Bildung
Abensberg wird Hochschul-Standort

Die Babonenstadt erhält mit Cham und Tirschenreuth den Zuschlag für einen dezentralen Studiengang „Soziale Arbeit“.

16.06.2015 | Stand 16.09.2023, 7:10 Uhr
Im Abensberger Aventinum könnten zum Wintersemester 2016/17 die ersten Studenten sitzen. −Foto: Archiv/Dennstedt

Gute Nachrichten gab es am Dienstagmittag aus München: Wissenschaftsminister Dr. Ludwig Spaenle gab bekannt, dass Abensberg einer von zehn neuen Hochschulstandorten im Freistaat ist. Konkret erteilte er den Zuschlag für den berufsbegleitenden Bachelorstudiengang „Soziale Arbeit“. Die Ostbayerische Technische Hochschule (OTH) Regensburg bietet diesen künftig dezentral an den Standorten Stadt Abensberg, Landkreis Cham und Stadt Tirschenreuth an. Mit dem Angebot sollen sich Interessierte direkt in der Region weiterqualifizieren und hinterher in dieser wieder für Führungsaufgaben und als Spezialisten zur Verfügung stehen, so Spaenle.

Bei Abensbergs Bürgermeister Dr. Uwe Brandl war die Freude „riesengroß“. Er hofft, dass nun der Studiengang auf genügend interessierte Studenten stößt. Brandl ist jedoch optimistisch. Denn eine Vorerhebung im vergangenen Jahr sei auf ein breites Echo gestoßen. Ab wann genau der erste Jahrgang im Aventinum einziehen könnte, wusste Brandl am Dienstag noch nicht genau. Ihm sei es aber grundsätzlich wichtiger, dass vorher alle offenen Fragen gelöst sind und von Anfang an alles gut funktioniere, bevor man einen Schnellstart hinlege.

Dass künftig im sozialen Bereich – von Kindergarten und Schule über Jugendpflege bis hin zur Betreuung von Menschen mit Behinderung oder von Senioren – zunehmend mehr Führungspersonal benötigt wird, steht für Bürgermeister Brandl, aber auch für Bewerbungs-Partner Michael Eibl, den Direktor der Katholischen Jugendfürsorge (KJF), oder OTH-Projektmanager Boris Goldberg außer Frage. Der Zuschlag für den sozialen Studiengang wundert den Referenten für Hochschulentwicklung daher nicht, „das ist einer der Boombereiche der kommenden Jahre“. Zudem könne der Bereich „Migration und Flüchtlinge“ zu einem Schwerpunkt des neuen Studiengangs werden, schätzt Goldberg. Mittelfristig gesehen, dürfte dies der „brennendste Bedarfsbereich“ auf dem sozialen Arbeitsmarkt sein.

An der OTH Regensburg geht man aktuell davon aus, dass der neue Bachelorstudiengang zum Wintersemester 2016/17 startet, so Boris Goldberg zur MZ. Zunächst müssten nun Ausschreibungen für Personal und drei neue Professuren getätigt werden. Des Weiteren müsse um Studenten geworben und vor Ort die Infrastruktur hergestellt werden. Wobei für Letzteres in Abensberg nicht viel zu tun sei. „Der technische Standard ist dort bereits sehr hoch“, lobt Goldberg, der sich kürzlich im Aventinum ein Bild von der Austattung gemacht hat. Einzig Spezifisches wie die Ausstattung für Videokonferenzen müsste noch installiert werden. Pro Jahr erhält die OTH rund 800 000 Euro für die Einrichtung des Studiengangs.

Für alle drei Standorte müssen sich ingesamt mindestens 30 Interessierte finden, erklärt der Projektleiter. Also mindestens zehn pro Standort. Der neue berufsbegleitende Studiengang richte sich in erster Linie an Erzieher, Heilerziehungspfleger und Heilpädagogen. Die Nachqualifizierung sei so ausgerichtet, dass diese neben einer Vollzeittätigkeit zu belegen sei. Sprich: Es wird Online-Unterstützung geben, Studienangebote in Blöcken bzw. am Wochenende. Laut Dr. Tobias Hammerl von der Stadt Abensberg ist der Studiengang so konzipiert, dass er sich den Bedürfnissen der Berufstätigen optimal anpasse. Deshalb sollen auch neue Lernformen wie E- oder Distance Learning zum Einsatz kommen.

Praktika spielten laut Goldberg eine untergeordnete Rolle, denn die Kernzielgruppe komme ja aus der Praxis. Praxisbezug sei dennoch wichtig. Bislang bestehen laut OTH Absichtserklärungen mit der KJF, der Jugendbildungsstätte Waldmünchen und dem Kolping Bildungswerk. Während der im Studium integrierten Praxismodule können die Studierenden bei den Einrichtungen vor Ort Projektarbeiten durchführen und Felderfahrung sammeln. „So ist eine unmittelbare Anbindung des Studiums an die Bedarfslagen der Praxis sichergestellt“, erläutert Prof. Dr. Barbara Seidenstücker, Prodekanin der Fakultät Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften.

Innovativ ist laut Boris Goldberg vor allem das dezentrale Angebot. Denn anders als bei technischen Studiengängen gibt es nicht wenige Arbeitgeber an großen Standorten, sondern an vielen Orten viele kleine Betriebe. Dr. Brandl glaubt, dass u.a. das „von uns initiierte Netzwerk an Bildungspartnern, von Schulen über das BBW bis zum Seniorenheim“ für den Zuschlag entscheidend gewesen sei. Den neuen Studiengang wertet er auch als Standortvorteil für die ansässigen Einrichtungen. Anstelle mühsam Personal auf dem leergefegten Markt zu rekrutieren, könnten Institutionen vor Ort ihr eigenes Personal weiterqualifizieren.

Das hat unter anderem die KJF als größter sozialer Arbeitgeber in der Region vor, wie Direktor Michael Eibl auf Nachfrage bestätigt. Für Aufstiegsmöglichkeiten und dem Decken des Fachkräftebedarfs sei das Angebot von größtem Interesse. Eibl sieht wie Goldberg den Bereich „Flüchtlingsbetreuung“ als einen der Schwerpunkte der Zukunft. Kurze Wege zwischen Hochschule und Praxis seien wichtig und spannend.

Landtagsabgeordneter Martin Neumeyer „freut sich sakrisch“. Aus dem Landratsamt gratuliert Dr. Hubert Faltermeier: „Wir freuen uns und gratulieren der Stadt Abensberg.“ Mit dem Zuschlag könne der Landkreis einen zweiten Hochschulstandort vorweisen. Der erste liegt in Bad Abbach. Dort ist die medizinische Fakultät der Universität Regensburg mit dem Lehrstuhl für Orthopädie, Professor Dr. Joachim Grifka, vertreten.Positiv äußerten sich auch Vertreter von Schulen, etwa Abensbergs Realschulleiterin Maria Warsitz-Müller. „Das ist ein bedeutender Mosaikstein für die Bildungslandschaft in Abensberg und eine einmalige Chance für die Region.“ Ihre Schule, die einen sozialen Zweig anbietet, sei auch für eine Kooperation aufgeschlossen.