Schule
Was Lehrer heute alles leisten

24 Lehrer aus Grund- und Mittelschulen gehen in den Ruhestand. Probleme und Druck in der Schule werden immer größer.

18.07.2019 | Stand 16.09.2023, 5:35 Uhr
Roland Kugler

Gut gelaunt freuen sich die verabschiedeten Lehrerinnen und Lehrer auf ihren Ruhestand Foto: Roland Kugler

Viele hundert Jahre haben sie zusammen Kinder und Jugendliche unterrichtet. Jetzt wurden 24 Lehrerinnen und Lehrer von Grund- und Mittelschulen aus dem Landkreis Kelheim in den Ruhestand verabschiedet. In ihrem Berufsleben hat sich vieles geändert: ihre Arbeit, die Kinder, die Eltern, die ganze Gesellschaft. Es gibt immer mehr Probleme an den Schulen, der Druck wächst, auf Schüler und Lehrer.

Immer mehr Anforderungen

„Sie haben Generationen von Schülern mit Wissen versorgt, und die ihnen anvertrauten Kinder auf dem Weg zum erwachsen werden unterstützt und begleitet. Wege aufgezeigt, und manch einen in die richtige Richtung geschubst“ würdigte Josef Egger, stellvertretender Landrat, die Pädagogen am Mittwoch Nachmittag in einer Feierstunde im Kelheimer Landratsamt. Wobei man schon allein mit dem Wort „schubsen“ heute vorsichtig sein müsse, merkte Egger an. Auch sonst hat sich sehr vieles in den letzten vierzig Jahren verändert. So lange waren die meisten der anwesenden Lehrer im Einsatz, manche noch länger.

„Der gesellschaftliche Wandel wirkt sich auf den Beruf des Lehrers aus, er stellt immer weitere Anforderungen an uns“, sagte Nicola Moritz-Holzapfel. Die Schulamtsdirektorin verabschiedete die Lehrer in den Ruhestand. Noch deutlichere Worte fand Wolfgang Brey, demnächst stellvertretender Personalratsvorsitzender: „Seid froh, dass ihr in Pension geht, wenn ich daran denke was noch alles auf uns zukommen wird.“

Auch als Nicht-Lehrer weiss man um die Probleme in den Schulen. Respektlosigkeit, Mobbing, Gewalt, Schule schwänzen, Mangel an qualifizierten Lehrern, die Medien berichten täglich davon. Es werden immer mehr Schulpsychologen und Sozialarbeiter benötigt, die Verrohung der Gesellschaft zeigt sich auch in der Schule. Das sind Herausforderungen für Lehrer, die in ihrem Beruf aber auch viele Vorteile genießen. Fast alle sind verbeamtet, mit den entsprechenden Sicherheiten und Sozialleistungen. Sie haben ein gutes Gehalt und drei Monate im Jahr Ferien. Zahlreiche Wandertage, Exkursionen, Klassenfahrten und mehr, wovon viele Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft nur träumen können. Dennoch ist die einst geachtete Autoritätsstellung des Lehrers zu einer anstrengenden Arbeit geworden. Denn die Zeiten als die Schüler brav waren, weil sie sonst ein paar hinter die Löffel oder mit dem Tatzenstecken bekommen hätten, sind lange vorbei. „Gott sei Dank“, erzählen drei Lehrer aus ihren Erfahrungen. Simon Deml von der Wittelsbacher Mittelschule in Kelheim, Elisabeth Schlauderer von der Grundschule in Teugn, und Anton Liegert, Lehrer an der Mittelschule Mainburg und bisher stellvertretender Personalratsvorsitzender.

Sie kritisieren beispielsweise die vehement vorangetriebene Digitalisierung. „Zu schnell, zu früh, und zu viel für die Kinder“, sagen alle drei Pädagogen übereinstimmend. Sie meinen die bereitgestellten Milliarden von Bund und Freistaat für den Einsatz digitaler Medien in den Schulen. „Das schon in Grundschulen auszuprobieren ist total übertrieben“, sagt Schlauderer. Auch Deml meint, dass Schüler immer noch an der Tafel und mit Stift und Papier schreiben und rechnen lernen sollten, statt nur am Tablet. Sie verbringen ohnehin zu viel Zeit am Handy und Computer. Und das Geld und die Technik allein nützen auch nichts, wenn es in den Schulen an ausreichend und ausgebildetem Personal mangelt. „Wir hatten früher viel mehr Kurse in Sport und Musik anbieten können“ sagt Liegert. „Das geht heute nicht mehr, weil zu wenig Lehrer eingesetzt werden. Dabei wären gerade solche Angebote für die Jugendlichen wichtig.“ Dafür nimmt der Leistungsdruck auf die Kinder immer mehr zu: „Schon in der zweiten Klasse sind manche Eltern besorgt, ob es ihr Kind aufs Gymnasium schaffen wird“ sagt Schlauderer. „Den Lehrern werden von den Eltern immer mehr erzieherische Aufgaben zugeschoben“ sagt Liegert. „Sie haben selbst immer weniger Zeit für ihre Kinder, erwarten aber immer mehr.“

Das ganze Schulsystem ändern

Kein Wunder also, dass es auch bei Kindern und Jugendlichen immer mehr Überlastungen und Depressionen gibt, wie aktuelle Statistiken zeigen. „Und immer mehr Belastungen und Krankheitsfälle bei den Lehrern“ sagt Wolfgang Brey. „Es ist nicht richtig, dass über die Kinder schon in der vierten Klasse für weiterführende Schulen entschieden wird“ sagen alle drei Pädagogen. Der Druck auf die Schüler, Eltern und Lehrer müsse weniger werden, nicht mehr. „Das ganze Schulsystem sollte geändert werden“ sagt Liegert. Oder das ganze Leistungsdrucksystem unserer Gesellschaft.