Schutz
Rehkitz-Retter gründen Verein

Stefanie Reichl hat in diesem Jahr 27 Tieren das Leben gerettet. Sie und Angela Bauer wollen sich weiter dafür einsetzen.

06.08.2021 | Stand 16.09.2023, 1:19 Uhr
Gabi Hueber-Lutz
Stefanie Reichl geht mit ihrer Drohne auf die Suche nach Rehkitzen. Als Helfer ist oft auch ihr Bruder Matthias mit dabei. −Foto: Gabi Hueber-Lutz

Die Gefahr droht in den ersten Lebenswochen. Rehkitze werden von ihren Müttern nach der Geburt im hohen Gras versteckt. Wird das Feld gemäht, bedeutet das den sicheren Tod für die kleinen Kitze. Ein Gedanke, der Landwirte und Tierschützer umtreibt. Stefanie Reichls Nummer wird daher in den Sommermonaten gern angewählt. Bauern rufen sie, wenn sie vorhaben, ihr Feld zu mähen. Dann rückt sie ganz früh am Morgen aus, begleitet von ihrem Vater Werner, ihrem Bruder Matthias oder anderen Helfern.

„Wer grad Zeit und Lust hat um drei Uhr aufzustehen“, schmunzelt die 26-Jährige. Immer mit dabei ist ihre Drohne, die über eine Wärmebildkamera verfügt. Systematisch sucht sie mit der Drohne das Feld nach Kitzen ab.

Manchmal fährt sie auch nach Adlstein bei Sinzing und hilft mit der Drohne bei ihrer Freundin Angela Bauer aus, die für ihre Pferde selbst Heu macht. Die beiden Frauen haben nun die Initiative ergriffen und einen Verein zur Rettung von Rehkitzen gegründet. Stefanie Reichl ist mit ihrer Drohne nämlich viel im Einsatz. Die Bauern nehmen ihr Angebot sehr gern an.

In der kritischen Zeit von Anfang Mai bis Ende Juni war die junge Frau, die bei der Kreisfinanzverwaltung am Kelheimer Landratsamt arbeitet, an elf Tagen im Morgengrauen unterwegs und hat insgesamt 27 Rehkitze gerettet. Meist hat sie mehrere Felder abzusuchen, denn wenn das Wetter günstig ist, mäht nicht nur ein Landwirt sein Feld. Der Einsatz ist durchaus stressig, sie muss schnell und gründlich arbeiten. „Man hat da schon Verantwortung, da geht es um Leben und Tod.“

Zeigt die Kamera eine Fundstelle an, schnappt sich ein Helfer eine große Schachtel und die Einmalhandschuhe. Er lässt sich zu der Stelle dirigieren, an der die Kamera das Kitz geortet hat, nimmt noch große Grasbüschel in die Hände, fasst damit das Kitz an und legt es in die Schachtel. Dort bleibt es, bis das Feld gemäht ist. Um den Vorgang zu verstehen muss man einiges über Rehe wissen.

Stefanie Reichl und Angela Bauer teilen ihr Wissen gern. Da ist zunächst der Druckinstinkt, der in den ersten Wochen nach der Geburt aktiviert wird sobald ein Rehkitz eine Bewegung in seiner Nähe wahrnimmt. Dann erstarrt es komplett. Es könnte sich ja ein Fuchs anschleichen, der auf die Bewegung einer möglichen Beute reagiert. Aber auch ein Traktor löst diesen Druckinstinkt aus. Das Rehkitz bleibt regungslos liegen, nicht ahnend, dass das seinen sicheren Tod bedeutet. Für die Helfer beim Aufspüren von Rehkitzen macht es dieser Instinkt hingegen einfach, das Tier zu bergen.

Allerdings müssen sie sehr, sehr vorsichtig mit dem Kitz umgehen. Es darf kein menschlicher Geruch an ihm haften bleiben, sonst nimmt es die Mutter nicht mehr an. Daher die Handschuhe, daher die Grasbüschel. Die Helfer müssen auch darauf achte, die Schachtel mit dem Kitz sehr gut zu verschließen. Rehkitz und Geiß verständigen sich nämlich durch laute Rufe. Und hat die Mutter ihr Junges in der Schachtel erst einmal ausgemacht, setzt sie alles daran, die Schachtel zu öffnen.

Ihre Drohne hat Stefanie Reichl angeschafft, als sie sich immer mehr über den Tod von Rehkitzen im Feld gelesen hatte. Mit ihr kann sie zirka vier bis fünf Hektar in der Stunde absuchen. 3 400 Euro hat das Fluggerät gekostet. Kein Pappenstiel, trotzdem ist es nicht das beste Modell, bedauert die Tierretterin.

Genau an diesem Punkt kommt die Vereinsgründung ins Spiel. Tierschutzvereine bekommen nämlich seit dem Frühjahr über ein Bundesprogramm einen Zuschuss für die Anschaffung von Drohnen. Seither spekuliert Stefanie Reichl auf eine Drohne mit weitaus besserer Kamera, die pro Stunde 20 bis 25 Hektar schafft. Also ein Gebiet, so groß wie ungefähr 50 Fußballfelder. Ein solches Modell kostet 6000 Euro; 60 Prozent erstattet das Förderprogramm.

Ein Einsatz wie ihn Stefanie Reichl zeigt, ist nicht selbstverständlich. Der Teugner Gemeinderat hat sie deshalb kürzlich dafür ausgezeichnet. Bürgermeister Manfred Jackermeier überreichte ihr eine Urkunde und ein kleines Geschenk.