Kultur
Diese Band trotzt allen Widrigkeiten

Evenstorm sind seit den 1980er Jahren der Maßstab der Kelheimer Rockmusik-Szene. Richtige Rockstars wurden sie aber nie.

27.09.2018 | Stand 16.09.2023, 5:55 Uhr
Roland Kugler

Sie sind etwas älter geworden, haben aber immer noch jede Menge Spaß wilde Musik zu machen, und sind dabei besser denn je - von links Ben.E, Stefan, Joe und Punky - Evenstorm.

Evenstorm. Jeder der in den 1980er und 1990er Jahren noch nicht alt war kennt sie – die Rede ist vom Urgestein der Kelheimer Rockmusik. Vier Freunde aus den Jahrgängen 1962 bis 1965, vier ganz normale Männer unserer Zeit. Sie sind Sozialpädagoge, Bäcker, Projektleiter in der Autoindustrie. Verheiratet, Familien, schon wieder geschieden oder haben es gleich bleiben lassen. Eines eint sie : die Leidenschaft, zusammen Musik zu machen. Nicht irgendeine, sondern die einzig Wahre: Hardrock und Heavy Metal - schnell, hart und laut.

Fünf Stunden auf der Bühne - das ist bei Evenstorm keine Seltenheit

1985 haben sie Evenstorm gegründet, da hatte jeder schon vorher in anderen Bands gespielt. Seitdem schallt es in Kelheim und weit darüber hinaus aus: „Evenstorm attacks the town“. Wer sich davon überzeugen möchte hat demnächst bei ihrem traditionellen Herbstgig die Möglichkeit dazu. Man sollte allerdings schon einiges an Zeit und Kondition mitbringen.

2011 stellten Evenstorm ihr Album „The Return of den Storm“ vor:

Denn die Jungs kommen zwar langsam in die besten Jahre, aber mit ihnen ist es wie mit einem guten Wein: je älter, desto besser. Sie haben nichts von ihrer Spielfreude verloren, und Erfahrung und Können sind noch gewachsen. Unter fünf Stunden gehen sie nicht von der Bühne, eher sechs. Und mit welcher Präsenz, Energie und Freude sie von der ersten bis zur letzten Nummer live abrocken, ist bewundernswert und ein Erlebnis.

Bandbilder aus dem 1980er Jahren sind zum Schreien

Sie waren schon in ihren Anfängen ein Bild ihrer Zeit. Zum Schreien die Fotos aus den 1980er Jahren: Schnauzbart, Locken, Riesenmatte auf dem Kopf, vorne kurz hinten lang. Jeansjacken, Gitarren, ein alter Mercedes-Bus. Vier Jungs die davon träumten Rockstars zu werden. Ganz so weit haben sie es nicht gebracht, dafür leben und spielen sie noch immer. Erlebt und zu erzählen haben sie aber einiges, wie ein Besuch in Stefans zum Proberaum umfunktionierten Keller zeigt.

„Früher haben wir nach den Auftritten die ganze Nacht durchgefeiert. Mit Musikern und Fans“,Stefan, Schlagzeuger

Der Raum ist voll mit alten Marshall-Boxen bis zur Decke hoch. Ein ebenso altes Mischpult, überall Kabel, Mikroständer, Schlagzeug, zwei Gitarren, Bass. Es gibt nur einen Hocker. Den vom Schlagzeug. Wir sitzen auf dem Boden bei einer Kiste Bier. Joe zeigt Fotos und Zeitungsausschnitte von früher, alle amüsieren sich und können es nicht glauben, wie schnell die Zeit vergangen ist.

Flöte und Kirchenchor standen bei den Bandmitgliedern am Anfang der Karriere

„Ich hab bei der Einschulung mit Flöte angefangen“ erzählt Joe. Der eigentlich Franz Josef Ziegler heißt, „aber das ging natürlich gar nicht“, weshalb er schon seit seiner Jugend der Joe ist. Dann hat er Gitarre gelernt, in verschiedenen Bands gespielt. „Glamrock wie Sweet hab ich bewundert, auch Led Zeppelin. Und Judas Priest, unser aller Vorbild.“

„Ich war einer der ersten Punks in Kelheim.“„Punky“ Klaus Malik

Punky heißt Klaus Malik. „Ich war einer der ersten Punks in Kelheim“, erinnert er sich. „Ausgeflippt angezogen, und mit rotem Irokesenschnitt.“ Er ist in Hemau aufgewachsen, wollte immer schon Musik lernen, „aber damals hat es nichts gegeben. Ich hab Status Quo gesehen, mir auf einer Konzertgitarre die ersten Griffe beigebracht. Dann zog ich nach Kelheim und hab Joe getroffen. Er hatte schon eine E-Gitarre. Zusammen haben wir gesungen und gespielt.“

Mit Alice Cooper aufgewachsen

Bei Ben.E und Stefan war es ähnlich. Ben.E heißt Michael Bernert, den Punkt und das große E hat Stefan erfunden. „Ich hab auch Flöte gelernt, „sagte Ben.E und lacht, „so gut, dass ich bald mit den Mädels im Duett gespielt hab.“

Einen guten Humor haben sie alle. „Ich war sogar im Kirchenchor. Gitarre hab ich autodidaktisch gelernt, ich hatte nie eine Unterrichtsstunde. Aber ich bin mit Alice Cooper aufgewachsen.“ „Ich war auf der Sing- und Musikschule“, erzählt Stefan. Er heißt Stefan Kreitczick, da ist der Nachname schon kompliziert genug.

„Ich hab vier Jahre Gitarre gelernt, dann Klavier, alles erfolglos. Bei einer Zugtour mit Freunden hab ich beim Chinesen mit den Stäbchen gespielt. Das hat mir gefallen.“ So ist er Schlagzeuger geworden. Im Februar 1985 haben sich die vier getroffen und Evenstorm gegründet. Sozialkritische Texte haben sie gemacht, gegen Krieg und Umweltzerstörung. Und auch welche zur Gaudi. Es war die Zeit als diese Musik im Kommen war.

Der finanzielle Absturz kam in der Schweiz

Es ging rasant bergauf, Evenstorm wurde bekannt. Sie wollten Profis werden, liehen sich Geld, fuhren 1989 zu Probeaufnahmen in die Schweiz. Und fielen voll auf die Fresse. „Ein Tag im Studio kostete 990 Franken“ sagt Stefan. Sie haben im Hotelzimmer auf dem Balkon mit dem Gaskocher Nudeln gekocht, „weil die Schweiz damals schon sauteuer war“ sagt Punky. „Damit wir uns wenigstens Bier kaufen konnten“ sagt Ben.E. Sie waren drei Wochen lang im Studio. Aus der in Aussicht gestellten Platte wurde nichts, irgendwann war die Firma weg und auch das Geld. „Wir waren naiv und unerfahren“ sagt Stefan. „Und wir hatten 27 000 Mark Schulden. Wir mussten lange spielen bis wir sie zurückgezahlt hatten.“

Evenstorm 2014 „Determined to rock“

Schulden und fast das Ende

Aber sie haben trotz Krisen nie aufgegeben. „Wer weiß, wozu es gut war“ sagt Joe. „Wenn wir Erfolg gehabt hätten, würden wir heute wahrscheinlich nicht mehr zusammen spielen.“

Sie rockten weiter, durch alle Höhen und Tiefen. In Mühldorf haben sie vor dreizehn Besuchern gespielt. In einem Wirtshaus in Grafenau mussten sie die Boxen in den Fenstern unterbringen. Sie haben aber auch vor tausenden Leuten gespielt, in Zelten, auf Festivals. Sind für Auftritte nach Norddeutschland und bis nach Süditalien gefahren.

„Jedes Fußballspiel ist aggressiver.“Joe, Gitarrist bei Evenstorm über die Stimmung bei ihren Konzerten

„Wenn wir heute spielen, kommen unsere treuen Fans wie zu einem Generationentreffen“ sagt Punky. „Manche bringen ihre Kinder mit, und es ist schön, wenn die unsere Lieder mitsingen.“ „Immer friedlich“ sagt Joe, „jedes Fußballspiel ist aggressiver.“ „Bei und gibt es keine Verlierer“ sagt Stefan. „Nur einmal gab’s einen Unfall, ein Lichtmast ist aufs Schlagzeug gefallen und hätte mich fast erschlagen“ erzählt er. „Einmal hat bei zu viel Pyro-Show der Bühnenvorhang Feuer gefangen“ sagt Joe. Sie lachen darüber, und öffnen sich noch eine Halbe.

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