Diebstahl
260 000 Euro aus Geldautomaten geklaut

Ein Wartungstechniker aus dem Landkreis Regensburg hatte sich den Code für einen Bankautomaten in Beratzhausen abgeschaut.

26.03.2019 | Stand 16.09.2023, 5:43 Uhr
Marion Boeselager

Beim Befüllen des Geldautomaten durch das Sicherheitspersonal hatte der Angeklagte den Code erspäht. Symbolfoto: Peter/stock.adobe.com

Gelegenheit macht Diebe: Mehrere Jahrzehnte genoss ein Wartungstechniker für Geldautomaten das volle Vertrauen seiner Arbeitgeber. Im Mai letzten Jahres erlag der 59-jährige Familienvater aus dem Landkreis dann doch der Versuchung, sich am üppigen Inhalt eines Automaten im Selbstbedienungsbereich einer Beratzhausener Bank zu vergreifen: Über eine viertel Million, genau 262 030 Euro, fielen dem Dieb in die Hände. Am Dienstag stand der EDV-Techniker wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall vor dem Regensburger Schöffengericht. Er schrammte um Haaresbreite an einer Gefängnisstrafe vorbei.

Vor Gericht erzählte der Angeklagte mit schamrotem Gesicht, wie er sich kurz vor Renteneintritt zu dem Coup hinreißen ließ. Seit seinem 16. Lebensjahr war der Techniker keinen Tag arbeitslos. Bis zu seinem „Sündenfall“ war er unbescholten, er hat nicht mal einen Punkt in Flensburg. Selbst nach seiner fristlosen Kündigung stellte ihm sein Chef noch ein glänzendes Zeugnis aus.

Mehrere Aufbruchversuche

Der Geldautomat in Beratzhausen, sagte der 59-Jährige, habe schon mehrere Aufbruchsversuche hinter sich gehabt. „Ich hab ihn jedes Mal repariert“. Daher habe er den Schlüssel zur äußeren Gerätetür besessen. Hinter der Tür befindet sich der Safe mit dem Geld, der sich nur mit einer zwölfstelligen Zahlenkombination öffnen lässt. Diese sollte nur den Mitarbeitern des damit beauftragten Geld- und Wertedienstes bekannt sein und öfters geändert werden.

„Ich hatte vielleicht mit 60 000 Euro gerechnet. Ich hätte nie gedacht, dass er noch kurz vor dem Abbau komplett befüllt wird.“Der Angeklagte

Doch der Angeklagte kannte den Code längst: Er hatte ihn sich gemerkt, als er Mitarbeitern der Firma beim Öffnen des Automaten über die Schulter schaute. Und er wusste: Entgegen der Vorschriften „haben viele Automaten den gleichen Code. Er wurde auch nicht regelmäßig geändert. Es ist eine ganz einfache Zahlenfolge.“ Als er im Mai erfuhr, dass der Automat in Beratzhausen bald abgebaut werden sollte, habe es in ihm zu arbeiten begonnen. Die Familie hatte keinen finanziellen Sorgen, doch nach Renteneintritt, meinte der Angeklagte, könnte es doch etwas knapp werden. „Da bin ich auf die blöde Idee gekommen.“

Mit seinem Dienstwagen steuerte der EDV-Techniker abends das Beratzhausener Geldhaus an. Er öffnete die Gerätetür und gab den Code ein. Doch dann zuckte er noch einmal zurück. Er schloss die Tür wieder, begab sich zu seinem Stammtisch und trank mit den Kumpels ein paar Bierchen. Danach warf er alle Skrupel über Bord, fuhr erneut zur Bank und räumte den Automaten aus. Als er die gestohlenen Kassetten auf einem Parkplatz öffnete, „war ich total überrascht, wie viel da drin war. Ich hatte vielleicht mit 60 000 Euro gerechnet. Ich hätte nie gedacht, dass er noch kurz vor dem Abbau komplett befüllt wird.“

Zunächst gab es 80 Verdächtige

Mit der hohen Beute war der Mann regelrecht überfordert. Er zahlte einiges nach und nach auf sein Konto ein und versteckte den Rest in einem Koffer im Wandschrank. Keinen Cent gab er aus. Inzwischen konzentrierte sich die Fahndung der Kripo nach den Dieben zunächst auf die Mitarbeiter des Geld- und Wertedienstes. Es gab viele Verdächtige, berichtete ein Beamter der Kripo: 80 aktuelle und ehemalige Kräfte kannten den Code. Doch die Auswertung ihrer Handys ergab, dass keines von ihnen zu beiden Tatzeiten, den beiden Code-Eingaben an jenem Abend, in der Tatort-Funkzelle eingeloggt war. Nur für eine Mobilfunknummer traf dies zu: auf die SIM-Karte des Dienstwagens des Angeklagten. Als die Überprüfung bei ihm dann noch verdächtige Kontobewegungen ergab, ordnete die Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung bei ihm an.

Dem Angeklagten war klar: „Es ist aus“, als er fünf Monate nach der Tat mehrere Polizeiautos vor seinem Haus vorfahren sah. Dennoch machte er nicht sofort reinen Tisch, sondern erst, als ein Spürhund den Koffer mit dem Geld aufstöberte. Seine Frau fiel aus allen Wolken. Die komplette Summe wurde der Bank zurückerstattet.

Danach stürzte der Dieb in eine tiefe Krise: Depressionen, Schuldgefühle gegenüber seiner Familie, sogar Suizidgedanken stellten sich ein. Er ist nach wie vor in psychiatrischer Behandlung. Unter Tränen bat er in seinem Schlusswort um Verzeihung für seine Tat und dankte seiner Familie, vor allem seiner Frau, für ihren Rückhalt.

„Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Sie nicht ins Gefängnis müssen“, führte der Vorsitzende Richter Dr. Wolfhard Meindl dem Angeklagten deutlich vor Augen: Er kam mit einer Kombination aus einer zweijährigen Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 60 Euro plus 2000 Euro Geldauflage an eine gemeinnützige Vereinigung noch einmal mit einem blauen Auge davon. Damit folgte das Gericht weitgehend dem maßvollen Antrag der Staatsanwältin. Zwar sei dem Angeklagten durch die „Schludrigkeit“ der Geldfirma die Tat leicht gemacht worden, sagte Dr. Meindl. Er habe aber seine langjährige Vertrauensstellung missbraucht. Verteidiger Johannes Büttner hatte eine Bewährungs- ohne Geldstrafe beantragt.

Mehr Nachrichten aus dem Landkreis Regensburg lesen Sie hier.