MZ-Serie
Ein wenig Sonnenschein im Leben

Monique Menzel-Ummenhofer kennen viele nur als quirlige Zauberin. In unserer Video-Porträtreihe spricht sie auch über den Tod.

30.01.2014 | Stand 16.09.2023, 7:13 Uhr
Andrea Jakob
Andrea Fiedler
Monique Menzel-Ummenhofer beschreibt sich als harmoniesüchtigen Menschen. Ihr Glück will sie mit anderen teilen. −Foto: dgmedia

Monique Menzel-Ummenhofer spricht vom Sterben. Ihre Stimme wird jetzt leiser. Zwischen den Sätzen macht sie eine Pause. Die 43-Jährige sitzt auf dem roten Sofa im Wohnzimmer und zieht ihre Beine an den Körper. Über der offenen Terrassentür hängt ein Windspiel. Wenn ein Luftzug durch die Perlmuttplättchen fährt, klimpern sie. „In erster Linie bin ich glücklich und dankbar, dass ich lebe“, sagt sie. Ihre Finger berühren das Kettchen an ihrem Fußgelenk, das einmal ihrer besten Freundin gehörte. Nach dem Tod hat sie es ihr vorsichtig abgenommen.

Es sind zwei Welten, in denen Monique Menzel-Ummenhofer lebt.Vor zwei Jahren hat sie sich in Regensburg zur Sterbebegleiterin ausbilden lassen. Doch viele kennen sie nur als kunterbunte Monique Sonnenschein: Eine quirlige Persönlichkeit, die sich Perlen in die Dreadlocks flechtet und auf Kinderpartys Hasen aus dem Hut zaubert. „Ich kam durch die Kinder auf die Hospizarbeit“, sagt die Künstlerin. Sterbende Menschen seien nicht nur traurig. „Sie wollen auch mal glücklich sein, und fröhlich und unbeschwert.“

Eine Gans zum Knutschen

Monique Sonnenschein läuft barfuß übers Gras. Die Glöckchen ihrer Kette klingen, wenn ihr Fuß den Boden berührt. Hinter dem Haus liegen die Felder, Wiesen und der Teich, in dem im Sommer alle baden. Monique Sonnenschein öffnet das Gatter und beobachtet, wie die Enten zum Wasser watscheln und Brotreste aufsammeln. Dann hebt sie ihre Lieblingsgans hoch. Sie presst Gustavs Körper fest an sich, sein Hals windet sich um ihren. Wie ein übergroßes Baby hält sie das Tier im tätowierten Arm und drückt ihm einen Kuss ins weiße Gefieder.

Auf vier Hektar – mit Koi-Teich, Bauwagen, Tipi-Zelt und Pferdestall – leben Monique Sonnenschein und ihr Mann Umi in Wildenberg im Landkreis Kelheim. Die 43-Jährige hat zwei erwachsene Töchter, die selbst schon Kinder haben. Erst vor ein paar Tagen besuchten sie die Oma und feierten Geburtstag. In der Küche liegen noch bunt verzierte Muffins.

Sie sei harmoniesüchtig, erzählt die Künstlerin. Und sie braucht liebe Menschen um sich. Das Grundstück in Niederbayern hat das Paar vor zehn Jahren gekauft. Dort wohnt es nicht allein, sondern mit Moniques Mutter und Freunden in einer lebhaften WG. „Wir sind bunt, wir sind anders – wir sind trotzdem genau gleich!“

Wenige Tage nachdem Monique Sonnenschein im Interview vor der Kamera von ihrem Glück erzählt, ist sie in einer anderen Welt: Eine Kindergruppe drückt sich an den Schminktisch. Neben einem goldenen Handspiegel hat sie Tuben und Schminktöpfchen aufgereiht. Mit einem feinen Pinsel rührt sie die pinke Farbe an und tupft Sternchen auf die schon türkisfarbene Wange einer kleinen Wasserfee. Die Künstlerin hat sich selbst rote Herzen auf die Wangen gepinselt. Die Dreadlocks hat sie wie Pippi Langstrumpf zu Zöpfen gebunden.

Monique Sonnenschein ist eine Frau, die strahlt, wenn sie über ihr Leben spricht. Gerade dann, wenn es um die Arbeit mit Kindern geht: Die 43-Jährige war in München auf der Zauberschule. Weil eine ernsthafte Rolle nicht zu ihr passte, schuf sie ihr zweites Ich. Seitdem ist sie als Monique Sonnenschein auf Festen oder Kinderpartys unterwegs. Sie schminkt, zaubert, macht mit ihren Bandkollegen von „Weißwurscht is“ Musik. Wenn sie auf der Bühne steht, reißt sie ihre blauen Augen auf, verzieht übertrieben den Mund und gestikuliert wild in der Luft .„Ich bin wirklich nicht mehr ich“, sagt Monique Sonnenschein über ihre Rolle und lacht.

Eine Liebe für die Musik

Monique Sonnenschein sagt, dass sie den „tollsten Mann auf der ganzen Welt“ geheiratet hat. Umi, der eigentlich Jürgen heißt, hat sie vor 17 Jahren auf einem Festival kennengelernt. „Ich kann mich auf ihn verlassen, er sich auf mich.“ Und Umi hat sie zur Musikerin gemacht. Damals in der Waldorfschule hatte die 43-Jährige Geigenunterricht. Furchtbar für die Schülerin. Als ihr Mann Jahre später seine Gitarre auspackt, beginnt sie heimlich zu üben. Seitdem spielen die beiden am Lagerfeuer. Meistens machen sie die Augen dabei zu. Monique Sonnenschein sagt, dass Leute, die ihnen zuhören, dann manchmal weinen.

Monique Sonnenschein liebt Sonnenblumen. Sie steckt sie sich ins Haar, sie liegen als Kissen auf dem Sofa und im Sommer blühen sie im Garten. Ihrer besten Freundin hat sie zum Abschied eine Blume und eine Feder in den Sarg gelegt. Früher habe sie große Angst vor dem Tod gehabt, sagt sie. Dann verlor sie innerhalb eines Jahres sechs Menschen. Als sie das erste Mal für eine todkranke Zehnjährige zaubert, findet Monique Sonnenschein einen neuen Weg, ihre Talente zu nutzen.

Die Ausbildung für die Hospizarbeit dauerte ein halbes Jahr. Noch sind es wenige, die bei der 43-Jährigen in Wildenberg anrufen. Auf dem Dorf werde noch anders gestorben, sagt sie. Aber Monique Sonnenschein glaubt an ein Zeichen, wenn jemand ihre Hilfe braucht. Am liebsten würde sie ihre Wohnungstür ständig offen lassen. Das kranke Mädchen, für das Monique Sonnenschein da war, sah im Traum eine böse Zauberin. Die Sterbegleiterin verließ sich auf ihr Gefühl. Und sie vertrieb die Angst der Kleinen: „Wenn du ehrlich bist und fühlst, dann kann nichts mehr schief gehen.“