MZ-Serie
Kurz vor Schluss dem Tod entronnen

Leutnant Gottfried Fährmann wurde am 5. April 1945 nahe Bad Abbach mit dem Düsenjäger abgeschossen. Er überlebte.

03.04.2015 | Stand 16.09.2023, 7:09 Uhr
Leutnant Gottfried Fährmann war einer der wenigen Piloten, die zu Kriegsende den Düsenjäger Me 262 in der „Staffel der Experten“ flogen. Er war der Rottenkamerad von Johannes Steinhoff (l.). −Foto: Fotos: Sammlung Schmoll

Der Krieg war längst verloren – aber das Nazi-Regime wehrte sich im April 1945 noch immer verzweifelt gegen die Übermacht der Alliierten. Am Boden und in der Luft. Der 5. April 1945 wurde zum zweiten Geburtstag für den jungen Luftwaffen-Leutnant Gottfried Fährmann. Sein Düsenjäger, eine hochmoderne Messerschmitt 262, von den Piloten „Turbo“ genannt, wurde im Luftkampf bei Bad Abbach von einem amerikanischen Thunderbolt-Jäger abgeschossen. Seine Maschine krachte in die Donau – Fährmann sprang mit dem Fallschirm ab und überlebte den Krieg.

Sein Schicksal dokumentiert Peter Schmoll, der sich seit langem intensiv mit dem Luftkrieg und der Flugzeugproduktion der Jahre 1939 bis 1945 im Großraum Regensburg beschäftigt. Im Herbst wird sein Buch „Luftangriffe auf Regensburg“ neu erscheinen. Seine Bücher „Die Messerschmitt-Werke im Zweiten Weltkrieg“ und „Luftangriff“ aus dem MZ-Verlag sind seit Jahren die Standardwerke für diesen Teil der regionalen Kriegsgeschichte.

Die „Staffel der Experten“

Der Messerschmitt-Düsenjäger, der in den letzten Kriegsmonaten in aller Eile an die Fronten gebracht wurde und im Waldwerk „Stauffen“ bei Wolfskofen endmontiert und auf dem Fliegerhorst Obertraubling eingeflogen wurde, war den alliierten Jägern weit überlegen. Im April 1945 verlegte der Jagdverband 44 (JV 44) unter Generalleutnant Adolf Galland acht Me 262 vom Flugplatz Brandenburg/Briest nach München/Riem. Diese „Staffel der Experten“ war erst Anfang März 1945 aufgestellt worden. Zu ihr gehörten viele hochdekorierte Piloten, wie Gerhard Barkhorn, Walter Krupinski, Günther Lützow und Johannes Steinhoff. Steinhoffs Adjutant war Gottfried Fährmann.

Am 5. April 1945 wurde Alarm gegeben: Um 10.27 Uhr waren in München die beiden Me 262 des Jagdverbandes 44 zu einem Abwehreinsatz gegen eine Übermacht von 397 viermotorigen Bombern mit 280 Begleitjägern gestartet. Oberst Johannes „Mäcki“ Steinhoff und Leutnant Fährmann flogen in nördliche Richtung und trafen um 10.40 Uhr im Großraum von Regensburg auf die US-Bomber, die in Richtung Bayreuth, Grafenwöhr und Weiden vorstießen.

Keine Chance mehr im Luftkampf

Vermutlich durch Beschuss fiel beim zweiten Angriff auf die Bomber bei der „Weißen 2“ von Leutnant Fährmann ein Triebwerk aus. Fährmann drehte unter Höhenaufgabe nach Süden ab, wurde aber sofort von feindlichen Jägern vom Typ P-47 „Thunderbolt“ verfolgt. Fährmann hatte in dem Luftkampf südwestlich von Regensburg keine Chance. Mehrere Treffer in Rumpf und Tragflächen verursachten einen Triebwerksbrand, und die Me 262 ging in den Sturzflug über. In rund 1000 Metern Höhe gelang es dem Piloten, mit dem Fallschirm abzuspringen. Da Leutnant Fährmann bei sehr hoher Geschwindigkeit ausgestiegen war, war der Aufprall auf die Luft dem gegen eine Mauer gleichzusetzen.

In einer Schilderung gegenüber Peter Schmoll berichtete Leutnant Fährmann 1989: „Der Aufprall auf die Luft war derart heftig, dass ich fast das Bewusstsein verloren hätte. Mein ganzer Körper schmerzte und ich dachte schon, mir wären Arme und Beine ausgerissen worden.“ Während sein „Turbo“ im fast senkrechten Sturzflug bei Gundelshausen unter einer turmhohen braunen Wassersäule in der hochwasserführenden Donau versank, landete der Pilot oberhalb von Lohstadt in einem hohen Baum, der den Landestoß sanft abfederte. Ein Landwirt kam mit einer Leiter und befreite ihn aus seiner misslichen Lage. Der Bürgermeister verständigte telefonisch den Gefechtsstand in Feldkirchen und stellte ihm eine Bescheinigung über die Fallschirmlandung aus.

Die Absturzstelle der Me 262 befindet sich etwa 150 bis 200 Meter unterhalb der Einmündung der heutigen Schifffahrtsschleuse gegenüber der Steinbrüche von Oberndorf. Vom Flugzeug wurden nach dem Krieg nur einige zerfetzte Bleche gefunden. Der Rest verschwand spurlos in der Donau.

Me 262 ging in Flammen auf

Leutnant Fährmann landete oberhalb von Lohstadt in einem Waldstück mit der Flurbezeichnung Rosengarten. Den Luftsieg erzielte der US-Captain John C. Fahringer von der 63. Fighter Squadron (56. Fighter Group), ermittelte Peter Schmoll in Washingtoner Archiven. Laut Kriegstagebuch der 8. US-Luftflotte verlor der Bomberverband fünf Bomber B-24, und fünf weitere wurden zum Teil schwer beschädigt. Zumindest ein Teil dieser Verluste dürfte auf die zwei Angriffe der beiden Me 262 von Oberst Johannes Steinhoff und Leutnant Gottfried Fährmann zurückzuführen sein.

Oberst Steinhoff wurde am 18. April 1945 schwer verwundet, als seine Me 262 mit hoher Geschwindigkeit beim Start verunglückte. Die Me 262 war mit einem Fahrwerk in einen verfüllten Bombentrichter geraten, kam aus der Startrichtung, riss das Fahrwerk an der Rollfeldringstraße ab und ging in Flammen auf. Steinhoff zog sich dabei schwere Verbrennungen im Gesicht zu, die ihn Zeit seines Lebens kennzeichneten. Er trat nach dem Krieg der neuen deutschen Luftwaffe bei und wurde zum Generalinspekteur ernannt. Auch Gottfried Fährmann überlebte den Krieg. Der Einsatz bei Regensburg war sein letzter Flug.