Revierleiter Wechsel im Wald – nicht in der Strategie
Mit Dieter Winterstein verlässt ein Förster „alter Schule“ Kelheims Staatswald. Auf seine Arbeit will Daniel Meyer aufbauen.

Kelheim.Nach Kelheim kam er, weil er an seinem vorherigen Arbeitsplatz den Wald vor lauter Fichten nicht mehr gesehen hat: Am früheren Forstamt Siegenburg hatte Dieter Winterstein meist in kleinteiligen hallertauer Bauernwäldern zu tun. Dort ist die Fichte der „Brotbaum“ – wirtschaftlich verständlich, aber beruflich langweilig, befand Winterstein. Und wechselte 1988 nach Kelheim.
Großflächige Fichten-Einöden gab es im Frauenforst zwar auch noch. Aber hier hatte er die Chance, gründlich umzubauen – und nutzte sie. Denn das sagte ihm schon der tägliche Blick aufs Regen-Messglas vorm Fenster: „Früher hatten wir im Schnitt 80 Liter Regen pro Monat, heute noch 50. Das ist für die Fichte einfach nichts mehr. Auch wenn es manche Waldbesitzer heut noch nicht glauben.“
„Ich hatte auch mal überlegt, Ornithologe zu werden – aber das ist leider eine brotlose Kunst.“
Dass ihm 1999 mit dem „Befreiungshalle-Wald“ eines der markantesten Wald-Naturschutzgebiete im Freistaat anvertraut wurde, nennt er „glückliche Fügung. Ich glaub’, ich war schon der Richtige am richtigen Platz“, sagt Winterstein, der auch mal kurz an eine Karriere als Ornithologe gedacht hatte.
Reform ging ihm nahe
Studiert hat er stattdessen Forstwirtschaft, und gehadert hat er mit der Berufswahl allenfalls während des größten Umbruchs, den Staatsförster seiner Generation miterlebten: die bayerische Forstreform 2004. „Die hab’ ich mir im wahrsten Wortsinn zu Herzen genommen“, denkt er ungern an diese radikale Umorganisation zurück.

Aus bislang 124 Forstämtern wurden damals einerseits 41 Forstbetriebe, die seither die staatlichen Wälder bewirtschaften. Andererseits hat man damals den „behördlichen“ Teil der Forstämter an die Landwirtschaftsämter verlegt – auch das Abensberger heißt seither „Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten“. Die bisherigen Forstamts-Allrounder mussten sich entscheiden: Staatswald bewirtschaften, Privatwaldbesitzer beraten – oder ganz was anderes, Biologielehrer zum Beispiel? „Ja, niemals!“ sagt Winterstein lachend: „Mich haben schon die Schulklassen bei den Waldjugendspielen immer gestresst!“
Forstverwaltung war für ihn auch keine Option – er wollte in „seinem“ Revier bleiben. Und musste trotzdem gewaltig umdenken lernen. „Wer, wie ich, aus der ,alten Schule’ kommt, meint, dass man alles ganz exakt machen muss“. Das war beim neu vorgesehenen Arbeitspensum nicht mehr drin.
Als er in Kelheim anfing, betreute Dieter Winterstein 1100 Hektar Wald und organisierte im Schnitt 5600 Festmeter Holzeinschlag jährlich mit sechs Waldarbeitern. Am Ende seiner Dienstzeit betreute er 1850 Hektar Wald und 15 000 Festmeter Einschlag – ohne „eigene“ Waldarbeiter. Statt dessen gibt es im Forstbetrieb jetzt eine Servicestelle, die zentral für alle Reviere den Einsatz von Forst- und Fuhrunternehmen und Waldarbeitern organisiert.
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Schutz versus Nutzen
Geschuldet war die Reform damals der Vorgabe aus München: mehr Ertrag, weniger Kosten im Staatswald. „In den ersten Jahren war der Profit schon sehr dominant“, formuliert es Winterstein vorsichtig. „Mittlerweile ist das Verhältnis von Schützen und Nützen ausgewogener, hab’ ich das Gefühl.“ Beinahe hätte er seine Wald-Karriere ja sogar als Nationalpark-Förster beendet. „Ich hätt’ nichts dagegen gehabt“ gegen die Seehofer’sche Idee eines „Nationalparks „Donau-Auen“, „aber mei’…“
Er selbst hat schon immer markante ältere Bäume gern vor der Säge verschont. Umso lieber, je älter er selbst wurde. „Mittlerweile würd’ ich am liebsten alle stehen lassen“. Weshalb er froh ist, dass Daniel Meyer „sein“ Revier samt Bewirtschaftung übernommen hat. Ganz entkommt der Essinger dem Bäume umschneiden dennoch nicht: Der erste private Auftrag an den „Ruheständler“ lautete: Brennholz machen.
Alt und Jung
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Dieter Winterstein:
Der 63-Jährige ist auf einem Einödhof in der Nähe von Landshut aufgewachsen. „Das hat mich geprägt: Ein Büroberuf wär‘ nichts gewesen!“ Der Forstingenieur betreibt gemeinsam mit seiner Frau eine Nebenerwerbs-Landwirtschaft in Essing – nun mit Huhn: Eine Schar der Sorte „Vorwerk“ war das Abschiedspräsent der Kollegen. Weitere Hobbys sind die Jagd und das Kajak-Fahren. -
Daniel Meyer:
Der 33-Jährige wuchs im Odenwald, nahe Heidelberg auf. Studiert hat er Forstwissenschaft an der Technischen Universität München-Weihenstephan. Auch seine Freundin ist Försterin. Meyers bisherigen Berufsstationen lagen sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg. Sein Hobby, die Jagd, passt zum Beruf. Außerdem geht er gerne in die Berge zum Wandern.
Nicht die kanadische Wildnis – aber fast…

Mit der kanadischen Wildnis können selbst die Naturwald-Reservate über der Kelheimer Donau nicht mithalten. Aber von einstigen Ferienabenteuern bei der kanadischen Holzfäller-Verwandtschaft träumt Daniel Meyer gar nicht: Der Forstwissenschaftler ist schon froh, die monotonen Fichtenforste seiner früheren Stelle gegen die Laubmischwälder an der Donau bei Kelheim und im Frauenforst eingetauscht zu haben. Als Revierleiter will er endlich selbst Wald gestalten.
Zuvor, als Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung in Landau, hat er anderen versucht nahezubringen, dass sie tunlichst ihre Bestände in stabile Mischwälder umbauen sollten. Mit – nun ja: begrenztem Erfolg; „viele sind einfach beratungsresistent…“ Jetzt kann und muss er selbst beweisen, dass Wald „made by Daniel Meyer“ fit ist für Wetter-Extreme und Klimawandel, alte und neue Schädlinge und sonstige Unbill.
Digital im Wald
Einerseits steht der gebürtige Odenwälder also ähnlich am Start wie sein Vorgänger Dieter Winterstein vor 30 Jahren. Andererseits hat sich die Arbeitsweise seither in vielem geändert. Digitaler ist sie vor allem geworden: Das „Revierbuch“, für die Generation Winterstein noch ein echtes Buch, wird jetzt weitgehend digital geführt. Die Bedeutung aber ist gleich geblieben: Es ist die Dokumentation dessen, was in einem Revier waldbaulich geplant und was umgesetzt worden ist.
„Am wichtigsten ist, dass man draußen im Wald schaut, was läuft“.
Am Computer ist es einfacher und besser nutz- und teilbar, findet Meyer. Aber ob Buch oder Datei – „es ist nur ein Revierbuch. Am wichtigsten ist, dass man draußen im Wald schaut, was läuft“.
Jagd als Hobby
Als Revierleiter sieht er sich das Bindeglied zwischen der Forstbetriebs-Leitung und den Waldarbeitern und Forstunternehmen. Dass sich ein guter Teil seiner Arbeit schon auch im Büro abspielen wird, ist ihm klar – „,Forsthaus Falkenau’ ist natürlich ein Klischee, das so nicht stimmt.“ Am ehesten vielleicht noch in der Freizeit: Noch von Zuhause – also nahe Heidelberg – hat er die Jagd als Hobby mitgebracht. Und ursprünglich den Wunsch-Ausbildungsberuf Forstwirt; aber dann entschied er sich doch fürs Studium, an der TU in Weihenstephan.
Wie eine glückliche Fügung scheint es ihm heute, dass er nach dem Studium zunächst beim baden-württembergischen Staatsforst arbeitete und dort zuständig war für die Management-Pläne für FFH-Gebiete, also besonders naturschutz-würdige Waldgebiete: Dieses Wissen könne er gut gebrauchen – gehört hier zu seinem Revier doch das Natur-Kleinod „Weltenburger Enge“. Auch die zurückliegende Nationalpark-Debatte ist ihm nicht entgangen. Die sieht er beruflich entspannt: „Mir ist klar, dass das eine rein politische Entscheidung ist. Mein Einfluss ist da ziemlich gering…“
„Das Kelheimer ist eines der schönsten Reviere, die die Bayerischen Staatsforsten zu bieten haben“
Sein neues Arbeitsgebiet hatte Daniel Meyer bereits erkundet, eher er sich auf die Revierleiterstelle bewarb – radelnd durch den Kelheimer Staatswald. Viel Hoffnung habe er sich auf die Stelle nicht so gemacht, gesteht er – umso größer war die Freude, sie zu ergattern. Und damit „eines der schönsten Reviere, die die Bayerischen Staatsforsten zu bieten haben“, wie seine Chefin Sabine Bichlmaier findet.
Hier werde er nun auf dem aufbauen, was Dieter Winterstein begonnen hat. „Ich stell’ mir vor, dass ich kleinparzelliert arbeite, also mit vielen verschiedenen Waldbildern und Lebensräumen“, mit vielen Baumarten, die er neben der der dominierenden Buche fördern will. Vielfalt im Wald ist für ihn nicht nur eine Frage der försterlichen Berufsehre. Sondern auch eine Überlebensstrategie für den Wald in bewegten Klimazeiten.
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