Soziales
Inklusion: Furtherin war der UNO voraus

Die einstige Sozialreferentin und Behindertenbeauftragte des Kreistags, Wera Müller, erhielt den Inklusionspreis 2020.

25.06.2021 | Stand 16.09.2023, 2:05 Uhr
Wera Müller (2.v.r.) bekam den Inklusionspreis 2020 von Bezirkstagspräsident Franz Löffler (rechts) nachträglich überreicht, nachdem die Verleihung im Vorjahr Corona-bedingt ausfallen musste. Gratuliert haben Müllers Nachfolgerin als Behindertenbeauftragte des Landkreises, Renate Hecht (mitte), Tamara Kager von der OBA Reichenbach (2.v.l.) und Bürgermeister Sandro Bauer. −Foto: Michael Gruber

Menschen mit und ohne Behinderung, die gemeinsam in der Öffentlichkeit tanzen: In den späten 1990er- Jahren hat das „keine Jubelstürme ausgelöst“, erinnert sich Wera Müller an die Anfänge der unBehinderten Kulturtage in Furth im Wald. Mehr als 26 Jahre später sieht das anders aus. Die ehemalige Stadträtin und Sozialreferentin wurde für ihre Verdienste bei der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung vom Bezirk Oberpfalz mit dem Inklusionspreis 2020 ausgezeichnet – und bekam den Preis nun nachträglich überreicht.

Bezirkstags Präsident und Landrat Franz Löffler hat die persönliche Verleihung des mit 3000 Euro dotierten Preis am Freitag im Further Tagungszentrum nachgeholt, die im Vorjahr wegen der Pandemie entfallen musste. Dabei mahnte Löffler an, dass beim Thema Inklusion auch heute noch viel Aufklärungsarbeit in der Gesellschaft geleistet werden müsse, um das nötige Bewusstsein zu schaffen.

Gesellschaft muss sich öffnen

Löffler sagte: „Es gibt bei vielen Menschen noch ein großes Unwissen darüber, was behinderte Menschen zu leisten im Stande sind. Wir können noch so viele Einrichtungen schaffen und noch so viele Zeigefinger heben, der Anteil in der Gesellschaft, der sich für das Thema öffnet, ist genauso wichtig.“ Dabei wolle er niemandem einen Vorwurf machen, weil es noch sehr viel Unwissen gebe. Löffler verwies auf ein Gespräch mit Alois Glück, dem ehemalige Landtagspräsident, das ihm in Erinnerung geblieben sei. Glück selbst sei Vater eines behinderten Kindes und sagte, keiner in der Gesellschaft sei zu stark, um sich von einem Schwachen helfen zu lassen.

Idee:unBehindert:
Seit 2013 vergibt der Bezirk jährlich den Inklusionspreis, um die Idee der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung ins Licht der Öffentlichkeit zu stellen. 142 Projekte haben sich seither beworben, 24 Projekte wurden ausgezeichnet, darunter Bereiche wie Schultheater, Musik, Sport, Offene Behindertenarbeit oder Wohnen. Das Preisgeld von 9000 Euro wurde im Jahr 2020 an drei Preisträger verteilt.Die unBehinderten Kulturtage wurden im Jahr 1995 als dreitägige Veranstaltungsreihe von Wera Müller ins Leben gerufen, bei der sich Menschen mit und ohne Behinderung kreativ begegnen. Träger des Projekts sind die Kontaktgruppe für Menschen mit und ohne Behinderung in Furth im Wald, der Kunst- und Kulturverein Freiraum e.V. sowie die Offene Behindertenarbeit der Barmherzigen Brüder Reichenbach.

Auf der Seite der Behörden soll die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes die Inklusion von Menschen mit Behinderung weiter voranbringen, erklärte der Bezirkstagspräsident weiter. „In der institutionellen Behindertenhilfe soll das Angebot künftig noch viel individueller auf den Bedarf der jeweiligen Person zugeschnitten werden.“

Weiterhin sprach Löffler die Herausforderungen der Pandemie an, die für Menschen mit Behinderungen eine zusätzliche Belastung darstellten. Gerade in den Einrichtungen habe das Besuchsverbot von Angehörigen zu einer extrem schwierigen Abwägung geführt. Für Menschen mit einer geistigen Behinderung sei es sehr schwer, die Situation der Pandemie begreifbar zu machen.

unBehinderte Kulturtage als Leuchtturm

„Es gibt bei vielen Menschen noch ein großes Unwissen darüber, was behinderte Menschen zu leisten im Stande sind.“Bezirkstagspräsident Franz Löffler

„Du hast es geschafft, dass viele Menschen in der Region erfahren haben, dass eine Behinderung zum Leben dazu gehört“, würdigte Löffler die Preisträgerin. Müller nahm die Auszeichnung im Namen aller Beteiligten der unBehinderten Kulturtage entgegen, das von der Kontaktgruppe für Menschen mit und ohne Behinderung in Furth im Wald, dem Kunst- und Kulturraum Freiraum e.V. sowie der Offene Behindertenarbeit im Landkreis Cham der Barmherzigen Brüder in Reichenbach organisiert wird.

Ein „Juwel“ für den Landkreis

„Wir freuen uns narrisch über die Auszeichnung“, sagte Müller, die neben ihrer Funktion als Stadträtin auch als Behindertenbeauftragte des Kreistags aktiv war. Das Preisgeld könne die künftige Generation für das Projekt gut gebrauchen. Nachdem sie 1990 in den Stadtrat gewählt worden sei, habe sie bemerkt, dass es im Behindertenbereich noch viel zu tun gebe. Bei den ersten Veranstaltungen habe es eine große Skepsis bei den Menschen gegeben, „aber wir haben überzeugen können und viel Unterstützung bekommen“, sagte Müller.

Großen Dank richtete die Furtherin an Alex Costa und Alfred Bruckner, die das Projekt von Anfang an mit unterstützt hatten sowie an alle weiteren Beteiligten. Bürgermeister Sandro Bauer lobte in seinem Grußwort die große Freude, die bei den Menschen mit und ohne Behinderung zu spüren gewesen sei. „Es hat überwältigende Veranstaltungen gegeben und auch die Auftritte der Hipp-Hopp-Band waren hervorragend.“

Nach den Worten von Müller werden die „unBehinderten Kulturtage“ künftig unter dem Namen „unBehinderte Kulturtage im Landkreis Cham“ weiterlaufen und von Stadt zu Stadt ziehen. Der Auftakt soll diesen Herbst in Cham erfolgen, zudem ist ein Workshop in der Radwerkstatt in Arnschwang geplant. Landrat Löffler bezeichnete Müller als „ein Juwel“ für den Landkreis, die große Fußstapfen hinterlassen habe. Ihre Nachfolge sei mit Renate Hecht als neue Behindertenbeauftragte des Kreistages aber in besten Händen.