Geselligkeit
A Cafetscherl für die Brandler

Obwohl andere schließen mussten, setzte Heidi Kiermeier ihre Idee mit einem neuen Lokal um. Der Erfolg gibt ihr Recht.

19.08.2019 | Stand 16.09.2023, 5:25 Uhr
Renate Beck

Mit ihrem „Cafetscherl“ traf Heidi Kiermeier den Nerv der Zeit. Foto: Renate Beck

Immer, wenn Heidi Kiermeier einst ihre Schwiegermutter besuchte, war einer deren ersten Sätze: „Magst a Cafetscherl?“ Seit Ende Juli lädt die Schwiegertochter nun selbst „Zum Cafetscherl“. Ein liebevoll gestaltetes Plakat mit diesem Firmennamen hängt neben der Eingangstüre in der Schulstraße, hinter der vormals Schreibwaren und später Farben zu kaufen waren.

Erinnerungen an Oma

Vorbei an Kisten mit regionalem Obst und Gemüse und einladenden Sitzgruppen unter Sonnenschirmen betritt der Gast neuerdings einen Raum, der an das Wohnzimmer seiner Eltern und Großeltern erinnert. Nierentische, Tütenlampen, samtüberzogene Omasessel, eine hölzerne Eckbank mit rotem Kunstlederbezug und ein gemütliches Kanapee laden zum Verweilen ein. Alles in diesem Raum versetzt Nostalgiker in die Zeit der 1950er und 1960er Jahre. In der stilgerechten Garderobe können Jacke und Mäntel abgelegt werden.

Sammeltassen und gestärkte Spitzendeckchen sind auf originalen Tischdecken dieser Zeit zu entdecken. Lediglich das damals beliebte kaffeeähnliche Getränk aus Pflanzen, den „Muckefuck“, sucht man hier vergebens. Stattdessen gibt es modernen Latte macchiato & Co. Heidi Kiermeier zeigt sich überrascht von dem Erfolg ihres Cafetscherls. Die ehemalige Supermarktleiterin wollte nach einer längeren Krankheit wieder arbeiten.

Konkurrenz:Mithilfe:
Für Heidi Kiermeier ist dieses Denken ein falsches Denken: „Je mehr in Ihrlerstein geboten wird, umso mehr Leute bleiben. Ein Konkurrenzdenken sollte man in einer kleinen Gemeinde wie der unseren ablegen. Ein Dorfwirtshaus wäre wichtig.“„Alle Kiermeiers sind in Ihrlerstein integriert. Und – wir haben einen guten Zusammenhalt, sonst wär das nicht möglich.“

„Ich wollte mich als Dienstleister selbstständig machen“ erzählt sie unserer Mitarbeiterin. Ihre drei Töchter kamen auf folgende Idee: „Dann macht ma halt a Café auf.“ Die Frage des möglichen Standortes war schnell geklärt: Heidi Kiermeier arbeitete in der Vergangenheit mehrere Jahre bei Paul Wutzlhofer im gleichnamigen Farbenhaus, das mittlerweile leer stand. „Ich wollte in Ihrlerstein was machen, also sprach ich den Paul darauf an.“ Paul Wutzlhofer konnte sich ihre Idee mit einem Lokal im ehemaligen Verkaufsraum gut vorstellen und sagte ihr zu. Nicht nur die Töchter Veronika, Franziska und Katharina und deren Ehemänner, sondern auch ihr Ehemann und ihre Eltern unterstützten sie von Anfang an. „Wir wollten aber anders sein. Was anderes machen. Und es sollte bezahlbar sein“, berichtet die rührige Brandlerin.

„Wir wollten aber anders sein. Was anderes machen. Und es sollte bezahlbar sein“Heidi Kiermeier, Café-Betreiberin

Weil es diesen Einrichtungsstil ihres Wissens nach im Umkreis noch nicht gab, entschloss sie sich für den Vintage-Stil aus der Zeit des „Wirtschaftswunders“. Die dazu passenden Möbel fand sie über das Internet. Gemeinsam mit Schwiegersohn Michael holte sie die alten Einrichtungsgegenstände ab. Sie lacht: „Dabei haben wir ganz Bayern kennengelernt.“ Zuhause wurden die neu erstandenen Teile geputzt, neu gestrichen, neu bezogen und bei Bedarf vom Opa mit neuem Schellack aufgepeppt.

Großer Ansturm

Damenrunden jeden Alters genießen Kaffeevariationen aus dem geblümten Kaffeegeschirr, Jugendliche holen sich einen Snack, Pärchen und Familien sitzen vor liebevoll angerichteten Tellern mit dem Frühstück „Fürs Gspusi und mi“. Wer mag, kann der Chefin beim Kuchenbacken zusehen. „Zum Großteil backe ich hier im Lokal. Meine Töchter helfen dabei.“ Die Gäste sind voll des Lobes. Für sie ist es ein Ort, an dem man sich auch kurzfristig trifft – „an einem Ort, der Atmosphäre ausstrahlt“.

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