Theater
Altdorfer Wallenstein-Festspiele starten furios

27.06.2022 | Stand 15.09.2023, 4:37 Uhr
Lothar Röhrl
Wallenstein, gespielt von Udo Gerstacker (r.), heckt mit seinem Schwager Graf Terzky (Oliver Reinhardt) einen Plan aus. −Foto: Fotos: Röhrl

Regisseur Alexander Etzel-Ragusa gelingt es, die Aufführung des Schauspiels „Schillers Wallenstein“ auf ein neues Niveau zu heben. Was besonders gut gelungen ist, verrät unser Autor.

So hört sich eine vom Publikum begeistert aufgenommene Theaterpremiere an: Gleich vier „Vorhänge“ forderte ein begeistertes Publikum von den Mitwirkenden des Schauspiels „Schillers Wallenstein“ ein. Damit wurde am Samstag der Traum des Ablaufs einer Premiere Wirklichkeit. So furios sind die diesjährigenWallenstein-Festspiele Altdorferöffnet worden.

Als das Ensemble Hand in Hand diesen Applaus genossen hatte, fehlte der Konstrukteur des Erfolgs, der Freund der Akribie beim Spielen, der detailverliebte Denker bei der Ausstattung, der Talente-Verbesserer: Alexander Etzel-Ragusa. Dieses Genie in der Regie hat die rund 100 Mitwirkenden auf eine noch höhere Stufe des zuvor schon beachtlichen Niveaus gebracht. Ein Fest des Theaters war die Premiere des diesjährigen Hauptwerks der Festspiele.

Alexander Etzel-Ragusa ist ein Mann, der in das Theater verliebt ist. Einer, der Hochspannung beim Zuschauer nach der Art „Was kommt als nächster Geniestreich beim Einsatz von Beleuchtung, von Hintergrundtönen und von inhaltlichen Ergänzungen des Originaltextes“ auslöst.

Udo Gerstacker dominiert als Wallenstein die Bühne

Der begehrte Regisseur (auch Further Drachenstich) hat zum ersten Mal das Schiller-Stück derWallenstein-Festspieleinszeniert. Es muss ein wunderbares Gefühl für jeden Mimen gewesen sein, von einem Regisseur dieser Qualität als unersetzbares Puzzle-Teil dieses Altdorfer Gesamtwerks behandelt zu werden. Das gilt erst recht für die Darsteller der tragenden Rollen.

Allen voran natürlich Udo Gerstacker als Wallenstein. Mit viel Körperspannung und dem zur Wandlung im Charakter von Wallenstein passenden Mimik-Spiel dominierte der Darsteller der Titelfigur bei seinen Auftritten die Bühne.

Aber auch die anderen Darsteller verdienen sich ein riesiges Kompliment. Jeder Darsteller zeigte vorbildliche Konzentration. Kein einziger, vom Publikum vernehmbarer „Hänger“ störte das Zuhören. Ein Genuss war es zu sehen, welch Energie auf detailverliebte Ausstattung bei Gewändern und Requisiten passend zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) verwendet worden ist. Die Farbenpracht passt zum herrlich natürlichen Bühnenbild des Innenhofs der historischen Universität.

Freilich: Das ist die Rahmenbedingung, die schon lange in Altdorf gilt. Die von Alexander Etzel-Ragusa bearbeitete Version bespielte die knapp 30 Meter breite, in mehrere Ebenen unterteilte Bühne. Selbst ein hochrankender Efeu wurde als Projektionsfläche für einen Lichteffekt einbezogen. Sicherlich hat sich mancher im Publikum dabei ertappt, dass er ständig mit dem Drehen seines Kopfes beschäftigt war? Dieses Mitschwenken beim Zuschauen und Zuhören ähnelte den Schnitten zwischen unterschiedlich positionierten Filmkameras. So ließen sich viele Einzelheiten im Spiel der Darsteller am besten verfolgen. Das traf auch auf den kompletten Genuss aller Regieeinfälle zu. Deren Krönung war ein Schattenspiel. Es zeigt das dramatische Ende Wallensteins und seiner Gefährten.

Weil diese Aufführung ein geniales Zusammenwirken von Schauspielern und Etzel-Ragusas Regieeinfällen ist, fällt es schwer, einzelne Darsteller hervorzuheben. Jeder Zuschauer dürfte bei der Premiere die- oder denjenigen gefunden haben, deren beziehungsweise dessen Spiel ihm am meisten imponiert hat.

Gibt es aktuelle Verweise auf den Ukraine-Krieg?

Ein Stück mit von Machthunger besessenen Charakteren. Mit Despoten, denen das Leben Einzelner oder ganzer Völker nichts schert. Sicher: Als vor drei Jahren festgestanden war, dass Etzel-Ragusa das nächste turnusmäßig stattfindende Schiller-Stück bei Wallenstein-Festspielen aufführen werde, war Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine eine damals unvorstellbare Rolle zurück in ein Europa mit Krieg.

Wer um Etzel-Ragusas dramaturgische Vorliebe für das Anspielen auf aktuelle Gegebenheiten mitten in einem Theaterstück weiß, tat sich schwer. Zwar erinnerte eine lange Sitzbank an jenen überdimensionalen Tisch im Kreml, an dem Russlands Putin reihenweise Gäste empfangen hatte. Und sie über seine wahren Absichten im Unklaren ließ. Darauf von unserer Zeitung angesprochen bestritt es Alexander Etzel-Ragusa, auf den Ukraine-Krieg anspielen zu wollen. Wenn das vom Publikum so verstanden werde, sei das dessen „Übertragungsleistung“. Alles, wofür ein Krieg steht, sei „zeitlos“.