Nürnberg
Kulturkampf auf den Großstadt-Straßen

Radler machen mobil: Für Autofahrer nimmt der Gegenwind in Nürnberg zu. Parkplätze sollen knapper, Strafzettel teurer werden.

29.10.2021 | Stand 15.09.2023, 23:37 Uhr
Radler verteilen "Gelbe Karten" an Falschparker. −Foto: Nikolas Pelke

Rad gegen Auto: Ein regelrechter Kulturkampf spielt sich derzeit auf den Straßen in Nürnberg ab. Während die Anhänger der wachsenden Fahrrad-Fraktion fleißig selbstgebastelte Warnzettel an Falschparker verteilen, wird im Nürnberger Rathaus eine Politik der knappen Parkplätze und teuren Strafzettel offensichtlich immer beliebter.

Anreize allein reichen nicht

„Wir wollen die Leute vom Auto auf das Rad bringen. Nur mit Anreizen werden wir das nicht schaffen“, sagt Grünen-Stadtrat Mike Bock, der zuletzt den „Mobilitätsbeschluss“ mit CSU und SPD nachverhandelt hat. Die Zustimmung für weniger Planstellen im Verkehrsplanungsamt hat sich der verkehrspolitische Sprecher der Grünen mit einer Verschärfung der „Knöllchen-Politik“ vergolden lassen.

„Eine bessere Parkraumbewirtschaftung und eine strengere Parkraumüberwachung sind wichtige Punkte für das Gelingen der Verkehrswende“, findet Bock und erklärt, dass die schwarz-rote-Rathauskoalition im Rahmen des neuen „Mobilitätspaktes“ zugesagt habe, das Personal der städtischen Parkplatz-Kontrolleure kräftig zu erhöhen. Derzeit seien rund 50 Politessen in der Frankenmetropole unterwegs. Bock hofft, dass die Zahl in Zukunft auf 100 verdoppelt wird. Kurzfristig rechnet Bock „nur“ damit, dass zehn bis 20 neue Parkraum-Überwacher eingestellt werden.

Am fehlendem Willen oder nötigem Kleingeld fehlt es nicht. Schwierigkeiten mache lediglich die Suche nach geeigneten Knöllchen-Verteiler-Nachwuchs. Hohe Ausgaben brauche man im Rathaus bald nicht mehr zu fürchten, nachdem der Bußgeldkatalog zum 9. November kräftig angehoben wird. Dadurch würden sich die Strafzettel-Mitarbeiter nicht nur praktisch selbst finanzieren, sondern auch noch satte Summen in die leeren Stadtkassen spülen, lautet laut Bock das Kalkül hinter der verstärkten Verknappung und erhöhten Kontrolle von Parkplätzen für Autofahrer. „Die Mehreinnahmen werden uns helfen, die Verkehrswende in Nürnberg zu finanzieren.“

Mehr Kontrolle, mehr Bußgeld

Das Motto dieser Politik könnte daher lauten: Mehr Kontrolle, mehr Bußgeld. „Falschparken wird für Autofahrer nur dann teurer, wenn auch mehr kontrolliert wird“, sagt Bock und erzählt, dass er auch schon selbst die Polizei angerufen habe, wenn mal wieder ein Wagen auf dem Gehweg oder an der Straßenecke seiner kleinen Tochter den Weg versperrt habe. Auch gegen den Einsatz von moderner Technik zur Denunziation von rücksichtslosen Falschparkern hat Bock grundsätzlich nichts einzuwenden.

Dummerweise würden die Drittanzeigen beispielsweise über Handy-Apps wie „Wegeheld“ den bürokratischen Arbeitsaufwand der Behörden derzeit allerdings noch zu stark erhöhen. In der Praxis sei der Einsatz dieser Hilfssheriff-Softwares, die lebenswerte Städte per Klick versprechen, daher für Bock noch ein „zweischneidiges Schwert“.

„Wir haben zu viele Falschparker.“Markus Stipp

Von diesem Dilemma kann auch Markus Stipp vom „Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club“ (ADFC) ein Lied singen. „Wir haben einfach zu viele Falschparker in Nürnberg“, sagt Stipp und erzählt, dass ein Spaziergang mit dem Kinderwagen schnell zum Hindernisparcours mutiere. Um auf die Problematik aufmerksam zu machen, hat der Rad-Club kürzlich „Gelbe Karten“ an die Windschutzscheiben von „Wildparkern“ mit der höflich aber bestimmten Aufschrift „Das können Sie besser!“ geklebt.

Für Fahrrad-Aktivisten wie Markus Stipp geht es im Endeffekt um die „Umverteilung“ des urbanen Raumes. Noch würden „Gelbe Karten“ verteilt, künftig müssten egoistische Falschparker mit noch saftigeren Geldbußen rechnen. Auch gegen den Einsatz von Drittanzeigen via Smartphone hat Stipp nichts. Die Freunde der Drahtesel scheinen tatsächlich von einer schönen, neuen Stadt (fast) ohne Autos zu träumen. „Wir sind am Wendepunkt in der Mobilität“, sagt Stipp und schwärmt von rad-paradiesischen Zuständen wie in Holland. „Die Distanz ist auch in Nürnberg kein Problem. Es fehlen nur noch die sicheren Radwege, die Lust machen zum Radfahren.“