Erinnerung
Märzfeld-Bahnhof soll gerettet werden

Bei der Deportation Tausender Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg hat der Nürnberger Bahnhof eine wichtige Rolle gespielt.

02.04.2018 | Stand 16.09.2023, 6:11 Uhr

Gestrüpp und Unkraut überwuchern den Märzfeld-Bahnhof. Foto: Christine Dierenbach/Stadt Nürnberg

Schon vor zwei Jahren hat der Nürnberger Stadtrat festgestellt, dass der „Deportationsbahnhof Märzfeld“ sich „in einem äußerst schlechten Zustand“ befindet. Der niemals komplett fertiggestellte und heute stillgelegte Langwasser-Bahnhof präsentiere sich „verwahrlost und verschmutzt“, beklagten sich 2016 die Stadträte.

Seitdem hat sich nicht viel getan. Gestrüpp und Unkraut sind noch dichter über den geplanten Erinnerungsort gewachsen. Florian Dierl, Direktor des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände, will diesen Wildwuchs beenden. Dierl ist der Meinung, dass eine „würdige Gestaltung“ des Märzfeld-Bahnhofes der Stadt „gut zu Gesicht“ stehen würde. Dafür führt der Historiker mehrere Gründe an. Einerseits sollte das leidvolle Thema der Deportationen noch stärkere Beachtung finden. Andererseits sei die Dimension des Nürnberger Kriegsgefangenenlagers wahrscheinlich wesentlich größer als bisher angenommen. Die Stadt hat bislang von „über 100 000“ Zwangsarbeitern gesprochen, die während des Zweiten Weltkriegs nach Nürnberg in das Kriegsgefangenen-Lager verschleppt worden waren.

Dierl geht davon aus, dass „rund 200 000“ Kriegsgefangene in Nürnberg zwischen 1939 und 1945 in einer der vielen Industriebetriebe arbeiten mussten. Die Stadt der Reichsparteitage habe eines der größten Lager für Kriegsgefangene in Nazi-Deutschland gehabt. Die vielen Häftlinge der Wehrmacht seien mehrheitlich beim Märzfeld-Bahnhof angekommen. Zu diesem vorläufigen Ergebnis sei eine wissenschaftliche Untersuchung gekommen, deren Ergebnisse das Dokumentationszentrum spätestens bis zum Sommer präsentieren wolle.

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Vor dem Hintergrund will Dierl den ehemaligen Märzfeld-Bahnhof stärker in den Blickpunkt rücken. Bislang stehen hier zwei der 2006 auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände zur Weltmeisterschaft errichteten Informationsstelen, die auf den Märzfeld-Bahnhof als Schauplatz der Juden-Deportationen und der Kriegsgefangenen- Transporte hinweisen. Dierl stellt klar, dass kein neues Museum entstehen soll. „Wir wollen den Ort aber sichtbarer machen“, sagt der Museumschef. Er sieht Nürnberg in der Pflicht, noch mehr Informationen über die Geschehnisse rund um die Gleisanlagen nach Kriegsbeginn bereitzustellen. Auch die Bahn sollte sich laut Dierl daran beteiligen, die überwucherten Überbleibsel in einen „würdigen Zustand“ zu versetzen. Derzeit würde immer noch über die Aufteilung der Kosten verhandelt.

Diese Verhandlungen sind aus zwei Gründen schwierig. Einerseits gehören die Überreste des Bahnhofes inklusive Gleisanlagen der Bahn. Es gibt allerdings eine vertragliche Vereinbarung zwischen Stadt und Bahn aus den 70er Jahren. Darin verpflichtet sich die Stadt nach der Stilllegung des Bahnhofs zur Übernahme der Erhaltungskosten. Zu allem Überfluss ist die Bahnsteigunterführung eine wichtige Verkehrsverbindung für Fußgänger und Radler im Stadtteil Langwasser.

Die Aufgänge zu den Bahnsteigen sind heute vermauert oder vergittert. Der Tunnel unter den Gleisen ist ebenfalls in einem erbärmlichen Zustand. Von dem historischen Gebäudeteil ist nur ein Teil der Fassade des Hauptgebäudes nordöstlich des Tunneleingangs erhalten geblieben. Nordwestlich des Tunneleingangs befinden sich die Informationsstelen, die die Stadt bereits vor zwei Jahren als „ungünstig positioniert“ und „verschmutzt“ bezeichnet hat. Nur die Gleise sind in einem guten Zustand. Sie werden für den Güterverkehr benötigt. Die Zeugen der düsteren Vergangenheit drohen dagegen zu verfallen.