Toilette
Was macht der Erntehelfer, wenn er muss?

Notdurft in Wald und Flur – das regt Anwohner an Spargelfeldern auf. Die Bauern wissen darum – und werden reagieren.

24.05.2017 | Stand 16.09.2023, 6:32 Uhr

Anwohner an Spargelfeldern beschweren sich, weil Saisonarbeiter immer wieder in angrenzenden Feldern, Wiesen oder im Wald ihre Notdurft verrichten. Foto: dpa

Mitte Mai ist Hochsaison für den Spargel – und somit auch im Landkreis Kelheim. Hunderte Erntehelfer aus Osteuropa strömen dann in den Landkreis und stechen das Edelgemüse. Nicht ganz so edel ist hingegen das, was die Saisonarbeiter wohl so manches mal nahe ihren Arbeitsstätten – sprich den Spargelfeldern – hinterlassen: ihre Notdurft.

„Keine Toiletten – ein Unding“

Das zumindest beklagt Dr. Colin Goldner aus St. Johann: „Ich wohne direkt an einem mehrere Hektar umfassenden Spargelfeld, das zur Erntezeit von einer Vielzahl an Saisonarbeitern bewirtschaftet wird. Die Erntehelfer arbeiten oft stundenlang auf den Feldern, es lässt sich insofern nicht vermeiden, dass sie in dieser Zeit auch ihre Notdurft erledigen müssen – im Wald oder in angrenzenden Rapsfeldern, weil sie keine Toiletten haben. Das ist ein Unding.“

Nicht nur in St. Johann scheint es Thema, auch in Abensberg erzählt ein Mann, der anonym bleiben möchte, von Problemen mit „den Freilufttoiletten der Erntehelfer und massiver Geruchsbelästigung. Wenn es ein paar Tage warm ist, stinkt es hinter dem Wasserberg wie in der Kläranlage.

Wenn ich dort mit meinem Hund unterwegs bin, frisst der zu allem Überfluss auch noch die Exkremente und außerdem läuft dort der Abensberger Panoramaweg – zu dieser Zeit ist der dann sicherlich keine gute Werbung für Abensberg.“ Und auch er beklagt, „dass die Saisonarbeiter gar nichts dafür können – es gibt einfach keine Toiletten für sie“.

Das Problem ist auch den Spargelbauern bekannt, sagt etwa Martin Feldmann, zweiter Vorsitzender des Spargelerzeugerverbands: „Das Thema kommt in unseren Versammlungen immer wieder zur Sprache und ich kann auch verstehen, wenn sich Anwohner darüber aufregen. Wir werden dem nachgehen und unsere Landwirte nochmals darauf hinweisen.“ Feldmann spricht aber auch davon, „dass sich in den vergangenen Jahren schon vieles getan hat. Es ist ja klar geregelt, dass den Erntehelfern eine Toilette zugänglich sein muss.“

In der Tat stellt das Bayerische Ministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration klar: „Auch für Erntehelfer, die Beschäftigte im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes sind, muss der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes einhalten. Darunter fällt auch die Bereitstellung sanitärer Anlagen. Die das Arbeitsschutzgesetz konkretisierende Arbeitsstättenverordnung findet auf Feldern zwar keine Anwendung. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz muss der Arbeitgeber jedoch aufgrund der geltenden Grundsätze eine Toilettennutzung ermöglichen“, teilt das Ministerium auf Anfrage unseres Medienhauses mit.

„Und das machen die Bauern meines Wissens auch möglich – jeder handhabt das unterschiedlich“, sagt Feldmann. Bei ihm selbst sei es so geregelt, dass die Erntehelfer maximal nach eineinhalb Stunden wieder am Hof seien und dort dann Toiletten nutzen könnten. Ähnlich handhabt es Christine Holzer, Feldmanns Vorgängerin beim Erzeugerverband: „Unsere Felder liegen entweder so nahe am Hof, dass er fußläufig erreichbar ist oder unsere Arbeiter sind alle selbst mit Autos zu den Feldern unterwegs – und fahren dann halt wieder her, wenn sie aufs Klo müssen. Wie das die Großen handhaben, die ihre Arbeiter mit Bussen zu den Feldern fahren, das weiß ich aber nicht.“

Einer dieser „Großen“ ist Wolfgang Kügel. Bei ihm fahren drei Busse zwischen den Feldern hin und her. „Alle drei bis vier Stunden sind die Arbeiter wieder am Hof – da kann man sich den Gang zum Klo dann schon einteilen“, sagt er. „Ich habe selbst auf dem Feld gearbeitet, ich weiß, wovon ich rede.“ Für ihn existiere das Problem aktuell aber gar nicht, „weil es bei uns in den vergangenen zwei Jahren keine einzige Beschwerde gab. Früher schon, das muss ich zugeben und deshalb haben wir auch intensiv mit unseren Erntehelfern gesprochen – zusätzlich zur Belehrung zu Saisonbeginn. Seitdem ist nichts mehr passiert. Dafür finden wir immer wieder Hundehaufen in Feldern – das ist auch nicht in Ordnung und auch zu verhindern.“

Dass die Saison nicht überall beschwerdelos vorbeigehe, das will Feldmann gar nicht verhehlen: „Es gibt immer mal Notfälle, wo es nicht zu verhindern ist, dass man sich in der Natur erleichtert, aber es sollte bei Ausnahmen bleiben. Daran sollte auch uns Spargelbauern gelegen sein, denn wir produzieren ein hochwertiges Lebensmittel und solche Beschwerden schaden unserem guten Image.“

„Unter der Menschenwürde“

Für Dr. Goldner ist es aber nicht nur eine Frage des Images, sondern zieht weitere Kreise: „Mich stören ein paar Fäkalhaufen in Wald oder Wiese nicht, da stören mich weggeworfene Brotzeitpapiere oder Rasenabschnitt mehr. Ich halte es für unzumutbar und unter der Menschenwürde, dass die Erntehelfer und -helferinnen gezwungen sind, ihre Notdurft im Freien zu verrichten, nur weil die Spargelbauern nicht willens oder in der Lage sind, mobile Toilettenhäuschen aufzustellen, wie es sie auf jeder Baustelle gibt. Die Miete für ein Klohäuschen liegt bei unter 100 Euro pro Monat und dort könnte man sich auch die Hände waschen – für lebensmittelverarbeitende Betriebe eigentlich ein Muss.“

Die hatte Wolfgang Kügel schon vor Jahren erprobt – „mit dem Ergebnis, dass die Saisonarbeiter diese nicht genutzt haben. Wenn dann nur, um Getränke dort unterzustellen“, sagt er. Und auch Feldmann hat seine Erfahrungen gemacht. „Der Hygiene-Standard, den wir ansetzen, den sind viele der Erntehelfer nicht gewohnt. Da hilft es auch nichts, wenn man ihnen zu Saisonbeginn eine Belehrung gibt. Dennoch darf das keine Entschuldigung sein, denn derlei Vorkommnisse fallen letztlich auf den Betreiber des Feldes zurück.“ Zu einhundert Prozent zu kontrollieren sei aber nicht möglich.

Lebensmittelhygienisch schließt Feldmann etwaige Beeinträchtigungen am Spargel kategorisch aus: „Alle Erntehelfer tragen Handschuhe, der Spargel wird nach dem Stechen gewaschen und vor dem Kochen geschält – in dieser Hinsicht gibt es mit Sicherheit kein Problem. Das wird ja auch ständig überprüft.“

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