Er dachte immer erst an die anderen
Der älteste Einwohner von Wildenberg ist gestorben

27.11.2022 | Stand 15.09.2023, 2:43 Uhr
Roswitha Priller
Nahezu täglich läutete Anton Mies in der Schweinbacher Kapelle von Hand die Glocken. −Foto: Geigenberger

Das Leben von Anton Mies begann vor fast einem Jahrhundert am 30. Mai 1924 in Schweinbach. Die Hundert voll zu machen hat Anton Mies nicht ganz geschafft, letzte Woche starb der älteste Einwohner von Wildenberg im Alter von 98 Jahren auf seinem Hof.

Bis zum Schluss war Anton Mies aktiv, kümmerte sich auf seinem Anwesen und übte täglich das Amt des Mesners für die Schweinbacher Kapelle aus. Noch an seinem Sterbetag ging er wie gewohnt die vielen Stufen hinauf und läutete zur Mittagszeit von Hand die Glocken. Mies‘ Vorfahren stammten aus dem Bayerischen Wald und waren einst zum Hopfenzupfen in die Hallertau gekommen. Anton war das fünfte von insgesamt acht Kindern. Er und seine Geschwister mussten früh mithelfen, um die Tiere – drei Sauen, vier Kühe, später kam ein Ochse dazu – zu versorgen.

Kleines Anwesen

Zum Hof gehörten damals ein Hektar Wald, drei Hektar Feld und Wiesen sowie 1500 Stöcke Hopfen. Ein kleines Anwesen im Vergleich zu den Höfen, auf denen Anton nach der Volksschulzeit als Dienstbote arbeite: Beim Hilz in Eschenhart und beim Priller in Irlach.

Besonders gut gefiel ihm die Arbeit mit den Pferden: Beim Hilz zeigte man ihm, wie man die hofeigene Kutsche lenkte. So konnte er die Bäuerin damit sonntags in die Kirche fahren. Dafür bekam er von ihr normalerweise 50 Pfennig Trinkgeld, was seinen Wochenlohn von zwei Reichsmark erheblich aufbesserte. Seine Jugend endete abrupt, als Anton als 19-Jähriger im Jahr 1943 eingezogen wurde. 1944 geriet er in russische Kriegsgefangenschaft und musste fünf Jahre in einem Arbeitslager auf der Halbinsel Krim verbringen. Auch Jahrzehnte später sprach er nie schlecht über die Russen, vor allem nicht über die einfache Bevölkerung, die ihm – obwohl selbst bettelarm – manchmal sogar Lebensmittel zusteckte. „Wir versuchten immer, bei ihnen die Seife, die wir als Ration bekamen, gegen Brot einzutauschen“, erzählte er später. „Denn wir waren sowieso immer dreckig, und die Seife war bei den Leuten sehr begehrt.“

60 Jahre verheiratet

Erst 1949 kehrte Anton nach Schweinbach zurück. Er übernahm den Hof und heiratete vier Jahre später Therese Sperger aus Wildenberg, mit der er über sechzig Jahre verheiratet war. Gemeinsam modernisierte das Paar das kleine Anwesen und zog die Kinder Gerhard, Josef und Elisabeth groß. Sie bescherten Anton acht Enkelkinder, denen er ein herzensguter Opa war. Er nahm sich immer Zeit, um gemeinsam Schneemänner zu bauen, für eine Partie Mühle oder auch, um Holzspielzeug zu schnitzen. Später freute er sich sehr über die insgesamt fünf Urenkel, mit denen er auch mit 98 noch „Schuaster Miche“ spielte.

Für das Spielen mit den Kindern blieb mehr Zeit, nachdem er den Hof vor 35 Jahren an Tochter Elisabeth und Schwiegersohn Hans übergeben hatte. Doch kürzer trat Anton deshalb nicht. Ob auf dem Feld, auf dem Hof oder im Wald, er half weiter, wo er konnte. Besonders gern zeigte er alte Fähigkeiten, um sie an Jüngere weiterzugeben, wie das Binden von Reisigbesen, das Ackern mit einem Handpflug oder das Mähen mit der Sense. Die Dorfgemeinschaft schätzte den „Miasn Done“ für seine gesellige und hilfsbereite Art. Sei es in den Vereinen oder in seinem jahrzehntelangen Ehrenamt als Schweinbacher Mesner, bei dem er von seiner Frau unterstützt wurde.

Aktiv bis zuletzt

Ihr Tod im Jahr 2016 war ein schwerer Schicksalsschlag, ebenso der Tod von Sohn Gerhard im vorigen Jahr. Wieder war es sein Glaube und das „Aufgehoben sein“ in der Familie, das ihm über die schwere Zeit hinweghalf. Anton blieb rührig. Dass er so gesund so alt werden durfte, nahm er als große Gottesgnade hin.

Als er an seinem Sterbetag seine Hühner einsperren wollte, verließen ihn auf dem Weg die Kräfte. Nachbar Thomas und Tochter Elisabeth eilten sofort zur Hilfe. Doch seine Zeit war gekommen – wie er es sich gewünscht hätte, daheim bei der täglichen Arbeit. Seine letzten Worte zu Thomas: „Bitte schau noch, dass das Hehnerloch gschei’d zu ist“, zeugen davon, dass er sein Lebtag immer zuerst an alle anderen dachte – auch in dem Moment, als er für immer die Augen schloss und sich in Gottes Hand wusste.