Medizin
Was der German Doctor in Indien erlebte

Dr. Peter Schleicher aus Schwarzenbruck blickt über den goldenen Tellerrand der Luxus-Medizin und erzählt, was ihn antreibt.

21.01.2019 | Stand 16.09.2023, 5:53 Uhr
Stefanie Roth

Dr. Peter Schleicher aus Schwarzenbruck ist als „German Doctor“ ehrenamtlich im Ausland im Einsatz. Foto: Miro May

Als sich Dr. Peter Schleicher vor vier Jahren in den Ruhestand verabschiedete, erfüllte sich der Allgemeinarzt aus Schwarzenbruck einen Lebenstraum, den er viele Jahre aufgeschoben hatte, weil er in der eigenen Praxis eingespannt war. Er bewarb sich bei der Ärzte-Organisation German Doctors, um kranken Menschen in armen Ländern zu helfen.

Sein erstes Ziel führte ihn auf die Philippinen, ein Jahr später reiste er nach Nairobi und im vergangenen Jahr war er in Kalkutta in Indien im Einsatz – eine Stadt der Extreme, wie Schleicher schnell herausfand. Der Unterschied zwischen Arm und Reich sei in der Millionenstadt enorm. „Was Überbevölkerung bedeutet, habe ich erst in Kalkutta erlebt“, sagt Schleicher. Und nicht nur das. Der gläubige Christ hat auch einen Eindruck davon bekommen, wie es zugeht, wenn die Nächstenliebe fehlt. „Im Hinduismus kennt man diesen Begriff nicht“, erklärt er. „Wenn einer am Boden liegt, dann laufen die anderen einfach vorbei“, sagt er. Man glaubt, dass derjenige ein schlechtes Karma habe.

Hohes Ansehen als Arzt

„Mit dem Stethoskop, mit dem Ohrenspiegel, mit unseren Augen und unserem Gefühl.“Allgemeinarzt Dr. Peter Schleicher

Viele Analphabeten

Die Folgekosten einer Überweisung übernehmen die German Doctors, ebenso wie die Kosten für die Medikamente oder die Schulung von Schwestern vor Ort. „Hilfe, die bleibt“, das ist das Ziel der Organisation. Viele Inder seien Analphabeten, was wiederum bedeutet, dass sie meist nicht mal allein ins Krankenhaus in die richtige Abteilung finden. Die Untersuchungen in den Slum-Ambulanzen finden mit einfachsten Mitteln statt: „Mit dem Stethoskop, mit dem Ohrenspiegel, mit unseren Augen und unserem Gefühl“, sagt Schleicher. Er hat viele tragische Patientenschicksale erlebt. Eins aber ist ihm besonders in Erinnerung geblieben.

Diese Bilderstrecke ist leider nicht mehr verfügbar.

Hohe Zungenkrebsrate

„Ein junger Mann kommt herein, er war das erste Mal beim Arzt, um die 30. Er hatte ein Problem im Mund“, erzählt Schleicher. Schnell erkannte er, dass es Zungenkrebs war – typisch für Indien. „Das ist ein Land mit der höchsten Mund- und Zungenkrebsrate“, sagt Schleicher und erklärt auch, warum das so ist. Indische Männer kauen häufig über 20 Portionen Kautabak täglich, spucken auf den Boden, so dass selbst dieser auf die Dauer porös werde, weil der Tabak so aggressiv sei. „Das war grauselig“, sagt er auch heute noch. Für ihn sei diese Krankheit besonders erschreckend, weil das Ganze aus einer Tradition herrührt – der Kautabak soll letztlich auch den Hunger unterdrücken.

Basismedizinische Versorgung

Nicht immer ist die Krankheit einfach zu identifizieren, Schleicher nimmt keine Operationen vor, sondern kümmert sich um die Basisversorgung. Gerade bei Frauen sei die Untersuchung häufig komplex. „Die Inderinnen kämpfen um jeden Zentimeter Hautfläche“, sagt Schleicher. Immer wieder gab es Fälle, die er an eine Kollegin der German Doctors übergeben habe müssen, weil sich die Damen nicht für die Untersuchung freimachen wollen.

„Vor Krankheiten habe ich sowieso keine Angst, dafür bin ich zu sehr Profi.“Allgemeinmediziner Dr. Peter Schleicher

Terroranschlag mit Toten

Angst, sich selbst anzustecken, hatte der Arzt nie: „Vor Krankheiten habe ich sowieso keine Angst, dafür bin ich zu sehr Profi“, sagt der Mediziner und fügt hinzu: „Das Gefährlichste an Kalkutta ist nicht die Lepra und die Tuberkulose, das Gefährlichste ist der Verkehr.“ Wo es keine geregelten Fußübergänge gibt, könne man durchaus Angst ums eigene Leben haben. Schleicher habe sich immer sicher gefühlt. Dass so ein Einsatz durchaus gefährlich sein kann, zeigt eine aktuelle Pressemeldung auf der Homepage der German Doctors. Glücklicherweise sei nach dem Terroranschlag in Nairobi mit 67 Toten kein deutscher Einsatzarzt verletzt oder getötet worden, heißt es dort.

Hintergrund-Info & Tipp: Ein Mangel, der sowohl in Deutschland als auch in Indien auftritt, ist laut Dr. Schleicher der Vitamin-D3-Mangel:

  • In Indien haben die Menschen häufig einen Vitamin-D3-Mangel, da sie den Körper häufig den ganzen Tag über mit Kleidung bedecken und kaum Haut zeigen, wenn die Sonne scheint. Nur so aber kann das sogenannte Sonnenvitamin aufgenommen werden.
  • Dr. Peter Schleicher rät auch den Deutschen, von November bis Februar Vitamin D3 nach Empfehlung auf der Packung in den Wintermonaten in der dunklen einzunehmen.

Sechs Wochen im Einsatz

Spendenkonto der German Doctors:Bank für SozialwirtschaftIBAN: DE26 5502 0500 4000 8000 20BIC: BFSWDE33MNZStichwort: Hilfe weltweit

Der goldene Tellerrand

Die Einsätze haben sein Leben nicht komplett verändert, aber sie haben ein ganz persönliches Bedürfnis erfüllt: „Ich hatte Glück und Erfolg in meinem Leben, das will ich zurückgeben“, sagt Schleicher über seinen eigenen inneren Antrieb. Er habe über den „goldenen Tellerrand der Luxus-Medizin“ in Deutschland geblickt. Das Anspruchsdenken fordert in den deutschen Praxen einen pünktlichen Termin ohne lange Wartezeiten, während in anderen Ländern der pure Überlebenskampf herrscht.

Mehr aus Neumarkt und Umgebung:

  • .
  • Die wichtigsten Informationen des Tages direkt auf das Mobilgerät:
  • .
  • .
  • .
  • Die wichtigsten Informationen des Tages direkt auf das Mobilgerät: