Flucht vor dem Krieg
Sascha gelang die Flucht

Dem 15-jährigen Sascha gelingt die Flucht aus der Ostukraine nach Irlach mit Hilfe von Familie Brixner.

23.05.2022 | Stand 15.09.2023, 5:00 Uhr
Roswitha Priller
Inzwischen sind alle glücklich vereint. Stefanie (l.) und Stefan Brixner (re.) mit. v.l. Svetlana, Sascha und Olga. Das Registrierungsband haben sie zur Erinnerung aufgehoben. −Foto: Roswitha Priller

Wir sitzen gemütlich bei Kaffee und Kuchen bei Familie Brixner in Wildenberg. Mit am Tisch sitzen die ukrainischen Schwestern Svetlana und Olga mit ihrem Neffen Sascha (15). Das ist inzwischen für Stefanie und Stefan Brixner ein gewohntes Bild – seit Anfang März haben sie Svetlana und Olga mit ihren Kindern ins Herz geschlossen. Nur Sascha ist erst seit kurzem dabei. Er lebte bis vor wenigen Wochen bei seinem Vater in der Ostukraine.

Mit Hilfe der Brixners gelang ihm die Flucht nach Deutschland zu seinen Tanten und Cousins. „Wir sind beim Wildenberger Helferkreis und haben uns beim ersten Kennenlernen entschieden, gemeinsam mit unseren Freunden Carina und Tom, die Patenschaft für Svetlana und Olga mit ihren fünf Kindern zu übernehmen“, erzählt Stefanie Brixner.

Obwohl man sich nur per Google-Übersetzer verständigen kann, ist eine richtig tiefe Bindung zwischen allen entstanden. „Anfang April erzählte uns Svetlana, sie müsse ihren Neffen Sascha aus der Ukraine holen“, berichtet Stefanie Brixner. Ihr Bruder, der alleinerziehende Vater von Sascha, sei an die Front gerufen worden. Zuerst wurden bei der Mobilmachung Alleinerziehende nicht zum Militärdienst gerufen. Sascha lebte mit seinem Vater in Meschowa etwa 130 Kilometer entfernt von Donezk.

Von einem auf den anderen Tag musste der Vater an die Front. Sascha konnte bei seiner Großmutter Unterschlupf finden. Da diese die Heimat nicht verlassen wollte, wollten die beiden Tanten den Jungen unbedingt zu sich nach Deutschland in Sicherheit holen. „Für uns war klar, dass Svetlana und Olga nicht in Richtung Ukraine reisen konnten. Also entschieden wir uns zu helfen“, so Stefan Brixner.

Aber wie sollte der minderjährige Sascha sicher bis nach Irlach kommen? Zu viele Gefahren lauerten auf der gesamten Strecke. Dazu kam noch die gesamte Bürokratie, die es zu beachten galt. Die Brixners ließen sich nicht beirren. Aber erstmal musste es Sascha aus seiner Heimatregion bis nach Lwiw schaffen – und von dort aus an die ukrainisch-polnische Grenze. Saschas Heimatregion wurde inzwischen evakuiert. „Einmal flog eine Rakete direkt an meinem Fenster vorbei“, erinnerte sich Sascha. So nah waren die Kämpfe schon.

Der 15-Jährige musste drei Tage warten, bis er einen der Plätze im Zug ergattert hatte. Als Sascha im Zug saß, liefen bei Brixners die Vorbereitungen auf Hochtouren. Kind und Hund mussten für zwei Tage versorgt sein. Ihrem Sohn mussten sie versprechen, keinesfalls in die Ukraine reinzufahren. Sascha musste es alleine bis nach Polen schaffen. „Als wir die Nachricht bekamen, dass Sascha in Lwiw ist, waren wir schon mal erleichtert“, erzählt Stefanie.

Die eintägige Zugreise lief nachts mit verdunkelten Scheiben und ausgeschalteten Handys ab, damit die Züge nicht geortet werden. „Ein bisschen Angst habe ich schon gehabt“, gab Sascha im Gespräch zu. In Lwiw konnte er bei Bekannten übernachten, dann ging für ihn die Reise nach Polen weiter. Parallel machten sich Brixners auf den über 1200 Kilometer langen Weg an die ukrainische Grenze. Hier kamen für Sascha die ersten bürokratischen Hürden. Ein Telefonat an die Front zum Vater führte dazu, dass der Junge unbegleitet über die Grenze durfte. Aber auch auf polnischer Seite hieß es erstmal „Stop“ für Sascha. Nachdem sein Status geklärt war, wurde er in eine Unterkunft gebracht. Brixners hielten per Smartphone Kontakt zu ihm. „Unsere große Sorge war, dass wir nicht erfahren, wo er hingefahren wird“, erinnern sich beide. Ausgestattet mit den nötigen Papieren konnten Brixners letztendlich den völlig übermüdeten Sascha entgegennehmen. Als Beleg bekamen sie ein Registrierungsband mit QR-Code. „Ich hatte Angst zu schlafen, damit ich immer weiß, wo ich bin“, erklärte der Junge. Nach 28-stündiger Reise und 2440 gefahrene Kilometer kamen Brixners mit Sascha in Wildenberg an. Sascha selbst war nochmal 1,5 Tage länger unterwegs. Die Freude bei allen Beteiligten war riesig. Und Sascha hat in Moritz inzwischen einen ersten deutschen Freund gefunden.