St. Johannes Warum die Glocken des Neumarkter Münsters schweigen
Neumarkt.Im Februar 2021 stürzte eine Glocke im Kirchturm von St. Johannes ab. Zum Glück blieb eine größere Katastrophe aus. Jetzt braucht es aber größere und teure Reparaturen.
550 Kilogramm wiegt die Josefsglocke. Man kann sich ausmalen, was hätte passieren können, wenn sich das Läuterad der Glocke nicht im Balkenwerk der Glockenstube verkeilt hätte. So stürzte die Glocke nur etwas ab. Matthias Riedel von der Firma Turmuhren Rauscher aus Regensburg hatte im Februar die Josefsglocke gesichert und einige Monate später auch wieder in Gang gesetzt.
Jetzt ist er mit seinem Namensvetter Benjamin Riedel wieder im Neumarkter Münster, um dafür zu sorgen, dass keine weiteren Glocken abstürzen. „In den letzten Jahren sind neun oder zehn solche Glocken im Bistum Eichstätt abgestürzt“, erfährt man von den beiden Experten und außerdem werde das Läuten auf Elektrik umgestürzt, sonst drohe Ähnliches wie in der Frankfurter Paulskirche. Dort habe die Läutemaschine „Amok“ gelaufen und die verklemmte Glocke sei in die Decke gestürzt und zerschellt.
Glocken von St. Johannes brauchen stärkere Achsen
„Diese Glocken hier hat Friedrich Wilhelm Schilling in Heilbronn gegossen“, Matthias Riedel das Glockengießerzeichen JWS im Metall. „Die Schillingglocke ist berühmt dafür, dass sie sich in bestehende Geläute sehr schön integrieren lässt. Das Problem ist aber, man hat sich um die Statik vor 50 bis 100 Jahren einfach Pi mal Daumen gekümmert“, erklärt Riedel. Die Achsen, an denen die Tonnenlast hängt, seien samt und sonders zu klein gemacht.
Deshalb müssen die Glocken nun mit dem Flaschenzug auf Balken abgestellt werden, damit sie nicht durch den Boden krachen. In Regensburg werden dann neue Achsen mit einem größeren Querschnitt erstellt und anschließend in die bestehenden Balken der Glockenstube eingefräst.
Reparaturen an Glocken kosten 35000 bis 40000 Euro
Die ganze Arbeit wird mindestens vier bis sechs Wochen dauern und zwischen 35000 und 40000 Euro kosten. „Eichstätt zahlt circa 7000 Euro“, erzählt Kirchenverwalter Franz Ebenhöch und hofft auf einige weitere tausend Euro an großherzigen Spenden, damit die Kostenlücke wieder geschlossen werden kann und die Neumarkter spätestens im Herbst wieder das Läuten hören.
Turmuhren Rauscher ist einer von einer Handvoll Betrieben in Deutschland, die auf derartige Arbeiten spezialisiert sind. „Wir sind vor zwei Jahren im Mai 100 Jahre alt geworden. Den genauen Gründungstag weiß man nicht, weil im Krieg in Regensburg alle Papiere im Bombenhagel vernichtet wurden“, sagt Riedel.
Im Auftrag der Regensburger Firma reist Matthias Riedel durch die Lande. „Meine größte Glocke in Landshut auf dem höchsten Kirchturm Bayerns und dem höchsten Backsteinturm der Welt hat fast 8 Tonnen gehabt“, sagt er selbstbewusst. „Von der Glocke bis zum metallenen Fünfmeter-Zifferblatt mache ich alles.“ Der Glockenkümmerer ist in seinem Job gleichzeitig Elektriker, Schreiner, Zimmermann und Schlosser.
Elektrik im Neumarkter Münster ist marode
„Wenn Sie bei uns Lehrling wären, wären sie Feinmechaniker“, sagt Riedel. „Aber was hat eine Glocke mit achteinhalb Tonnen mit Feinmechanik zu tun.“ Das „Männleinlaufen“ zu Nürnberg wartet der Spezialist ebenso, wie die mechanische Uhr an der Lorenzkirche oder am Neumarkter Rathaus.
Die Glocken sind aber nicht das einzige Sorgenkind in Neumarkts größter Kirche. Auch die Elektrik in dem Gotteshaus ist marode, wie Kirchenpfleger Ebenhöch erklärt. Die Instandsetzung werde deutlich über 200000 Euro kosten. Wie hoch der Zuschuss aus Eichstätt ausfallen wird, weiß er noch nicht, aber „mindestens zwei Drittel müssen wir selber zahlen“. Die Firmen haben die Arbeit schon eingeplant und möchten gerne im Juli oder August anfangen.
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