Gewalt Mehr sexuelle Übergriffe in Neumarkt
Ein 69-Jähriger begrapschte eine Frau in einer Sauna. Eine Reform sorgte dafür, dass die Zahl der Delikte zugenommen hat.

Neumarkt.Als sie allein in der Sauna waren, griff der Mann mit beiden Händen an die Brüste der Frau. Sie solle sich nicht so anstellen, habe der Angeklagte der Frau laut Anklageschrift entgegnet, als diese dem verheirateten Mann sagte, dass sie das nicht wolle. Der 69-Jährige aber machte weiter, fasste der Frau mittleren Alters mit der rechten Hand erneut an den Busen und dann in den Intimbereich. Mit der anderen Hand packte er die Hand der Frau und führte sie zu seinem Penis. Die Frau entriss ihre Hand, forderte ihn abermals auf, das zu unterlassen. Dieser versuchte, die nackte Frau zu küssen. Dann verließ er die Sauna.
An einem Nachmittag im Mai ereignete sich dieser Vorfall in einem Urlaubshotel in Österreich. Jetzt musste sich der Mann aus dem Landkreis Neumarkt wegen sexueller Nötigung vor dem Neumarkter Amtsgericht verantworten. In der Anklageschrift warf ihm Staatsanwalt Bernd Seitz vor, gegen den Willen der Frau sexuelle Handlungen mit körperlicher Gewalt vorgenommen zu haben.
Die Statistik täuscht
In den vergangenen Jahren wurden immer mehr sexuelle Missbrauchstaten angezeigt. Das zeigt eine Statistik der Polizeiinspektion Neumarkt. Während sich die Zahl der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den vergangenen sechs Jahren im Bereich zwischen 14 und 29 bewegt hat, wurden der Polizei Neumarkt 2017 38 Taten bekannt. Diese Fälle unterscheiden die Beamten unter anderem nach sexuellem Missbrauch von Erwachsenen und Kindern, sexuellen Übergriffen und Belästigungen sowie exhibitionistischen Handlungen und der Verbreitung pornografischer Schriften. Der Anstieg der Straftaten täuscht allerdings ein wenig. Grund ist eine Gesetzesänderung im Sexualstrafrecht, die 2016 mit dem Grundsatz „Nein heißt Nein“ durch die Medien ging.
In dem Diagramm sehen Sie die Zahl der angezeigten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den vergangenen Jahren im Bereich der Polizeiinspektion Neumarkt:
Konkret besagt der erste Absatz des Paragrafen 177 des Strafgesetzbuches seit der Reform vor zwei Jahren, dass ein Täter mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft wird, wenn er gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt. Der Neumarkter Rechtsanwalt Geedo Paprotta veranschaulicht diesen Absatz an dem Beispiel eines Pograpschers. Fasste ein Mann früher einer Frau an den Hintern, fiel diese Tat offiziell unter dem Begriff sexuelle Beleidigung. „Im schlimmsten Fall gab es eine Geldstrafe, oft passierte gar nichts“, sagt Paprotta. Heute dagegen sei das sexueller Missbrauch und eine Straftat. „Jede vermeintliche Kleinigkeit kann als sexuelle Straftat ausgelegt werden.“
Viel entscheidender als die Gesetzesänderung ist für Rechtsanwalt Geedo Paprotta allerdings die Tatsache, dass die Wahrnehmung für sexuelle Delikte in der Öffentlichkeit zugenommen habe. Auslöser seien die sexuellen Übergriffe während der Silvesternacht 2015/16 in Köln gewesen. „Die Reform hat nicht in den Paragrafen, sondern in den Köpfen der Juristen und Opfer stattgefunden“, sagt Paprotta. Für die Opfer sei es heute leichter, gegen die Täter strafrechtlich vorzugehen. Natürlich steht vor Gericht Aussage gegen Aussage, weil bei einer sexuellen Handlung oft kein Dritter dabei ist. „Aber das Gericht glaubt dem Opfer in der Regel mehr als dem Täter.“
Opfer leiden unter Handlungen
Im aktuellen Fall aus Österreich kam es nicht so weit, dass das Opfer als Zeugin vernommen wurde. Richter Rainer Würth ersparte der Frau das peinliche Offenbaren der Ereignisse in der Sauna. Zuvor hatte der Angeklagte über seinen Verteidiger vortragen lassen, dass er die Tat einräume. Die Geschädigte war vor Gericht erleichtert, sagte dem Richter aber noch kurz, wie sehr der Vorfall ihr Leben verändert habe. Sie sei seitdem nicht mehr in der Arbeit gewesen. „Ich habe Angst.“
Wie sich Opfer sexueller Straftaten fühlen, weiß Anastasia Kenty. Sie leitet die Neumarkter Außenstelle des Weissen Rings. „Sexualdelikte sind bei uns leider nicht mehr wegzudenken“, sagt sie. Psychisch sei ein sexueller Vorfall für die Opfer ganz schlimm. „Die haben daran zu knabbern.“ Wendet sich eine Frau an den Weissen Ring, trifft sich Anastasia Kenty mit ihr und spricht über den Fall. Zuhören hat für Kenty Priorität. Nach einem Gespräch begleitet sie das Opfer zur Polizei, zum Anwalt und zum Gericht – wenn es sein muss. Grundsätzlich müsse ein Grapscher an den Po angezeigt werden, wenn der Täter das bewusst gemacht habe. „Das ist eine Straftat.“ Natürlich sei bei jedem Fall die Situation, in der das geschieht, entscheidend. Ein Rempler im überfüllten Bus nach einer Vollbremsung sei meist keine Absicht.
1000 Euro Schmerzensgeld
Der Angeklagte vor dem Neumarkter Amtsgericht dagegen nötigte die Frau in der Sauna bewusst. Richter Rainer Würth verurteilte den verheirateten Mann zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Außerdem muss der Pensionist 2500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung und 1000 Euro Schmerzensgeld an das Opfer zahlen.
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