Forschung
Schluckimpfung reicht wohl nicht aus

Das FAU-Team am Uniklinikum Erlangen findet heraus, dass der Darm allein nicht gegen COVID-19 ankommt.

12.05.2021 | Stand 16.09.2023, 2:52 Uhr
Eine Schluckimpfung könnte möglicherweise keinen ausreichenden Schutz bieten. −Foto: Alil Rezayee/picture alliance / dpa

Möglicherweise besteht kein ausreichender Schutz anderer Organe durch die Immunantwort des Darmes gegen Corona. Das Erlanger FAU-Team fand heraus, dass der Darm allein wohl nicht gegen COVID-19 ankomme. Der Darm spielt eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Infektionen – und neben der Lunge ist er wichtigstes Einfallstor des SARS-CoV-2-Virus in den menschlichen Körper. Doch bei COVID-19-Infektionen scheint die Abwehrkraft das Darms allein nicht auszureichen, um eine Ganzkörperimmunität gegen COVID-19 zu schaffen. Das haben Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) jetzt herausgefunden. Obwohl noch mehr Forschung nötig ist, deuten die Erkenntnisse darauf hin, dass Schluckimpfungen möglicherweise nicht für ausreichend Immunität gegen COVID-19 sorgen.

Team der FAU forscht

In der neuen Studie, die im Fachmagazin „Frontiers in Immunology“ veröffentlicht wurde, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Blutproben von COVID-19-Patienten. Das Ergebnis: „Die Anzahl bestimmter Abwehrzellen, die durch die Reaktion des Darms auf die Infektion gebildet werden, war im Vergleich zu den Immunzellen, die an anderen Stellen im Körper gebildet werden, deutlich geringer“, sagt Dr. Sebastian Zundler, der das Team an der Medizinischen Klinik 1 (Gastroenterologie, Pneumologie, Endokrinologie; Direktor Prof. Dr. Markus F. Neurath) am Universitätsklinikum Erlangen leitet.

Weil das SARS-CoV-2-Virus den Körper über Lunge und Darm infizieren kann, wird Abstand halten und häufiges Händewaschen empfohlen. Zunders Team wollte die Rolle des Darms in Hinblick auf dessen Fähigkeit, systemische Immunität gegen das Virus zu schaffen, verstehen.

„Mein Labor forscht normalerweise an der Immunantwort und Zellwanderungsbewegungen im Rahmen von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Da eine Infektion mit COVID-19 aber auch über den Darm möglich ist, entschlossen wir uns, unsere Methoden auch auf das Virus zu übertragen“, sagt Zundler. Das Team verwendete eine Technik namens Durchflusszytometrie, um die verschiedenen Arten von Immunzellen zu erkennen und zu messen, die sich in den Blutproben von an COVID-19 erkrankten Patienten, solchen, die sich von COVID-19 wieder erholt haben, und Menschen, die nie infiziert waren, fanden.

„Es gibt einen speziellen Mechanismus im lymphoiden Gewebe des Darms, der die Produktion eines Markers namens ‚a4b7 integrin‘ auslöst. Dieser Marker veranlasst T-Zellen, sich in Richtung Darm zu bewegen, um eine Infektion zu bekämpfen. Anhand dieses Markers können wir erkennen, ob im Blut Lymphozyten zirkulieren, die durch die Immunantwort des Darms entstanden sind“, erklärt die Erstautorin der Studie, Dr. Tanja Müller. Sie forscht ebenfalls am Universitätsklinikum Erlangen.

Vermutung:Konsequenz:
Die Forscher(innen) nehmen an, dass ihre Erkenntnisse von Bedeutung für potentielle Schluckimpfungen sein können, die gerade entwickelt werden.Mehr Forschung sei notwendig, um die Bedeutung der Ergebnisse zu verstehen, so Dr. Sebastian Zundler. Die Auswertung von Proben aus Darm und Lunge werde helfen, diese wichtige Frage zu beantworten.

Sie sagt weiter: „Unabhängig davon, ob die Patienten im Rahmen ihrer Erkrankung gastrointestinale Symptome hatten oder nicht, fanden wir relativ wenige Immunzellen mit diesem Marker im Blut von COVID-19 Patienten. Das könnte an der ‚Verdünnung‘ durch Zellen liegen, die an anderen Infektionsorten – zum Beispiel in der Lunge – gebildet werden. Alternativ könnte es sein, dass diese Zellen selektiv in andere Organe einwandern.“