschmiedeten Schild, gleich links neben der Haustür. Der Spruch ist innen drin Programm. Bei Monique Ummenhofer, besser bekannt als „Monique Sonnenschein“, und ihrer Familie. Mit der 47-Jährigen sitzen an diesem Vormittag vier Generationen auf der Terrasse um den Tisch beim Frühstücken. Unter den zwölf Leuten sind diesmal auch ein paar Freunde aus dem Allgäu, die zu Besuch sind.

Seit 15 Jahren lebt Monique mit ihrem Mann Jürgen „Ummi“ und dem Rest der Familie in dem Haus, das früher zum Schloss in Wildenberg gehörte. Wichtiger als, woraus das Haus gebaut ist oder wie es eingerichtet ist, ist hier das Miteinander. Irgendwie sei ihr Haus immer voller Menschen, sagt Monique. Was daran liegt, dass sie und Ummi das lieben. Monique sagt: „Ich hab’ mir schon immer eine Großfamilie gewünscht.“ Vielleicht liege es auch daran, dass ihre beste Freundin einst in einem Hippie-Altstadthaus aufwuchs. Auf drei Etagen ging es quirlig zu. Und „immer warm und herzlich“.

Mehr Eindrücke vom Leben am „Ummenhof“ sehen Sie in unserer Bildergalerie:

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„Alles bunt gemischt“ – das beschreibt Moniques Zuhause wohl am treffendsten. Ihre Mama Irmgard gehört mit ihren 86 Jahren ebenso dazu, wie ein paar ihrer Enkel. Oder Freunde. „Die meisten arbeiten im sozialen Bereich, sie sagen uns oft, dass sie bei uns mal abschalten können“, sagt Monique. Auf dem großen Areal um das Haus fällt das nicht schwer. Es gibt viel Grün, einen großen Weiher, wo wenn das Wetter sommerlich ist, alle baden gehen. Es gibt viel zu entdecken, einen Pfau oder Pferde und für spontane Partys gibt es den Lagerfeuer-Platz im Garten. Der ist der eigentliche Mittel- und Treffpunkt für alle.

Bald ist am Schlossberg wieder Hoffest. Sechs Bands spielen dann. Für viele im Dorf sei das inzwischen ein Pflichttermin, auch für die Älteren. Sie bekommen Flyer in den Briefkasten, mehr Werbung macht Monique nicht. „Sonst überrennen sie uns.“ Sie ist das Herz der „Family“. Wenn Ummi sie aufziehen will, nennt er sie „Mutter Theresa“, sagt Monique. Dabei könne sie gut auch mal alleine sein, „aber ich liebe viele Menschen um mich rum.“

Wenn man sie sieht mit ihren blonden Rastazöpfen, den wallenden und wahlweise recht bunten Kleidern fällt Monique auf. Sie ist sich sicher, dass sie mancher gleich in die Hippie-Schublade steckt. Sie selbst „muss nicht immer gleich alles bewerten“. Und: „Gott sei Dank läuft nicht jeder so herum wie ich.“ So bunt wie ihre Klamotten und die Menschen, die sie gerne um sich versammelt, ist auch ihr Haus eingerichtet. Barocke Sitzmöbel treffen auf Bücherregale vom bekannten schwedischen Einrichtungshaus und alles mögliche andere.

Ohne Ummi, den sie „meinen Superman“ nennt, würde so ein Leben auf dem Hof nicht laufen. Da braucht es einen „Macher“. So einer ist Ummi. Gerade baut er ein Piratenschiff für die Kinder im Garten.

Irene ließ ihre Bauträger-Wohnung individuell „pimpen“

Bauträger-Wohnungen werden nach Baukasten-Prinzip geplant. In vielem können Käufer zwischen A oder B wählen. A la: Soll überall Fliesen- oder Parkettboden rein? Doch ein wenig individueller und persönlicher sollte das neue Abensberger Zuhause von Irene und ihrem Mann dann doch sein. 2016 legte sich das Paar aus Oberbayern dort eine 90 Quadratmeter große Bleibe als Zweitwohnsitz zu. „Dass ich meinen eigenen Input geben kann, war mir sehr wichtig“, sagt Irene. „Wer will schon eine Wohnung von der Stange?“ Zumal ein Holzboden in Bad oder Küche vielleicht doch nicht das Wahre ist und überall Fliesen nicht sonderlich hübsch aussehen. Für Irene war klar, dass sie bei der Drei-Zimmer-Wohnung, in der sie im Alter mal leben will, in gewissen Punkten vom Standard abweichen wollte.

Der Esstisch sollte nicht, wie bei allen anderen standardmäßig direkt vorm Fenster stehen. „Da sitzt man dann und die Leute, die draußen vorbeigehen, schauen einem auf die Füße.“ Weil man sich als Immobilienkäufer, der nicht ständig mit der Materie zu tun hat, rein vom Plan weg nicht so viel vorstellen kann und die Dimensionen der Wohnung nicht riesig sind, engagierte das Paar eine Innenarchitektin. Die half etwa beim Erstellen eines Lichtkonzepts. Denn in der Standard-Bauträgerwohnung ist nur eine Deckenleuchte pro Raum vorgesehen.

Mehr Bilder von der stilvoll, individualisierten Bauträger-Wohnung sehen Sie hier:

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Irene hatte Glück mit dem Bauträger der Neun-Parteien-Anlage, sagt sie. Die Absprachen der Sonderwünsche waren unproblematisch. Wichtig sei, dass man diese frühzeitig äußert. Teils hatte der Bauträger keine entsprechenden Handwerker zur Verfügung. Die engagierte und koordinierte die gebürtige Siegenburgerin dann selbst. Auch beim Boden entschieden sich Irene und ihr Mann für eine Sonderlösung. Statt Fliese oder Parkett kam überall weißer Estrich rein. Im Bad ist der auch an der Wand, Fliesen sind nur als Hingucker angebracht. Und statt einer Leuchte im Wohnzimmer wurde eine individuelle Lösung eingebaut mit Elementen, die direktes und indirektes Licht spenden.

Auf 90 Quadratmetern hat man nicht so viel Platz, auch in einem kleinen Standardbad nicht. Doch mit Ideen könne man viel draus machen, sagt Irene. Und es brauche nicht überall eine Extra-Nummer. Die Kombi mache es aus. Ihre Küche sei eine Standard-Küche, der Küchenblock davor ist eigens designt. Der Dunstabzug verschwand dank kreativer Lösung in der Gipskarton-Umbauung.

Flexibilität ist ein weiteres Zauberwort. Essbereich oder Couchen im Wohnzimmer sind – je nach Zahl der Gäste – verrück- bzw. verschiebbar. Ein Durchbruch beim Eingang brachte Licht in den Flur. Anstelle einer Mauer findet sich nun ein Glasregal. „Sonst müsste ich, wenn alle Türen geschlossen sind, tagsüber Licht anschalten.“ Irene ist zufrieden mit dem Ergebnis – und der Blick aus dem Fenster sei Idylle pur. „Ich wollte, dass die Wohnung gut aussieht und auch modern ist.“ Der Wunsch hat sich erfüllt.

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