Serie Zwei Stunden an Bord der Altmühlperle
Tanzende Senioren, werkelnde Köchinnen oder ein ausschenkender Kapitän – eine Multimedia-Reportage auf dem Main-Donau-Kanal.

Kelheim.Die Kelheimer Weiße Flotte fährt nicht nur auf der Donau, sondern ist auch auf dem Main-Donau-Kanal unterwegs. Etwa 50 000 Menschen sind mit der Altmühlperle pro Jahr zwischen Kelheim und Riedenburg – und natürlich auch retour – unterwegs. Tanzende Senioren, staunende Besucher aus Cottbus, werkelnde Köchinnen, ein ausschenkender Kapitän oder unruhig wartende Kinder – unser Redakteur Benjamin Neumaier hatte zwei Stunden Zeit, um das Treiben in allen Facetten zu dokumentieren.
10.40 Uhr: Die Gäste Trudeln ein
„Grüß Gott, bitte hereinspaziert“ – 500 Menschen hätten Platz an Bord der Altmühlperle und besonders an Sonn- und Feiertagen wird diese zahl dann auch nahezu erreicht. An diesem Donnerstag geht es etwas ruhiger zu, knapp 200 Menschen wollen an Bord. Darunter sind auch die Bewohner des Azurit Seniorenzentrums Neufahrn – wegen der vielen Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator, packt auch Schiffsführer Michael Sattler mit an, bringt die Menschen zusammen mit Steward Mirko Schumann sicher an Bord. „Gerade bei dem aktuell geringen Wasserstand, ist die Einstiegsrampe sehr steil – da müssen wir dann schon Ordnung reinbringen, Sicherheitsabstände einhalten“, sagt Sattler.
10.56 Uhr: Alle haben Durst
Kaum an Bord angekommen, haben die Gäste vor allem eines: Durst. „Die erste Getränke-Runde ist immer die stressigste“, sagt Restaurant-Leiterin Brigitte Wildenauer. Und tatsächlich türmen sich bald die Tabletts an der Theke – die beiden Bedienungen kommen kaum noch hinterher. Bis zu sechs Frauen arbeiten bei Hochbetrieb hier – und alle haben „Seebeine“, sagt Chefin Karin Steibl-Lotter. „Natürlich ist es beim ersten Mal am Schiff noch etwas gewöhnungsbedürftig, aber dass mal ein Tablett fällt, das kommt wirklich nur alle heiligen Zeiten vor.“
Heute geht vor allem eines über die Theke und dann an die Tische: Alkoholfreies Radler. Für die 116 Senioren an Bord.
11.15 Uhr: Erwin spielt sich warm
Erwin Ecker ist, wenn man so will, ein alter Seebär. Mehrere Wochen pro Jahr verbringt er an Bord seines Segelschiffes in Griechenland, zudem organisiert und bespielt der Alleinunterhalter regelmäßig Floßfahrten. Heute hat es den 73-jährigen Altdorfer auf die Altmühlperle verschlagen – „wie jedes Jahr, wenn die Senioren hier feiern“, sagt er. „Ich bin seit 15 Jahren quasi Stammgast.“
Von Andreas Gabalier über David Hasselhoff bis hin zu Udo Jürgens habe er alles auf Lager, sagt der gelernte Schlossermeister, der gerade eine Hymne für „meine Stadt Landshut“ geschrieben hat. „Die habe ich heute aber nicht im Programm“, sagt Erwin und schießt gleich den ersten Klassiker raus: „Aber schön muss sie sein!“
11.43 Uhr: 116 Fleischpflanzerl und Weißwurst mit Ketchup...
„Entweder essen Senioren gerne Fleischpflanzerl oder unsere sind einfach richtig gut“, sagt Hannelore Gruber. Sie werkelt zusammen mit Christine Eberl in der Kombüse der Altmühlperle. „Ich bin jetzt seit acht Jahren dabei und an diesem Termin gab es noch nie etwas anderes.“
Freilich gehen an diesem tag auch andere Gerichte aus der Küche – „die Klassiker eben: Schnitzel, Bratwürstl, Currywurst“, sagt Gruber. Besonders bei den Fahrten um 11 Uhr und um 12.45 herrscht für die beiden Frauen Hochbetrieb und „dann muss alles zack zack gehen“, sagt Eberl, die schon seit knapp 22 Jahren auf der Altmühlperle kocht. „Aber wir sind ein eingespieltes Team, uns bringt nichts aus der Ruhe“.
Etwas gebe es dann aber doch, sagt Gruber: „Wenn ein Amerikaner Weißwurst mit Ketchup bestellt, da möchte man dann... Aber er kriegt‘s. Der Kunde ist ja König.“
12.13 Uhr: Nach dem Essen wird getanzt
„Bella bella bella Marie“ schallt es aus den Lautsprechern – und die Gäste lieben es. Textsicher singen sie beinahe jeden Gassenhauer mit, beklatschen jeden einzelnen Titel.
Viele der Senioren treibt es regelrecht auf die Tanzfläche – „zumindest die, die noch fit sind“, sagt ein Herr mit einem Augenzwinkern zu seinem Nebenmann, der sich das nicht zweimal sagen lässt: „Nach dem Essen gleich wieder ein paar Pfunde abstrampeln“, sagt er, während er die ihm gegenüber sitzende Dame zum Tanz auffordert– und fügt galant hinzu: „Nicht, dass Sie das nötig hätten.“
12.21 Uhr: Gäste aus Cottbus
Auf dem Sonnendeck haben es sich indes Lars und Martina Langner aus Hohenfels gemütlich gemacht. Die beiden haben Lars’ Mutter Christa und deren Freundin Erika aus Cottbus im Schlepptau und „wollen ihnen das schöne Altmühltal und Riedenburg zeigen. Weil die beiden nicht mehr so gut zu Fuß sind, machen wir das mit dem Schiff“, sagt Lars.
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Alle vier sind von der Natur begeistert, besonders Lars nimmt die Landschaft heute anders wahr: „Sonst sitze ich im Post-Lkw und fahre genau diese Strecke am Kanal entlang – jeden Tag. Da passt man gar nicht mehr auf, wie malerisch man es vor der Haustür hat. Heute kann ich das aber vor allem bei dem tollen Wetter – richtig genießen.“
12.24 Uhr: Mit dem Schiff verheiratet
Michael Sattler ist seit 1990 bei der Personenschifffahrt Steibl in Lohn und Brot, gehört schon zum Inventar. „Ich habe mit 16 Jahren hier meinen Beruf als Schiffsführer erlernt und bin seit dem Stapellauf 1994 mit der Altmühlperle unterwegs. Ich bin quasi mit dem Schiff verheiratet.“
Die Ansagen zu Sehenswürdigkeiten macht er – im Gegensatz zu den Donauschiffen, die mit GPS-automatisierten Ansagen arbeiten – selbst. „Das ist gar nicht schlecht, weil ich dann aktuelle Ereignisse wie die Rückkehr des Prunner Kodex in die Burg Prunn 2016 einstreuen kann.“
Wie es sich für einen „guten Ehemann“ gehört, will er der Altmühlperle auch weiterhin weiter die Treue halten.
12.40 Uhr: Die Jugend übernimmt
Kaum hat Mirko Schumann die Altmühlperle in Riedenburg an der Schiffsanlegestelle vertäut, wetzen die wartenden Gäste schon mit den Füßen – eine Schulklasse will an Bord. Seine Kommando – „Bitte auf dem Schiff nicht laufen“ – muss Schumann da schon zweimal lautstark ertönen lassen, bis es auch wirklich von allen akzeptiert wird. Aber dann funktioniert es reibungslos. „Ich kenne das. Jeder will halt die besten Plätze“, sagt Schumann verständnisvoll, während er die Fahrkarten kontrolliert.
Ob die besten Plätze für die Jugendlichen dann am Sonnendeck oder doch auf der Tanzfläche bei Alleinunterhalter Erwin lagen, diese Frage muss hier leider unbeantwortet bleiben...
Den ersten Serienteil – Eine Stunde rund um den Hundertwasserturm – finden Sie hier
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