Justiz
Mord in Neustadt: Angeklagter schweigt

Ein 49-jähriger Pole aus Neustadt soll einen Landsmann heimtückisch von hinten erstochen haben. Jetzt startete der Prozess.

23.01.2019 | Stand 16.09.2023, 5:52 Uhr
Marion Boeselager

Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Olaf Groborz im Gerichtssaal in Regensburg Foto: Boeselager

Durch einen heimtückischen Messerstich in den Hals soll ein 49-jähriger Bäcker aus Polen einen um elf Jahre jüngeren Landsmann getötet haben. Die Bluttat in einer Wohnung am Neustädter Stadtplatz geschah im Mai letzten Jahres auf einer Feier der beiden Männer mit ihren Freundinnen und weiteren Gästen (wir berichteten). Mit im Spiel: Reichlich Alkohol. Seit Dienstag steht der mutmaßliche Täter wegen Mordes in Regensburg vor dem Schwurgericht. Am ersten Prozesstag schwieg er jedoch zu den schweren Vorwürfen.

Gegen drei Uhr morgens war am 27. Mai bei der Kelheimer Polizei ein Notruf eingegangen. „Es hieß: Eine verletzte Person. Ein Messer ist im Spiel“, erinnerte sich einer der Beamten. Gut 20 Minuten später traf er, etwa zeitgleich mit dem Rettungsdienst und zwei weiteren Streifen, am Tatort ein. „Eine Frau stand mit blutverschmiertem Nachthemd am Hauseingang und führte uns rein.“ Sie soll „hysterisch herumgeschrien“ haben.

Beim Tanzen gestürzt?

In der Wohnung lag ein Mann leblos in seinem Blut. Neben ihm kniete eine zweite, blonde Frau. Er habe den Mann auf den Rücken und dann wieder zurück auf die Seite gedreht, sagte der Beamte: „Er war tot.“ Die blutbeschmierte Frau rief nach seinen Worten „Unfall! Unfall!“

„Sie sagte, er sei beim Tanzen nach hinten gestürzt und habe sich dabei das Messer in den Hals gerammt.“ Im Gegensatz zu der aufgewühlten und redseligen Frau sei die andere „ruhig und in sich gekehrt“ gewesen, so der Beamte. Ein zweiter Mann – der Hausherr und Angeklagte – saß „teilnahmslos“ auf einer Bank im Flur. Der Alkoholeinfluss sei allen deutlich anzumerken gewesen. „Es wirkte so, als würden sie gar nicht begreifen, was passiert ist.“

Die Tatwaffe – ein Küchenmesser mit einer Schaftlänge von zwölf Zentimetern – entdeckten die Beamten „unter den Zewa-Tüchern unter dem Hals des Toten. Die Klinge war verbogen, so als ob sie auf einen Knochen aufgetroffen sei“.

Sie sind überall verfügbar. Auch deshalb wird bei Straftaten im Landkreis Kelheim immer öfter zum Messer gegriffen.

Motiv unklar

Zunächst schilderten alle Zeugen gegenüber der Polizei den Vorfall nahezu identisch, berichtete damals Pressesprecher Günther Tomaschko. „Danach sei der alkoholisierte 38-Jährige mit einem Messer in der Hand gestürzt und habe sich dabei verletzt.“ Doch die hinzugezogenen Ermittler der Kripo Landshut hatten erhebliche Zweifel an den Schilderungen. Das Obduktionsergebnis gab ihnen recht: Die Verletzungen waren mit einem Sturzgeschehen nicht in Einklang zu bringen.

Nach Abschluss der Ermittlungen geht die Staatsanwaltschaft von folgendem Tathergang aus: Der Getötete, seine Lebensgefährtin und drei weitere Gäste feierten in jener Nacht in der Wohnung des Angeklagten und seiner Partnerin. Bis in den Morgen hinein wurde kräftig gebechert. Nach Mitternacht waren nur noch die beiden Paare vor Ort. Das mutmaßliche Motiv hört sich sehr verworren an: Das Opfer soll sich den Unmut des Angeklagten zuvor unter anderem dadurch zugezogen haben, dass er im Schlafzimmer unter vier Augen sinngemäß zu ihm sagte, er habe „den Auftrag, ihn und die beiden Frauen zu töten.“ Zudem sei der 49-Jährige „aufgebracht über herablassende Worte“ des jüngeren Mannes zum Tod des Bruders seiner Partnerin gewesen.

Auf der Party wurde getanzt, gegessen und viel getrunken. Gegen drei Uhr bat der 38-Jährige die Gastgeberin darum, ihm ein Hähnchenschnitzel zu erwärmen. Während sie noch in der Küche hantierte, setzt er sich zum Essen auf den Stammplatz des Angeklagten im Wohnzimmer. Da soll der 49-Jährige hinter seinem Rücken auf und ab gegangen sein. Plötzlich ging er zielstrebig von hinten auf das ahnungslose Opfer zu, so die Vorwürfe. Er stach seitlich von hinten mit dem Messer auf dessen rechten Halsbereich ein. Dabei habe er „dessen Tod billigend in Kauf genommen“.

Opfer starb nur Minuten nach dem Angriff

Der 38-Jährige erlitt einen elf Zentimeter tiefen Einstich in den Nacken bis in das Rückenmark. Er starb binnen weniger Minuten aufgrund zentralen Regulationsversagens in Verbindung mit einer Luftembolie.

Die Lebensgefährtin des Angeklagten, die der Witwer im Prozess als seine „Verlobte“ bezeichnete, könnte bei ihrer Aussage vor Gericht die Aussage verweigern. Sie hatte beim Ermittlungsrichter erklärt, sie habe nichts von der Tat gesehen. Die Vorwürfe beruhen im wesentlichen auf den Angaben der Freundin des Getöteten. Sie wich von ihrer ersten Aussage ab, nachdem sich die Unfallvariante als nicht haltbar erwiesen hatte.

Der Prozess ist auf sieben Tage angesetzt.

Im Landkreis Kelheim gibt es immer mehr Straftaten mit Messern als Tatwaffe. Hier sehen Sie eine Chronologie zu den Vorfällen:

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